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Episode
001

A.J. Adam, Neumagen-Dhron / Mosel

Andreas Adam und Barbara Gudelj

Folge
001

A.J. Adam, Neumagen-Dhron / Mosel

Feb 7, 2021
mit
Andreas Adam und Barbara Gudelj
01:40:00

Von Null auf 100 Punkte in weniger als…

Andreas Adam, ein fokussierter Erneuerer, Präzisions- und Fleißarbeiter. Ausgezogen aus dem engen Seitental der Mosel, Heimat des ältesten Weinortes des Landes, um, ebenso wie später seine Schwester Barbara, mit dem an der Uni Geisenheim gelernten neuesten Wissen, behutsam und naturnah klassische Lagen wie Dhroner Hofberg und Piesporter Goldtröpfchen neu zu denken.

Ein Anfang vor weißer Leinwand, ohne die direkte Unterstützung einer Familientradition - der Großvater A.J. Adam war der letzte Winzer in einem kleinen landwirtschaftlichen Mischbetrieb -, aber eben auch ohne all den Ballast. Bei der Aufnahme dieses Gespräches wussten die beiden noch nicht, dass sie Ende 2020 in den VDP aufgenommen werden würden.


Es sprechen:


AA: Andreas Adam

Winzer, Eigentümer, Außenbetriebsleiter bei A.J. Adam

BG: Barbara Gudelj

seine Schwester und Miteigentümerin, zuständig für Büro und Vermarktung

Den Keller leiten die beiden gemeinsam.

TS: Torsten Schmidt, Ihr Factotum, werte Hörer


TS: Guten Tach!


AA: Guten Tach!


TS: Na?


AA: Hallo! Komm, wir gehen los. Holen wir den alten Traktor mit. So, dann geht's los!


Sie hören die Einleitung nebst Erkennungsmelodie.

Auf dem Weg in den Hofberg


TS: Wie sind denn so die Parkregeln im Wingert?


Der Drumcomputerfreund sieht sofort: dieser Traktor parkt links.

AA: Na ja, hier ist ja noch alles überschaubar, hier hast du ja noch Platz. Aber wenn du dann z.B. in Piesport stehst, da sind die Straßen deutlich enger und schmaler - und mehr Felsen. Und da geht's dann im Herbst auch heiß her. Aber hier in Dhron sind die Straßen breit genug.

Dann lass uns mal hochgehen in den Weinberg.

Wir sind jetzt mittendrin im Hofberg. Und ich zeig dir jetzt mal so eine recht alte Anlage, oder einen Weinberg, der nicht flurbereinigt wurde. Weil, hier war ja, Anfang der 70er, sagen wir mal, Ende der 60er Jahre fing das schon an mit einer Flurbereinigung. Da haben die hier neue Wege, neue Mauern gebaut, Weinberge auch teilweise zusammengelegt. Sind heutzutage eigentlich immer noch recht klein, die Parzellen. Die kleinste von uns, die ist etwa 300 qm groß, wie ein Garten praktisch.


TS: Welche wäre das?


AA: Ja, du musst bedenken, wir haben 45 Parzellen im Hofberg. Das hier ist jetzt eine davon. Das ist dann ein Weinberg, und die haben auch alle Namen. Von alten Gewann-Namen bis zu kuriosen Vornamen. Ja, also, da gibt's einen Willi, da gibt's auch einen, der heißt In der Kuh, und warum der In der Kuh heißt, das weiß ich echt nicht.

Und das hier nennt sich jetzt Steile Roterd, aber nicht vom roten Boden, sondern kommt eher von dem Wort „verrotten“. Das ist jetzt ein Weinberg…die ältesten Stöcke sind hier 60 Jahre alt, und du siehst da neue Pfähle auch auf den kleinen Terrassen und obendrauf geht's weiter. Da war mal…, also 30 Jahre soll da kein Weinbau gewesen sein, und wir haben, vor 15 Jahren, haben wir dort die Bäume und Büsche wieder weggemacht und dann halt neu gepflanzt. Deswegen ist es eine Mischung aus Jung und Alt, was hier steht. Und der Wein, der hier rauskommt, wird auch eigenständig gefüllt, heißt dann Hofberg von den Terrassen, weil es halt wirklich noch so ein alter Weinberg ist, wo Terrassen sind, von früher, und auch diese Felsformationen drin, die hier nicht weggesprengt wurden.


TS: Wann wurden die gesprengt?


AA: Ja, das war während der Flurbereinigung. Da hat man dann schon ein paar Felsen sprengen und verschieben müssen, und…, aber hier das war anscheinend zu kostenintensiv, und heute sind wir dankbar drum, dass der Weinberg erhalten geblieben ist.


[TS: Wann wurden die Terrassen angelegt?]


AA: Vor 15 Jahren haben wir das gemacht.


TS: Also die Trockenmauer ist eine Kulturtechnik, die man schätzt, dann?


AA:  Die Trockenmauer-Bauweise ist wieder eine Kulturtechnik, die wieder viel angewandt wird, gerade an der Terrassenmosel oben bei Koblenz. Die brauchen ja diese Bauweise unbedingt, und auch die Leute, die das können. Es gibt nur noch ein paar wenige. Und wenn dann mal so eine Trockenmauer fällt, dann weiß man erst recht, was das eine Arbeit ist, die wieder aufzubauen bzw. das Material auch erstmal da hinzubekommen. Wir haben im Dhroner Häs'chen, unserem Monopol-Weinberg, da haben wir eine Terrasse, da ist die Mauer vor zwei, drei Jahren gefallen. Da müssen wir jetzt mal einen Plan machen, wie wir die wieder aufbauen.


TS: Da ist dann überhaupt kein Zement und nix drin?


AA: Nee, da ist kein Zement und nix drin, genau.

Dhroner Hofberg - Terassen und Trockenmauern


TS: Und was ist der Grund, dass man so komplett ohne arbeitet?


AA: Damit das Wasser gut durchgeht. Die ist ja tief nach innen auch gebaut. Das ist teilweise über einen Meter nach innen reingebaut, was man gar nicht so von außen sieht. Das sind jetzt nicht nur ein paar Steinchen übereinandergelegt.


TS: Aber im Prinzip setzt man ja darauf, dass man sie wie so ein Puzzle, nur eben mit dem Schieferstein, so verkeilt, dass sie sich dann irgendwann von selbst halten?


AA: Ja. Also, ich hab selbst noch keine Mauer komplett gebaut. Ich hab ja damals - bei Heymann Löwenstein war ich ja vor meinem Studium, und die hatten da einen wirklich guten Mann. Und der hat sich nur um das Reparieren von Mauern gekümmert, und dem durfte ich dann helfen. Aber selbst eine Mauer bauen, das kann ich bis heute noch nicht. Da musst du wirklich Fachmann für sein.


TS: Und was haben wir jetzt hier für einen Stein?


AA: Wenn wir über Moselböden reden, dann denken die Leute ja auch immer gleich an Schiefer. Das findet man hier auch, aber das ist oft eine Mischung, von Ort zu Ort unterschiedlich. Mal ist der graue Schiefer dominanter, mal der blaue. Mal ist es feinerer Schiefer, mal kommen dann noch Beimischungen dazu. Und hier im Hofberg ist es so, dass wir hier gröberes Schiefergestein haben. Das werden wir auch beim Goldtröpfchen nachher sehen. Hier hast du felsigeres Gestein, was immer mal wieder auch mit Eisenoxid durchzogen ist, was man hier sieht, und auch immer diese Quarzadern drin. Und dann gibt's z.B…. fahr einfach mal Richtung Trier, da hast du dann ganz anderes Gestein, da hast du Sandstein. Oder die luxemburgische Mosel, da hast du dann eher Kalkstein-Anteil, dann wieder bei Winningen oben, kommen drei verschiedene Terroirs zum Vorschein: einmal die Laubach-Schicht und einmal die Blaufüsser Lay und die Roth Lay. Roth Lay ist sehr einfach zu erklären: da ist dann wieder Sandstein mit drin. Es gibt da auch Muschelformationen, die findet man in der Laubach-Schicht. Genau. Und das ist dann praktisch so ein Teil vom Terroir, oder so ein Puzzleteil, was den Wein dann im Endeffekt ausmacht, wenn er gut ist, und wenn er gut gemacht ist.


TS: Das mit dem Terroir ist ja in Deutschland ein relativ neuer Begriff. Wie würdest du ihn denn samstagabends beim Weinfest hier in Neumagen jemandem erklären, der seit 70 Jahren schon Wein macht?


AA: Na ja, das ist ja aus dem Französischen entliehen, und das ist schon sehr kompliziert, weil es gibt da ja so viele verschiedene Definitionen. Die einfachste ist eigentlich, also, die Herkunft. Aber ausschlaggebend ist natürlich auch der Winzer, weil der einfach einen Einfluss drauf hat, ja? Wie bewirtschaftest du einen Weinberg, wann…düngst du natürlich, düngst du mit Kunstdünger, wie hoch ist der Ertrag, wann gehst du lesen... all diese Sachen, die beeinflussen extrem das Terroir, und schlussendlich den Wein.

Im Winter geht's los mit dem Rebschnitt. Da bestimmst du schon, wieviel Ertrag du haben möchtest, und wir wollen nicht so viel Ertrag. Also sprich, wir haben in normalen Jahren 50-60 Hektoliter, das kann auch mal ein bisschen weniger sein. Da sind dann keine zwei Bögen pro Stock drauf, wie du hier siehst, das ist dann nur ein Bogen. Und es wird auch nicht künstlich gedüngt. Du siehst, das alte Rebholz verbleibt im Weinberg, wird klein geschnitten und steht der Rebe dann wieder zur Verfügung, wird einfach fallengelassen. Es gibt auch die Möglichkeit, das zu verbrennen. Dann sieht’s schön aus, dann hast du halt nicht das Holz auf dem Boden liegen, aber das ist halt… es kann nicht mehr zu Humus werden und steht der Pflanze dann nicht mehr in dem Sinne zur Verfügung. Ja, und so geht's dann halt weiter. Bei uns gibt's dann noch eine Ertragsregulierung, da werden manchmal in Jahren, wo zu viele Trauben da sind, Trauben weggeschnitten.

Eine moderate Entblätterung, weil… du musst dir vorstellen, wir sind hier im Wechsel zwischen Süd/Süd-West/Süd-Ost in diesem Dhron-Tal, und wenn du da zu viele Blätter wegmachst, gerade auch auf der Sonnenseite, dann bekommst du… dann hast du hier auch wirklich Probleme mit Sonnenbrand, und das ist dann auch wieder ein Ertragsverlust oder bzw. die Traubenschale wird dann auch dicker, und das kann phenolischer wiederum im Wein werden, was wir nicht wollen. Deshalb: eine moderate, belüftete Entblätterung, und dann eine späte, selektive Lese - in normalen Jahren.


TS: Das hört sich alles irre arbeitsintensiv an.


Einzelpfahlerziehung

AA: Das ist arbeitsintensiv, ja, weil, bei uns ist es 100% Handarbeit, weil wir hier nicht mit einer Maschine reinfahren können, und du brauchst da eine gute Lesemannschaft. Wir sind jetzt nicht so eine Riesen-Lesemannschaft für den guten Fünf-Hektar-Betrieb. Wir haben etwa acht bis zehn Leser, und die verstehen ihr Handwerk. Besser mit ein paar wenigeren, die es professionell gut können und die auch wissen, wenn es mal ein schwieriges Jahr ist, was negativ rausselektiert werden muss, einfach. Also 100% Handarbeit, das Ganze.

Der Rebschnitt, den machen meine Schwester, meine Mutter und ich. Und dann haben wir zum Rausziehen - also praktisch aus den Drahtanlagen, wir stehen ja vor einer Einzelpfahlerziehung - für das Ganze klein zu schneiden, haben wir dann nochmal zwei Personen im Januar und Februar hier vor Ort. Und dann brauchst du nachher im Sommer - geht ja bald los - im Juni/Juli/August brauchst du dann schon eine kräftige Mannschaft, die dir dann hilft, dass die jungen Triebe alle angebunden werden.


TS: Und was passiert bei dem Pflanzenschutz?


AA: Na ja, die Rebe, die muss ja geschützt werden vor Echtem und Falschem Mehltau, und da gibt's noch ein paar andere Krankheiten. Es gibt einmal das Oidium und das Peronospora. Das Oidium kannte man schon immer, aber Peronospora, der Falsche Mehltau, wurde eingeschleppt. Und da musst du, je nach Druck und Befall, musst du dann schon alle zwölf Tage spritzen gehen in der Saison, d.h. also…das kommt dann auf das Jahr auch drauf an, das kann sein, dass es erst im Juni losgeht, aber es kann auch sein, dass es schon im Mai losgeht.

Also, nicht spritzen geht nicht, weil dann hast du 100% Ertragsausfall und auch die Pflanze ist dann für die nächsten Jahre wirklich geschwächt. Sie ist wie Unkraut, kaputtgehen kann sie nicht so schnell, aber sie ist wirklich geschwächt. Da gibt's den ökologischen Weinbau, und es gibt den konventionellen Weinbau, und, na ja, da scheiden sich dann schon die Geister. Genau, und da sind wir schon bei einem sehr heißen Thema: was… wie gehst du da vor, was wird angewendet?

Das ist bei uns eine Mischung. Bei uns werden einige Weinberge mit dem Hubschrauber gespritzt. Dann haben wir andere Weinberge, die werden mit einer Raupe gespritzt, d.h. das Gerät hängt am Seil, das macht ein Lohnunternehmer. Und dann haben wir Weinberge, die werden dann von uns noch mit der Hand auch gespritzt. Fangen wir mal mit den Handweinbergen an: da machen wir das jetzt schon ein paar Jahre, dass wir da ökologisch spritzen, und alles andere wird noch konventionell gespritzt.

Also, im ökologischen Weinbau wird halt sehr viel Schwefel und sehr viel Kupfer verwendet. Kupfer ist ein Schwermetall, also, da kann man dann auch drüber streiten. Und zu viel Schwefel ist auch nicht gut. Es sind beides natürliche, sagen wir mal „in der Natur vorkommende“ Produkte. Und im konventionellen Weinbau wird dann weniger Schwefel, teilweise gar kein Kupfer gespritzt, und dafür aber synthetisch hergestellte Produkte. Das ist eines der heikelsten Themen im Weinbau oder in der Landwirtschaft. Es ist halt einfach so, dass wir momentan hier an der Mosel durch die Geländegängigkeit noch lange nicht alles ökologisch spritzen können. Es hängt ab von der Technik. Wenn die Technik sich weiterentwickelt, kannst du auch mit Sicherheit mal mit dem Hubschrauber, oder, was ja jetzt auch kommt, was es schon in der Schweiz gibt, dass du selbst das mit Drohnen spritzen kannst.


TS: Neumagen-Drohnen?


AA: Genau, Neumagen-Drohnen. Und dann wäre es vielleicht möglich, dass man in der Zukunft dann alles ökologisch spritzen kann, ja.


TS: Das, was wir da hören, ist die Dhron?

Die Dhron mitten im Ort gleichen Namens

AA: Genau, das ist jetzt der Dhron-Bach, der ist 38 km lang. Der kommt aus dem Hunsrück. Ich glaub, oben bei Hinzerath entspringt der. Und ja, hier in unserem Moselort Dhron fließt der dann, mündet er dann in die Mosel. Ja, früher gab es hier sieben Mühlen in unserem Ort. Heute… die Häuser gibt's noch, aber die Mühlen existieren nicht mehr in dem Sinne. Und es sind immer wieder Verzweigungen, wo der Fluss dann abgeleitet wurde. Da unten sieht man es, einmal geht's  in die Richtung, dann wieder in die andere Richtung, und ja, das ist eigentlich ganz hübsch so.


Wenn man von hier mal so reinschaut oder rüberschaut, sieht man, dass man fast schon hier ein bisschen leicht am Fuße des Hunsrücks ist. Der Weinbau hört dann auch hier hinter den Hecken nach einem guten Kilometer dann auf. Und auf der anderen Seite hast du halt nicht nur diese Monokultur Weinberg, wie dann direkt im Moseltal, wo dann auch viele flache Weinberge sind. Hier hast du einfach ein bisschen mehr Natur: Wald, Wiesen, Ackerland, und der Hofberg ist dann auch immer mal wieder unterbrochen. Weinbau ist ja eine Monokultur, und es ist halt immer mal ganz schön auch für das Gleichgewicht, hier hast du einfach auch mal wieder ein Stück Wald dazwischen.


TS: Dich assoziiert man ja als erstes als Moselwinzer. Von hier aus ist die Mosel selbst ja gar nicht zu sehen.


AA: Ja, genau, richtig.


TS: Es ist aber trotzdem eine der großen alten Mosellagen.


AA: Wenn man sich die Moselkarte anschaut: Es gibt noch ein paar andere Weinberge, die berühmt sind, aber die nicht direkt an der Mosel liegen. Das ist zum Beispiel auch der Wintricher Ohligsberg, da liegt ein Teil direkt an der Mosel, aber da gibt es auch noch ein Seitental, das Rondeltal genannt, da gibts auch nochmal viele Weinberge. Das geht nicht ganz so tief rein wie das Dhrontal, weil das Dhrontal…also in Sachen Weinbau geht's ja schon fast vier Kilometer von der Mündung ins Tal rein. Dann bei Traben-Trarbach gibt's noch ein paar sehr interessante Ecken, die auch dann so reingehen in die Täler, und dann, klar, Ruwer und Saar. Aber das gehört zwar alles heutzutage zusammen, man nennt es ja unter dem Dachbegriff Mosel - aber das sind ja auch alles Seitentäler dann nochmal.


TS: Mit sehr eigenen Charakteristiken.


AA: Und eigenen Charakteren, genau. Also, Ruwerwein unterscheidet sich dann nochmal sehr deutlich zu unseren Mittelmoselweinen hier. Wir sind so, man kann sagen… oder mancher Journalist hat mal gesagt, der Dhroner Hofberg ist so die Saar von der Mittelmosel, weil es ist nicht so opulent in der Frucht und im Ganzen, wie jetzt z.B. die Weinberge aus Piesport, die sind einfach kräftiger und die Hofberger sind leichter, kommen auch etwas frischer daher. Auch oft ein Gramm Säure mehr einfach.

Hier aus der Parzelle wird, entsteht, ein eigenständiger Wein und wird etikettiert bezeichnet als Hofberg von den Terrassen. In 2018 lustigerweise, schmeckt oder riecht der Wein, der riecht gar nicht nach Riesling, oder was man so an Rieslingaromen erwartet, es ist ein bisschen fast schon ein Touch von Sauvignon-Blanc-Aromatik, aber das ist jetzt, sag ich mal vielleicht, das liegt am Jahrgang 2018. Der Wein von hier ist nicht immer ganz trocken, der kann…, der ist auch nicht feinherb, der liegt so dazwischen, so bei 12 Gramm Zucker. Wenn ich dir den zum Probieren gebe, dann würdest du denken, der ist trocken, aber er ist analytisch nicht trocken. Aber das macht nichts, weil wir vergären alles mit wilden Hefen, also Spontanvergärung, und da ist es einfach so, dass manchmal die Hefen es nicht ganz auf „gesetzlich trocken“ schaffen, und deshalb hat der immer ein klein bisschen Restsüße hier, der Wein. Was dem ganz gut steht, weil die Säure ist da, die Mineralität ist da, und das puffert das sehr gut ab. Und da gibt's ja viele Weine in diesem Stil, oder einige Weine in diesem Stil an der Mosel, und wir wissen ja, dass Moselwein auch ganz gut mal ein Gramm Zucker mehr vertragen kann.


TS: Wie unterscheidet er sich von anderen Weinen, die du nicht aus der Parzelle, aber aus dem Berg ansonsten rausholst?


AA: Da gibt es sehr viel, was wir machen: Das geht ja los mit trockenem Gutswein. Das hab ich dir bei der Traktorfahrt kurz eben gezeigt. Das war nur einer von den Weinbergen. Das ist dann Riesling trocken für was Einfaches, was Alltägliches. Dann gibt es noch die Ortsweine oder den Ortswein, und dann kommen wir auch schon zu den trockenen Lagenweinen. Das ist einmal Hofberg, Häs'chen und Goldtröpfchen. Die drei Terroirs halt, die wir bewirtschaften. Dann gibt es zwei feinherbe Weine und auch Lagenweine bzw. eher Gewannbezeichnungen, alte Gewannnbezeichnungen, also alte Lagen. Und dann die klassischen restsüßen Weine, wurden früher als liebliche Weine bezeichnet, das Wort verwenden wir nicht so gerne, weil es halt irgendwie so einen, ja, so einen süßen Beigeschmack hat, und die Weine sind eigentlich gar nicht süß. Sie haben natürliche Restsüße, aber durch Mineralität und Säure schmecken die nicht plump süß, und das Wort „lieblich“ ist halt negativ behaftet durch einige Großabfüllungen mit Fantasienamen, die es schon seit den 60er Jahren gibt.

Und deshalb sagen wir einfach, das sind restsüße Weine, oder man kann auch sagen, fruchtige Weine. Aber trockene Weine können auch fruchtig sein, dann haben wir wieder die nächste Verwirrung. Deshalb restsüße Weine. Das sind - mit dem kleinsten Prädikat fängt das an - die Kabinette, und dann in den guten Jahren auch Spät- und Auslesen, und wenn es dann wirklich auch funktioniert, die edelsüßen Varianten, aber das kann man nicht jedes Jahr ernten, Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen. Und wenn das Wetter dann mitmacht, und die Trauben es auch mitmachen, dann gibt’s auch manchmal noch einen Eiswein. Das war z.B. im Jahrgang 2018. Das war ja bisher das wärmste Jahr, was ich jetzt so erlebt habe im Weinbau. Da haben wir uns dann schlussendlich dann doch noch entschieden, was hängen zu lassen, zu pokern, und haben was für Eiswein hängen gelassen. Und am 21. Januar diesen Jahres, also 2019, gelesen. Das war diese Blutmondphase, da war es wirklich richtig kalt, minus zehn Grad, bis morgens um halb zehn. Also, angefangen haben wir in der Nacht, also wo es noch Nacht war, also wo es dunkel war, um halb sechs, und um halb zehn waren wir im Kelterhaus, ja, hat sich gelohnt. Der Wein ist allerdings noch am Gären, also, er hat noch einen Weg vor sich.


TS: Wo sind denn Häs'chen und Sängerei in der Relation zwischen den beiden Polen?


AA: Die Sängerei ist vor dem Berg über dem Ort, und dann 3 km weiter ist ja dann der Ort Piesport. Da ist dann unser Wingert, und das Häs'chen ist dann auf der anderen Seite von Neumagen-Dhron, auf der anderen Moselseite.


TS: Also das ist dann nochmal richtiger Moselwein?


AA: Das ist dann richtiger Moselwein, genau richtig, ja.


TS: Wollen wir da rüberfahren?


TS: Mal ganz banal gefragt: was machst du mit dem Trecker hier oben?


AA: Mit dem hier?


TS: Also die Seilwinde könntest du theoretisch ja wahrscheinlich auch an ein Auto hängen, oder?


Fasanenfeder in der Wingertsmauer

AA: Nee, nee! Die Seilwinde passt nicht mal an den neuen Traktor dran, weil, das ist alles mechanisch. Der wird noch viel benutzt, der Traktor hier, also z.B. die Trauben werden mit dem Schlitten alle rausgezogen bei uns. Und der arbeitet mehr im Herbst wie der neue Traktor. Der neue zieht eigentlich nur den Hänger, wo die Trauben dann draufgeladen werden, und mit dem ziehen wir überall raus. Oder, was wir ja auch viel machen, da sind wir wieder beim Weinberg, die Bodenbearbeitung, also im Winter z.B. (das ist wohl vom Fasan hier, hier gibt’s so ein paar Fasane, hat wahrscheinlich meine Mutter da reingesteckt).  Ja, nee, also im Winter, z.B. wenn ein Weinberg mal aufgepflügt werden muss, oder im späten Frühjahr dann auch, die Bodenbearbeitung praktisch, mit einem Grubber, da ist der hier auch wieder im Einsatz.


TS: Aber wie habe ich mir das mit dem Pflug vorzustellen?


AA: Hier bei dem Weinberg geht's nur da auf der Seite, das besonders steile Stück. Das kannst du halt nur da machen, wo du keine Mauern hast. Dann steht der Traktor oben, und dann am Seil hängt dann der Pflug, und du gehst dann runter. Und oben sitzt dann einer drauf auf dem Traktor, und muss natürlich die Bremse drücken, weil sonst bist du schneller unten, wie du gucken kannst.


TS: Du gehst dann aber schon immer noch manuell hinter dem Pflug her?


AA: Vor dem Pflug.


TS: Ja?


AA: Vor dem Pflug. Du ziehst den Pflug praktisch runter. Deshalb sitzt einer oben und drückt dann die Bremse, je nachdem, das muss man schon mit Gefühl machen dann, ja. Und wenn du unten bist, dann…beim Pflug setzt du dich drauf, das ist relativ easy. Da ist so ein Sitz drauf und beim Grubber musst du aber drauf stehen, und das ist ein bisschen wie Skifahren dann, genau. Musst du manchmal das linke oder das rechte Bein mehr belasten oder weniger belasten, ja.


TS: Da hast du auch Spaß.


AA: Da hast du Spaß, ja. So, dann lass uns mal zurückfahren.


Der Traktor wird bestiegen, es geht hinüber zu einem anderen Weinberg (27:40)


AA: Ich will dir nur mal was anderes noch zeigen. Nur mal, um dir einen „normalen Weinberg“ - in Anführungszeichen - von uns zu zeigen. Ist jetzt ein junger Weinberg. Das ist die Kuh. In der Kuh. Und, der ist jetzt acht Jahre alt. Manchmal musst du einen Weinberg neu pflanzen. Kann sein, dass da eine falsche Rebsorte steht. Manchmal gibt's das auch bei uns im Berg, da steht dann noch ein Müller-Thurgau, oder der Klon ist nicht der richtige, oder der Weinberg ist einfach in einem schlechten Zustand. Und dann musst du das neu pflanzen.


Genau, das ist ein junger Weinberg, und der wird dann für einen normalen Basiswein, für einen Gutsriesling verwendet. Und hier siehst du z.B., was machen wir? Das ist ja auch so ein großes Thema: machst du überhaupt was am Boden, machst du nix am Boden? Wir sind eigentlich ein Weingut, das eine doch relativ intensive Bodenbearbeitung macht. Jede zweite Reihe wird bei uns gegrubbert, und die andere, die geschlossene Reihe, da steht eine gute, eine anständige Begrünung drin. Hier siehst du schon, geht’s mit Phacelia los. Also, da ist eine gute Mischung eingesät. Es ist nicht nur Gras, dass da auch ein anständiges Bodenleben wieder stattfinden kann. Wie du hier siehst, wird auch demnächst in die Blüte reingehen. Genau, das ist dann so, praktisch, unser Beitrag, in Sachen natürlich, so natürlich, wie es geht, ja. Jeder hat da seine eigene Philosophie oder, ja, sein eigenes Denken. Die einen machen wenig, die anderen machen gar nix. Ja. Ist halt eins von diesen Puzzleteilen in Sachen Terroir. Da siehst du z.B.: das ist ein Weinberg auch von uns, ganz klassisch nur ein Bogen pro Rebe, d.h. wenig Ertrag, die Rebe soll ja nicht extrem belastet werden, weil wir wollen ja auch lange davon haben, oder die nächste Generation, besser gesagt.

In der Kuh


TS: Die braucht bei dir ja noch ein bisschen.


AA: Genau, die braucht noch ein bisschen, ja.


Die Zwillinge aus jener nächsten Generation, Jahrgang 2015, werden wohl erst später im Weinberg eingreifen.

AA: Du wolltest noch die Sängerei sehen, oder?


TS: Ja.


AA: OK, da sind wir. Das ist ein ganz alter Name. Wenn du die alte Lagenklassifikationskarte dir anschaust, von 1868, da taucht der Name schon auf. Viele Leute fragen mich immer: „Wo kommt denn überhaupt der Name da her?“ Ist oft schwierig. Viele denken, der kommt von „Singen“, ja, aber das ist zu einfach und das ist auch falsch. Hat nix mit Singen zu tun. Kommt wahrscheinlich von dem alten deutschen Wort „Sank“ für „Senke“. Hier im Berg, wenn du jetzt im Häs'chen stehen würdest, dort hinten, auf der anderen Moselseite, dann siehst du das richtig, jetzt stehen wir halt drin. Und das ist so eine Senke hier im Berg, und daher kommt der Begriff wahrscheinlich. Genau, hier sieht man nochmal einen bisschen anderen Boden. Hier siehst du auch viel mehr dieses Eisenoxid, wenn du mal reinschaust. Ja, das ist viel, viel mehr Eisenoxid, und auch kleinere blauere Schiefersteine, wie jetzt hinten z.B. in diesem steilen Stück in dieser Roterd, wo wir den Hofberg von den Terassen machen. Das hier ist nochmal ein ganz anderer Boden, auch etwas feiner, feinschiefriger und so, das sind diese kleinen Puzzleteile in Sachen Terroir und verschiedene Gewanne dann einfach, ja.

Hier scheint den ganzen Tag die Sonne im Sommer, oder während der Vegetation, wenn das Wetter mitspielt. Du hast von früh morgens bis abends hier die Sonne. Für einen trockenen Wein wird dir der Alkohol hier durch die Decke gehen, und für einen restsüßen Wein, also für eine klassische Spätlese, fehlt uns hier ein bisschen die Säure. Deshalb ist der Weinberg für uns immer für diesen feinherben Geschmack DER Weinberg, praktisch, ja. Wir machen einen Wein hier draus, das ist dann die Sängerei Riesling feinherb. Genau, im Holzfass ausgebaut, im großen, klassischen Moselfass, also das Fuderfass. Aber wenn wir über Holz sprechen, das ist jetzt nicht irgendwie ein Barriquefass, was neu ist, was getoastet ist. Das ist ein altes Holzfass, also es gibt keinen Holzgeschmack in dem Sinne ab. Das geht da eher um die Mikrooxidation, wenn wir das Holzfass verwenden, und bei den großen Weinen kommt dieses Fass halt, ja, das wird dann da verwendet, das große Fass, ja.

In der Sängerei


TS: Was hat es eigentlich mit den Tetrapaks auf sich? Ist das angewandtes Recycling?


AA: Angewandtes Recycling... Manche sagen auch so, ah! so kommt die Frucht in den Wein, weil da ist ja jetzt eine Kiwi und eine Birne drauf oder eine Orange, genau, hohes C. Nee, ab und zu musst du mal eine Rebe neu pflanzen, da kannst du mal reingucken. Hier siehst du erst eine alte Rebe, 60 Jahre alt. Aber es ist wie bei der Menschheit, nicht alle schaffen es, und manchmal musst du neu pflanzen. Der hier ist z.B. von letztem Jahr. Da geht es mehr darum, dass die Rebe gut anwächst und dass die jetzt nicht irgendwie abgefressen wird. Die hier ist z.B. von diesem Jahr, die haben wir jetzt gepflanzt, da kommt schon das erste Blatt raus. Es geht im Endeffekt darum, dass die Rebe geschützt ist vor, ja, vor Wildverbiss. Oder, auch wenn du hier - wir grubbern den Weinberg hier, also, sprich, wir fahren hier mit dem Pflug oder mit dem Grubber vorbei - und dann kann es schnell sein, dass da auch mal was drauffällt, also, sprich, Erde oder auch ein Stein, und dann ist das junge Blatt kaputt, und dann ist die Rebe auch dahin. Und deshalb die Tetrapaks drumherum.


TS: Was für Wild delektiert sich da gerne dran?


AA: Die Häschen, die Hasen. Ja, ja, ja, Hasen, Rehe jetzt nicht hier. Also, hier um den Ort herum haben wir jetzt nix mit Rehen oder so zu tun. Wobei man sagen muss, Wildscheine hatten wir sogar auch schon hier in Ortsnähe, sogar tagsüber! Aber die Wildscheine, die durchwühlen dann eher den Boden. Also es sind dann wirklich dann doch die Hasen und Wildkaninchen, die dann den jüngeren Reben ans Leib rücken.


TS: Warum darf jetzt so ein junger Trieb unten an so einer alten Rebe nicht weiterwachsen?


AA: Das ist im Endeffekt die nächste Arbeit, die hier gemacht werden muss, oder demnächst. Nennt man Stammputzen. Du willst ja nicht, dass die Kraft überall hingeht, du willst ja die Kraft da haben, wo die Trauben dann auch entstehen, das siehst du hier an diesen ganz jungen Trieben. Wir nennen das jetzt in der Fachsprache „Gescheine“. Ja, also das sind diese Blütenstände, praktisch, wo dann die Trauben später draus entstehen. Und das, was unten rauskommt, nennt man „Wasserschosse“, da sind keine Trauben dran, oder nur sehr selten, und deshalb wird es weggemacht, damit die nicht die Kraft nehmen. Bei manchen ist es mehr, bei manchen ist es weniger. Das wird dann einfach so drüber gestriffen, mit der Hand, und dann ist gut.

Die junge Dhron



TS: Das Frühjahr ist ja jetzt noch nicht so lange her. Wenn man jetzt hier grade durch die Täler fährt, vor, sagen wir mal, vier Wochen, und weiß, wie das auch mal im September aussehen kann, ist es ja schon jedes Jahr wieder von neuem ein Wunder, dass aus so kargen Hügeln dann irgendwann mal so tolle Sachen entstehen.


AA: Ja, und auch über so lange Zeit, oder über so viele Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte, ja, das stimmt. Also, die Böden sind zwar karg, aber doch dann wiederum so humusreich, und der Schiefer oder dieser Schieferboden, oder diese Mischung aus Schiefer und Erde, hält recht viel Humus zusammen, und die Reben, weiß man ja, können auch recht tief wurzeln. Also, man hat ja schon Ausgrabungen gemacht und, in der Forschung, festgestellt, dass die über zehn Meter oder 15 Meter wurzeln können, und sich dann da das notwenige Wasser nehmen, wenn es dann doch recht trocken wird in manchem Sommer, wie es z.B. 2018 der Fall war. Da hast du das dann schon gesehen. Also, die jungen Weinberge, die haben schon gelitten, und die alten Weinberge standen vital da.

Auch der Wald, der war also wirklich in einem guten Zustand noch, hier im Moseltal, weil wir Ende Mai, Anfang Juni eine kältere Phase hatten, wo es dann auch mal geregnet hat, und das Wasser haben wir auch gebraucht. Also, das war schon krass, wie wir z.B. hier in Dhron, weiß ich, da hatten wir hier 30 Grad und da sind wir hoch nach Thalfang gefahren, an den Bahnhof, mit T-Shirts und kurzer Hose kamen wir oben an, da waren es da oben 17 Grad… ja, weil es grad einen guten Guss gegeben hat. Ja, also, es war nicht so trocken wie in Ostdeutschland oder in Norddeutschland jetzt 2018 hier.

Winterliche Dramatik an der Dhrontalsperre


TS: Du hattest das vorher schon mal mit dem Wind angedeutet: Wenn es oben auf dem Berg regnet, wieviel davon kriegt ihr denn dann über die Dhron usw. ab - oder das, was so unterirdisch fließt?


AA: Da kriegen wir schon einiges von ab. Das merkst du, die Dhron steigt dann auch schnell an und gleichzeitig ist dann auch wieder die Mosel gut gespeist mit Wasser, und die Wälder - natürlich brauchen die Wälder auch Wasser, aber die speichern auch gut Wasser. Und wenn du dann oberhalb von so einem Weinberg, wie jetzt z.B. auch im Häs'chen, oder da hinten geht es mit dem Goldtröpfchen los, das ist ja in dem Bereich sogar mehr Wald wie Weinberg untendrunter, das ist dann super-hilfreich in einem Jahr wie 2018, dass du so einen Wasserspeicher dann noch hast, ja.


TS: Und dann ist es plötzlich auch kein Nachteil, in solchen Hängen zu stehen, und nicht wie in anderen Gegenden der Welt, große, breite Felder zu haben?


AA: Ja, große, breite Felder… Es ist halt immer wichtig: was hast du da für einen Boden? Es gibt auch viele Sandböden, wo Weinberge draufstehen, und die können natürlich überhaupt kein Wasser halten. Ja, dann muss das dann wieder bewässert werden, und dann arbeitest du, dann schaffst du im Endeffekt so, wie in einem Treibhaus, ja.


TS: Das ist ja jetzt ein recht enges Tal und ein enges Dorf. Du bist hier groß geworden, oder?


AA: Ich bin hier groß geworden, ja. Ich war, genau…also, ich bin auch hier zur Grundschule gegangen und zur Realschule, dann später nach Trier auf's Gymnasium, also ich bin dann hier rausgekommen.


TS: Trier ist ja von hier aus gesehen schon „Weltstadt von“.


AA: Großstadt, ja.


TS: Auf welchem Gymnasium warst du?


AA: Ich war auf dem Wirtschaftsgymnasium nach der Realschule, und dann, später dann in Geisenheim zum Studieren. Und dann war ich ja wirklich mal raus aus der Mosel, also aus dem Moseltal, im nächsten Tal, im Rheintal. Geisenheim, das ist ja im Rheingau.


TS: Wieviele Winzer gibt’s noch im Ort? Ich mein, es ist ja der offiziell älteste Weinort.


AA: Es heißt ja Neumagen-Dhron. Also, es waren ja früher mal zwei eigenständige Gemeinden. Jetzt ist es zusammen seit - schon - Mitte der 60er Jahre. In Dhron gibt's nicht mehr so viele Familien, die wirklich eigenständig davon leben. Früher war das so… das waren meistens Gemischtbetriebe, die hatten Landwirtschaft, dafür auch noch die Felder da hinten, oder obendrauf, und hatten dann auch noch Weinbau, oder vielleicht ein bisschen Viehwirtschaft. Also da hat praktisch jedes Haus irgendwas mit Weinbau zu tun gehabt. Da findest du dann auch kleinere oder größere Keller immer noch unter den Häusern. Und heutzutage sind es vielleicht noch zehn Betriebe in Dhron, die wirklich hauptberuflich davon leben.

Dhroner Reben, der Klerus und das Denkmal


TS: Ich mein, mit so einem anderen Grad der Ausbildung kommen dann ja auch andere Ambitionen. Das wird in engen Tälern ja auch nicht immer nur gern gesehen.


AA: Also, du meinst, was wir so machen, oder? Ja, am Anfang wurden wir schon belächelt. „Was macht der jetzt da?“, und „Warum schneidet der so wenig an?“. Das siehst du jetzt hier In der Sängerei z.B. ist wirklich wenig Anschnitt. „Warum macht der da nicht zwei Bögen drauf?“, „Warum geht der so spät lesen?“ und „Warum macht der nur die steilen Weinberge?“ und „Warum verkauft der die flachen vom Opa?“. Weil, mein Großvater hatte noch ein paar flache Weinberge und dann haben wir die verkauft und haben dafür dann noch steilere gekauft. Aber ich glaub, heutzutage sind wir… ja, also, wird die Arbeit geschätzt. Vielleicht nicht von jedem hier im Ort, aber von den meisten wird sie geschätzt.


TS: Das bringt ja dann auch wieder neue Aufmerksamkeit.


AA: Ja, ja, ja, also am Anfang war es extrem die Neugierde, und heute sind wir wieder als Betrieb gut integriert, weil wir haben ja 20 Jahre keinen Weinbau betrieben, muss man bedenken. Mein Großvater hatte ja Anfang der 80er Jahre aufgehört, und dann haben wir wieder mit dem Jahrgang 2000 angefangen. Und da haben die halt auch gemeint, die Leute hier, „Was fängt denn der jetzt hier wieder an?“


TS: Aber gerade dann 60er, 70er, 80er, sind ja auch viele einfach weggezogen und haben sich ganz andere Berufe gesucht.


AA: Ja, also ich glaube, es waren noch nicht die 60er, in den 60ern war das noch super, in den 70ern, Anfang der 70er auch. Aber die 80er Jahre, ich mein, ich bin ja '79 geboren, weiß ich dann auch nur von Erzählungen, weil ich ja ein Kind war, aber die 80er, das war schon hart. Weil, da kamen einmal die Glykol-Skandale, das kam ja von Österreich rübergeschwappt, und wurde ja dann hier auch praktiziert in den 80ern. Und dann gabs in den 80ern auch viele Jahrgänge, die nicht so gut waren. Der beste war, glaub ich, noch der '83er, das war ein guter Jahrgang. Aber da gab es auch viele Jahrgänge, die einfach, die waren nicht so sonnenverwöhnt, wie '84 und '87, und da war es dann als Winzerbetrieb recht schwer, davon eine Familie noch zu ernähren, einfach, ja.


TS: Und mittlerweile werden ja quasi zwei Familien davon ernährt, oder? Zweieinhalb, wenn man eure Eltern auch noch mitnimmt.


AA: Nee, ja, gut, ja, sagen wir mal… nee, man kann eigentlich sagen: ja, zwei. Zwei Familien oder anderthalb, weil, Barbaras Mann, der hat ja auch noch ein Unternehmen, ja. Meine Eltern machen so, wie sie Lust haben, oder mal mehr mal weniger. Wobei mein Vater ja auch noch schaffen geht als Rentner, weil er Lust hat.


TS: Aber, als du dann gesagt hast: “Ich will den Weinberg wieder in Gang bringen“, haben die nicht die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und haben gesagt: „Wir waren doch froh, dass wir den Scheiß doch los waren - musst du dich denn jetzt wieder ins Unglück stürzen?“


AA: Richtig, so ist das eigentlich gewesen. Also, das war wirklich so. Also, viele Leute denken, wenn ich denen so ein bisschen von der Historie erzähle, wie wir hier wieder angefangen haben, dann sagen die meisten Leute: „Ah, da müssen doch deine Großeltern, die müssen doch stolz gewesen sein auf dich, und deine Eltern, dass du die Idee hattest, das hier wieder weiterzumachen“. Aber so war es eigentlich gar nicht. Die Einstellung war eher negativ zum Thema Weinbau. Ja, man hat eigentlich gedacht, ich würde BWL studieren oder sowas in der Richtung und, ja, dann einen Beruf in dem Bereich einschlagen, und dann kam ich auf einmal auf die dieses bodenständige, bäuerliche, Weinbau-, oder ja Weinbau/Landwirtschafts-Thema. Und es war ja nix mehr da. Außer jetzt der Traktor, mit dem wir jetzt hier rumfahren, und eine alte Presse, die mein Schwager jetzt in Franken benutzt, weil wir uns eine neue 2012 gekauft haben.

Das gute war, das Haus war noch da. Haus und Keller, ein paar Weinberge waren noch da, aber alles andere musste peu à peu dann angeschafft werden. Und da hat dann auch die Familie dann eher zuerst einmal kritisch reagiert und gedacht: „Oh je, ob wir das da schaffen“ - oder ob ich das schaffe. Da wieder von null an anzufangen, weil wir ja auch keinen Namen hatten, oder mehr hatten, und keiner kannte die Weine von meinem Großvater und die Kunden, die waren ja auch alle weg, weil mein Großvater alt war. Und, ja, es war am Anfang nicht so einfach.


TS: Glaub ich. Und dennoch brauchst du ja wahrscheinlich einiges an Antrieb. Hier gibt's ja auch genug Leute, die aus x Generationen den Kram halt auch wieder irgendwie ererben, und die diverse Erbteilungen überlebt haben. Aber trotzdem gibt es dann ja auch ein gewisses Wissen und vielleicht so eine gewisse Grundruhe, die man so mitbekommt, weil irgendjemand immer noch sagen kann: „Ach, das haben wir 1850 auch ausgehalten, da gab es auch fünf schlechte Jahre“, oder wann auch immer.


AA: Ja, vielleicht ist das so eine Moselmentalität, das ist ein bisschen vielleicht auch dieses naive Gottvertrauen, musst du da schon haben, wenn du sowas anfängst, wieder. Und ich, oder wir, haben es dann gewagt, und ich glaube, es hat bis jetzt ganz gut funktioniert.

Ich würde sagen, wir fahren mal runter in den Betrieb, und dann geht's mal noch weiter ins Goldtröpfchen.



AA: Das sind mehr hier so meine Eltern. Hier, diese Sachen pflegen. Hier haben wir einen alten Speyerling mal gepflanzt, weil, Weinbau ist ja eine Monokultur. Und damit wir mal ein bisschen mehr Auflockerung haben, haben wir hier und da an verschiedenen Stellen was jetzt hier am Berg gemacht, und meine Mutter kümmert sich dann hier um so Sachen: Dass da auch mal so ein bisschen Lavendel steht, und verschiedene Büsche. Und dann haben wir da, wie heißt das, einen Weinbergspfirsich und so weiter, ja.


TS: Die kennt man auch noch alle. Wie geht ihr mit dem Moos um?


Moose und Mauerpfeffer

AA: Wie meinst du, das hier so?


TS: Ja.


AA: Damals wurden die Mauern sogar speziell - habe ich mir sagen lassen, weil das war ja Ende der 60er, Anfang der 70er, wie das gebaut wurde - haben die die bespritzt mit Moos, damit da natürlicher Bewuchs aufkommt.


TS: Das ist aber verrückt, wie du selbst bei dem Moos dann siehst, wie das andere Gestein sich auswirkt, also so rotes Moos gibt es bei uns nicht.


AA: Du meinst das hier, hier das, das hier?


TS: Nee, sondern hier.


AA: Ach so, das.


TS: Das ist roter als es bei uns wäre.


AA: Ah, OK, gut, weil, das hier ist was anderes. Das ist ein Mauerpfeffer, soll in der Naturheilkunde auch gut gegen Warzen helfen, ja. Das ist ein Steingewächs.

TS: Und das Haus, das war auch dem Opa schon?

AA:  Ja, das ist 1909 gebaut. Das hat nicht mal, das hat mein Opa nicht gebaut, der ist ja '20, ist der geboren. Sein Vater auch nicht. Das hat dessen Vater gebaut. Und ursprünglich wurde es als Gerberei gebaut, also, sprich, zur Lederproduktion. Und die haben dann auch, ich glaub, so etwa 15 Jahre, 20 Jahre mit dieser Lederproduktion Geld verdient, haben dann aber damit aufgehört, und haben dann praktisch mit dem Geld, was sie dann verdient haben, das mit dem Weinbau dann angefangen.

TS: Was war das hier, als es Gerberei war?

AA: Also, man muss dazu sagen, das war auch noch gemischte Landwirtschaft. Also, hier war, das sieht man hier dran noch, hier war Stall. Also, hierüber war Stall mit Kühen, wo jetzt die Tanks und die Presse stehen, und früher hat hier eine alte Korbpresse gestanden. Also hier ist der Heizungsraumbereich, hier stand eine größere Korbpresse. Das ist jetzt nicht die Korbpresse, die bei uns im Flaschenlager steht, das war eine größere, die stand da, genau. Und der Gerbereibereich, der war im hinteren Teil zu finden, aber das hat sich ja jetzt alles verändert, weil da ja jetzt das Flaschenlager hingekommen ist.
Wie wir 2000 angefangen haben, haben wir das hier… meine Eltern, oder, Quatsch, meine Großeltern, unsere Großeltern, die haben ja bis 2007 beide gelebt, und haben dann hier gewohnt, und da konnte ich den Betrieb nutzen. War ja auch so was: Ich brauchte keine Pacht, keine Miete zu bezahlen. Wenn ich das direkt als 19-jähriger hätte machen müssen, dann hätte ich hier gar nicht können anfangen. Also, ich konnte das alte Equipment nutzen, ja. Und dann haben wir halt peu à peu dann umgestellt. Edelstahltanks gekauft, dann nochmal hier von einem Winzer aus dem Ort ein paar gute alte Holzfässer uns angeschafft. Das ist auch so ein Thema. Wenn du sowas machst, dir Holzfässer kaufst - ich sag immer, du kaufst 30, von denen kannst du dann vielleicht fünf benutzen, wenn du ehrlich bist.

BG: Von den alten.

AA: Von den alten, genau.

TS: Das ist wahrscheinlich aber auch ein ziemlich teurer Weg, das rauszufinden?

AA: Nee, die Leute sind ja… das war auch so eine Zeit vor ein paar Jahren: Die waren ja alle froh, dass die Holzfässer weg waren. Die hast du nachgeschmissen gekriegt. Und dann auf einmal haben sie gemerkt: „Ah, der fragt und der fragt“ - und dann wurden sie auf einmal teuer.

TS: Weißt du, wie gut das Fass ist, bevor du es wirklich benutzt?

AA: Nee, nee. Das ist teilweise auch Vertrauen, ja. Weil, wenn das Holzfass… so ein Holzfass muss ja immer befüllt sein. Und wenn kein Wein drin liegt, dann sollte Wasser drin liegen mit ein bisschen Schwefel. Und am besten noch Zitronensäure, weil dann ist das für das Fass so ein Gemisch, praktisch wie Wein, nur ohne Alkohol. Säure, Schwefel und eine Flüssigkeit, also Wasser. Und dann bleibt das Fass auch länger frisch und haltbar, ja. Und wenn der Winzer vorher die trocken liegengelassen hat, dann fangen die innen auch an zu vergammeln, und dann kannst du sie nicht mehr benutzen.

BG: Die werden ja auch undicht.

AA: Und die werden undicht, ja.

TS: An welchem Zeitpunkt hast du dir denn überlegt… also, ich mein, wenn dein Bruder hier mit 19 angefangen hat, da warst du ja noch nicht ganz in der Berufsentscheidungsphase.

BG: Ich hab erstmal nach der Schule eine Ausbildung gemacht. Eine klassische Bürokauffrau-Ausbildung, weil ich damals auch noch nicht so 100% wusste, wo der Weg überhaupt hingehen soll, und das ist halt sowas, wo auch meine Eltern gesagt haben, ja, da weißt du schon mal, da hast du schon mal ein bisschen Erfahrung gesammelt, und damit kannst du alles mögliche machen. Und das hat sich dann eigentlich so während der Ausbildung herausgestellt, dass ich doch dann Weinbau machen will, weil ich natürlich, um mir auch ein bisschen Geld dazu zu verdienen, dem Andreas auch immer geholfen habe, so, bei den Arbeiten, die angefallen sind, oder auch natürlich im Herbst, und hab dann auch im Keller mal hier etikettiert und ein paar Sachen gemacht. Und so kam das dann halt langsam, dass mein Interesse gewachsen ist daran. Dann hab ich auch wirklich während der Ausbildung gemerkt, na ja, OK, Bürokauffrau, das ist mir einfach zu trocken, da hinter dem Schreibtisch zu sitzen. Und, ja, dann hab ich einfach gesagt: „OK, was kann ich jetzt machen?“.

Und dann hab ich mich mit meinem Bruder ein bisschen beraten und dann haben wir gemeint, gut, du hast jetzt halt keine Winzerausbildung gemacht, aber mach doch einfach ein Praktikum, ein längeres, ich brauch ja sowieso mindestens ein halbes Jahr für meine Vorbereitung auf das Studium in Geisenheim, und dann hab ich halt gesagt, gut, ein halbes Jahr ist vielleicht ein bisschen kurz. Und dann hab ich gesagt, gut, ein Jahr lang mach ich ein Praktikum, um einfach mal auch den kompletten Werdegang so von der Traube bis in die Flasche mitzubekommen. Und war dann in Baden beim Weingut Keller, also beim Weingut Franz Keller. Hab da ein Jahr lang Praktikum gemacht, und danach dann ein Studium angefangen.

Und dann während dem Studium hat sich dann auch erst langsam rausgestellt, dass ich auch wirklich zum Andreas gehe, weil beim Andreas dann auch irgendwann der Punkt war, wo er gesagt hat: „Na ja, gut, ich wachse jetzt langsam, und ich arbeite hauptsächlich alleine. Ich brauche einfach noch jemanden, weil ich die Arbeit sonst auch nicht mehr gestemmt bekomme“. Und dann hat er halt mich gefragt, hat dann aber auch gesagt: „Dann muss dir halt auch bewusst sein, dass, nach dem Studium, du sofort zu mir kommen musst. Du kannst dann nicht noch in der Weltgeschichte, weiß ich nicht, Australien, USA irgendwie, ein bisschen Erfahrung sammeln gehen, weil wenn, dann brauch ich dich jetzt, und dann musst du auch jetzt kommen“.

Und dann habe ich mir das ein bisschen halt überlegt, und dann war mir aber auch eigentlich klar, dass ich das schon will, und dass mir das wichtiger ist, als noch mal irgendwo anders hinzugehen. Und so hat sich das dann entwickelt. Und, ja, seit 2013 bin ich dann jetzt auch hier im Weingut, und wir machen das seitdem zusammen, und es klappt immer noch gut, von daher... Ist ja auch nicht immer alles so selbstverständlich mit Geschwistern im Weinbetrieb. Ich hab das aus Geisenheim schon so oft gehört, wo es auch mit dem Vater dann irgendwie kollidiert ist, oder auch mit anderen Geschwistern. Selbstverständlich ist das nicht, würde ich jetzt so sagen, aber es klappt ganz gut - von daher.

TS: Aber es ist dann ja schon ziemlich elendig, wenn… also, bei älteren Geschwistern ist es ja schon in der Schule meistens anstrengend, wenn dir Lehrer dann meistens so sagen: „Ach Gott!  Hatte ich doch schon mal, in anders“. Aber, dann beim Studium dasselbe nochmal in grün?

BG: Ja, es ging eigentlich, muss ich sagen. Also klar, mein Bruder ist halt auch so ein kleiner Musterschüler, sag ich jetzt mal, gewesen. Der war halt immer schon ein bisschen besser in der Schule damals, und auch im Studium. Und dann wurde einem natürlich auch schon mal die Bachelorarbeit groß vorne am Projektor gezeigt: „Ja, hier, der Andreas Adam hat das und das  getan und das und das gemacht“. Und dann sitzt man da schon und denkt: „Ja, OK…“. Aber ja, mein Gott. Irgendwo ist man dann auch stolz, wenn der eigene Bruder erwähnt wird und ja… das passt schon.


Barbara Gudelj

AA: Wir haben damals noch eine Diplomarbeit…


BG: Ja, eine Diplomarbeit, Entschuldigung, bei mir war es eine Bachelorarbeit. Diplom ist natürlich noch wichtiger, ist ja klar.


TS: Aber ihr habt beide Önologie oder welchen Fachbereich dann?


BG: Ja, genau Weinbau und Önologie, genau. Er halt im Diplom und ich dann als Bachelor. Das wurde dann damals schon abgeändert.


TS: Und an welchen Stellen verstoßt ihr hier ganz bewusst gegen die Lehrmeinung und das, was eure Professoren gesagt haben?


AA: Na ja, das fängt ja schon…


BG: Im Keller bestimmt oft.


AA: Im Keller oft, ja. Man muss ja dazu sagen, wie ich angefangen habe hier, da war ich ja schon in Geisenheim. Und ich habe dann direkt auch gesagt, nee, ich will die Spontanflora nutzen. Also sprich, mit den wilden Hefen vergären, und wir hatten sogar damals noch in Geisenheim einen Projekt-Weinberg, und da wurde dann auch Wein ausgebaut. Und wir wollten dann den aber auch wirklich spontan vergären - und das war natürlich ein Unding, das geht ja nicht.


TS: Was heißt das denn?


AA: Unkontrolliert. Unkontrolliert den Wein da, den Most da erstmal rumdümpeln lassen, und warten, dass da irgendwas passiert, ja. Aber das macht ja auch gerade das Spannende aus. Klar, heutzutage gibt es so viele verschiedene Reinzuchthefe-Präparate. Für jede Rebsorte nochmal unterschiedliche, da kannst du alles reinschütten, aber das ist dann mehr so ein „Wein machen“, und das wollten wir ja hier nicht. Und das war sowas z.B. wo man gesagt hat, das hat überhaupt nix mit Geisenheim zu tun, oder mit dieser Lehrmeinung. Also, wir vergären spontan, d.h. da kommt nix dazu. Da kommen auch keine Gärhilfspräparate dazu und die Weine werden auch nicht geschönt. Diese klassische Lehrmeinung vertreten wir hier nicht.


TS: Wie hat man sich das denn in der „Sendung mit der Maus“-Variante vorzustellen? Also, da ist das Fass, und da sind die Trauben, an welcher Stelle gärt denn da warum was?


AA: Die Trauben kommen hier in den Betrieb. Kommen hier in die große Presse rein und werden ausgepresst, laufen da unten in die Wanne rein, und der Most kommt dann für etwa 24 Stunden in einen Tank. Dort hinten in so einen Tank. Nennen wir Vorklärtank. Und, die sind auch gekühlt. Weil, es kann ja mal sein, dass der Saft, der Traubensaft, doch etwas wärmer ist, wie jetzt in den letzten Jahren, also jetzt 2018, wenn du da früh anfängst, dann kann das schon sein, dass die Moste recht warm reinkommen. Dann siehst du so Kühlschläuche, da sind Kühlplatten drin, und dann wird das runtergekühlt. Und dann über die natürliche Sedimentation setzt sich dann, ich sag jetzt einfach mal krass, Dreck hier ab, Trubstoffe. Was ist das? Die Trubstoffe, das ist im Endeffekt Beerenschalen und der natürliche Staub und Dreck, der auf der Beerenschale sitzt. Das setzt sich dann alles hier ab. Und dann ziehen wir es klar ab, also praktisch hier über die Zapflochklappe wird es hier angestochen, und dann wird es dann hier abgezogen. Das ist dann richtig klarer Saft. So wie man das praktisch kennt. Ich sag mal, naturtrüber Apfelsaft, so sieht das in etwa aus. Und das wird dann abgezogen, und dann in das dementsprechende Gebinde gelegt: Entweder ins Holzfass oder in das Edelstahl, kommt dann immer drauf an, wie groß das Gebinde ist, und so weiter.

Und dann wird nichts gemacht bei uns. In anderen Betrieben, oder jetzt nach der Lehrmeinung, würde dann Hefe draufkommen, und Hefenährstoffe, und so weiter. Und das passiert bei uns halt nicht. Bei uns kommt der Saft praktisch in den Tank oder ins Fass rein, und dann wird gewartet. Und das funktioniert. Mal dauert es eine Woche. Es kann sogar zwei Wochen dauern, bis da irgendwas anfängt zu gären. Das wichtige ist bei so Sachen, dass der Tank voll ist. Also dass der wirklich voll ist, dass das nicht wegoxidiert, oder da obendrauf sich ein Schimmelpilz bildet, das muss voll sein, das Fass. Sobald es anfängt zu gären, kannst du ja was rausnehmen. Nehmen wir ein bisschen was raus, damit da Gärraum ist, weil, das Volumen vergrößert sich bei der Gärung.


TS: Wie voll es ist, siehst du an der Skala hier, oder?


AA: Ja, das ist ein Standanzeiger, genau, richtig. Das sind jetzt die größeren Tanks. So Tanks hier, die brauchen wir für die größeren Gebinde, wie Gutsriesling, also die Basisweine. Davon gibt es sehr viel und dann brauchst du auch so große Tanks, einfach mal. Wir haben noch einen hinterm Haus sogar stehen. Ich war da drin, jetzt, zum Saubermachen.


TS: Das war dann aber schon ein ganz guter Houdini hier.


BG: Ist sportlich, ja.


AA: Da musste dich…


BG: Vor allem, die Kühlplatte hängt noch in der Mitte.


AA: Da ist noch eine Kühlplatte in der Mitte, die musst du auch noch berücksichtigen.


BG: Aber der Weinstein sitzt halt in allen Ecken, und um den wirklich abzubekommen, muss man ein bisschen schrubben, und da hilft der Wasserschlauch von außen dann auch nicht wirklich.


TS: Und wo habt ihr die Holzfässer dann stehen?


AA: Zeigen wir dir.



Konzentration im Keller


AA: Hier unten sind die dann. Das ist der alte Kellerbereich. Da, wo wir eben standen, das haben wir neu gebaut. Da war früher mal der Kartoffelkeller, und dann wurde der abgerissen, und jetzt sind wir hier im alten Bereich. Hier der Keller ist sogar älter wie das Haus, weil, hier stand schon mal ein Haus. Das haben die damals abgerissen. Und dann haben die 1909 das Haus dann hier hingestellt, und der Keller ist geblieben, ja, der Keller ist wahrscheinlich nochmal 100 Jahre älter.


TS: Und gefühlt, locker fünf bis acht Grad kälter, oder?


AA: Ja, das ist schon kälter.


BG: Aber das ist eigentlich eine gute durchgehende Temperatur das ganze Jahr. Im Sommer, wenn es draußen 30 Grad sind, ist es hier drin, ich weiß es nicht, 20 Grad, höchstens, oder 17 Grad, sowas.


AA: Nee, so warm wird das hier nicht.


BG: Ja, also es ist immer deutlich kälter. Was ja auch gut ist.


TS: Das ist ja jetzt ein anderes Volumen als man es von Nahe-, oder vor allem Pfalz-Weingütern so kennt, auch was den Keller angeht. Damit hast du ja auch eine gewisse natürliche Grenze, was du wirtschaftlich am Ende erreichen kannst.


AA: Ja.


TS: Inwieweit kann man sich das überhaupt vorher überlegen, so mit: „OK, das kann aufgehen“, oder, wo man dann denkt so: „Scheiße, eigentlich brauche ich mindestens x-mal mehr, damit das auch wirtschaftlich am Ende Sinn machen kann“.


BG: Kommt ja auch immer drauf an, was man produziert. Wenn ich jetzt 50% Basiswein produziere, habe ich ja einen ganz anderen Preis, sag ich jetzt mal, am Ende, als wenn ich jetzt viele Lagenweine, viele Prädikatsweine, oder auch die Edelsüße Spitze produziere. Natürlich, wenn ich jetzt 20 Hektar hab, kann ich natürlich am Ende mehr erwirtschaften, als wenn ich jetzt fünf Hektar hab. Aber man muss schon auch immer so ein bisschen im Rückblick so sagen, man muss ja gucken, was produziere ich, wieviel Basiswein, wieviel Premiumwein, was kann ich verkaufen? Und man muss es ja am Ende auch noch wieder irgendwie verkauft bekommen.


AA: Zu uns hat mal ein Journalist vor kurzem gesagt: „Ihr dürftet eigentlich gar keinen Basiswein machen, der ist viel zu gut“.


BG: Weil der halt auch aus der Lage kommt. Hofberg. Das ist halt eigentlich auch nicht so die gängige Praxis. Oft kommen die Basisweine irgendwo aus dem Flachen, schnell bewirtschaftet, mit dem Vollernter, von mir aus auch, gelesen. Das passiert bei uns alles gar nicht. Das ist alles immer Handlese, alles steil.


TS: Aber es ist dennoch wichtig, dass ihr die Qualitäten macht, damit das hier zugänglicher wird?


BG: Klar, also, so einen Basiswein braucht man auch oft, um mal in so einen Markt reinzukommen.


AA: Also, ganz am Anfang habe ich gar nicht, also, wie ich noch allein war hier, da habe ich gar keinen Basiswein produziert. Da habe ich wirklich keinen Gutsriesling gemacht. Die ersten Jahre nicht. Das kam erst, ich glaube 2010 oder 2011, haben wir angefangen, einen Gutsriesling zu machen, ja.

Nee, sowas braucht man auch. Wir bezeichnen das als „Brot & Butter-Weine“, und das ist auch für uns wichtig. Das sind alltägliche Weine, weil, das kann… ja, gut, wir sind Freaks, aber der normale Weintrinker oder Weinkonsument kann nicht jeden Tag ein Großes Gewächs trinken, oder einen Flasche Wein, die mehr wie 20 Euro kostet. Das können die meisten Leute sich dann einfach nicht leisten, aber sind dann trotzdem froh über eine gute Flasche Wein für um die zehn Euro - und davon leben wir auch. Aber, wie die Barbara sagt, das sind jetzt nicht die Riesen-, Riesenmengen. Und das wollen wir auch nicht. Wir wollen nicht hier Mr. und Mrs. Gutsriesling werden. Das können andere machen. Dafür haben wir auch eigentlich viel zu viele gute Wingerte, das muss man auch sagen. Dann müsste man, rein theoretisch, gute Sachen opfern, und das wollen wir nicht, nee.


BG: Und, sag ich jetzt mal, flache Lagen, von mir aus, sag ich mal, dazu kaufen, wo wir auch keine Lust zu haben. Man muss auch sagen, wir haben auch einfach die Maschinen nicht, um die alle zu bewirtschaften. Das gibt einfach keinen Sinn für uns.


AA: Nee, das passt auch nicht zu unserer Philosophie und zu dem, was wir hier schon alles so erzählt haben, das würde nicht passen. Dass wir da jetzt ins Flache gehen, auf Masse.

Wir wollen einen guten Gutsriesling machen, und ich glaube, der ist auch gut. Die Basis. Aber wo wir unseren Fokus drauf legen, ist wirklich: die Lagenweine, ja. Oder auch schon der Ortswein. Der Ortswein ist so das Bindeglied, praktisch, zwischen dem Basis und der Lage, wo ich dann auch sagen muss, es muss nicht immer der Hofberg sein. Es darf auch mal der Dhroner sein, weil, der ist auch schon richtig seriös und ernsthaft. Da kriegt der Kunde supergeilen Wein für kleines Geld.


TS: Man hat es ja oft auch, dass so gerade die Ortsweine schneller zugänglich sind. Also so, dass du bei den Großen Gewächsen oder anderen Stufen viel länger brauchst, bis die sich so zeigen. Das macht das „Davon-leben-und-verkaufen“ wahrscheinlich ja dann nochmal deutlich schwerer, weil die Leute ja oftmals gar nicht die Geduld dazu haben, und ihr habt ja die Ernte da? Es muss ja irgendwo hin.


BG: Wir haben ja eine kleine Menge, jetzt, sag ich mal, von so einem Lagenwein, oder von einem Dhroner. Da ist die Menge ja nicht so megagroß. Und ich muss schon sagen, dass viele Kunden wirklich Verständnis dafür haben, dass die Weine, wenn die jetzt gerade erst gefüllt wurden, dass dann die Lagenweine auch einfach noch frisch sind, und dass die ihre Zeit brauchen. Und ich hab auch viele Kunden, die dann wirklich sagen: „Boah, ich bin jetzt schon gespannt, wie der in drei Jahren schmeckt“ - und die legen sich die Weine auch wirklich zurück. Was jetzt bei den Händlern groß passiert, weiß ich jetzt natürlich nicht, aber die werden die ja auch an Privatkunden alle weiterverkaufen, und das funktioniert eigentlich ganz gut. Mit einer gewissen Menge, natürlich.


AA: Also, wir bleiben da jetzt nicht drauf sitzen, im Gegenteil. So ein Goldtröpfchen trocken oder so ein Häs'chen trocken - eigentlich sind die Weine viel zu schnell ausverkauft. Also, wir verkaufen ja nicht mal ein Jahr an so Weinen. Was wir dann mal machen, oder ab und zu: mit dem Jahrgang 2013, da hatten wir was zurückgelegt an Hofberg trocken, und haben den jetzt letztes Jahr erst wieder in den Verkauf gebracht. Auch wieder viel zu wenig Wein, von so einem Wein. Der war so ruckzuck weg, da haben wir ein dreiviertel Jahr an dem, an der Partie, dann nochmal verkauft, und dann haben wir jetzt auch gesagt: „Mensch, guck mal, da hätte man jetzt nochmal mehr von haben können“. Aber klar, du legst dann sowas erstmal auf die Seite, d.h. das Geld ist gebunden, das hast du nicht. Das musst du dann auch erstmal im Stande sein, das zu machen oder auch zu wagen, einfach, ja.


TS: Und dann haben wahrscheinlich dann auch wieder so Häuser, die es nicht erst seit 20 Jahren gibt, auch meist nochmal einen kleinen Rennvorteil, weil sie das Spiel halt einfach auch schon mehrere Jahrzehnte durchgemacht haben.


AA: Genau, richtig, ja.


BG: Wenn ich da immer wieder auf alte Jahrgänge zurückgreifen kann, ist das schon eine tolle Sache. Wenn ich jetzt sagen kann: „Wir haben jetzt 2018, ich bring jetzt einfach mal einen Schwung 2008er, so zehn Jahre vorher, raus“ - das ist schon eine tolle Sache. Muss man aber auch machen können. Und es ist ja auch, wenn ich das jedes Jahr mache, Wein zurücklegen. Wir, mit unserem engen Keller hier, sag ich mal, wir haben gar keinen Platz, die ganzen Weine zurückzulegen.


AA: Gut, du könntest was dafür anmieten und so weiter. Das kannst du machen, aber…


TS: Bis sich das rechnet, dauert auch wieder… Wieviel verkauft ihr denn wohin?


AA: Das meiste geht ins Ausland. Das meiste geht wirklich ins Ausland. Die USA ist ein großer Markt für uns, aber auch das europäische Ausland. Und das ist wirklich krass. Sowas wie Spanien, das ist unser größter Markt in Europa. Die skandinavischen Länder sind wichtig für uns, aber auch die asiatischen Länder. Aber wenn wir über Asien sprechen, dann ist es, ja, das ist Japan, das ist Taiwan, es ist ein bisschen was in Hongkong. Ja, das ist es dann auch. Und, dann noch Australien, das kommt noch dazu.


TS: Und wie ist es, wenn jetzt aus dem - wie es in Bordeaux und sonst wo passiert ist - dann der freundliche Mensch von weither ankommt und sagt „So, ich hätte jetzt gerne 80% von eurem Laden, aber dafür investiere ich X“, und so. Sind so Modelle interessant?


AA: Da war schon mal sowas, also, da waren schon mal Leute da, das ist ein paar Jahre her. Das war verlockend. Aber das ist für uns nix Langfristiges. Das hat dann ja nix mehr mit diesem Familienbetrieb zu tun. Du gibst das ja aus der Hand. Du bist wie ein Angestellter dann, bist dann auch abhängig von deren Ideen, von diesen „stillen Teilhabern“, oder wie man es bezeichnen will, was es dann für eine Gesellschaftsform wird, oder ist. Inwiefern die da Einfluss nehmen wollen, oder Lust drauf haben, oder müssen, ja.


TS: Ich mein, das Schöne an dem Geschäft ist ja auch, dass, wenn es ganz dumm laufen sollte, du ja eigentlich, auch so als unabhängiger Betrieb, selbst in der Tauschwirtschaft - und da muss ja einiges passieren, bis wir soweit wieder kommen - ganz gut da stehst, weil, du hast ja ein Produkt, was Leute auf jeden Fall wollen. Also, gegen ein paar Grumbeeren (Kartoffeln) kriegst du die immer noch getauscht.


AA: Ja, gut, das stimmt, ja. Aber da wollen wir ja nicht mehr hin, also, zurück. Wobei ich das aber noch kenne von unseren Großeltern. Wenn ich mal überlege, wieviel Geld die so im Monat gebraucht haben, und wieviel wir, allgemein, die Leute heutzutage, im Monat brauchen, das war schon deutlich weniger. Die hatten, da geht es auch ein klein bisschen wieder zurück jetzt, die hatten dann ihren eigenen Garten, wo sie ihr Gemüse angepflanzt haben. Das, was sie selber nicht hatten, das wurde tatsächlich getauscht. Ich weiß, die hatten Verwandtschaft in Berglicht, die hatten einen Bauernhof, den gibt es auch immer noch. Von denen kriegen wir heutzutage auch noch das Fleisch. Gut, das bezahlen wir, das tauschen wir nicht, aber die haben dann z.B…. mein Opa, der hat eine Imkerei gehabt. Der hat Honig gehabt, und dafür hat er dann von denen Kartoffeln gekriegt, also das war der Tausch. Oder, er hatte Sauerkirschen, sowas hatten die in Berglicht nicht, und dann er dagegen Fleisch gekriegt. Also, da gab‘s noch wirklich lange Zeit diese Tauschwirtschaft, die funktioniert hat.


TS: Wo hier der Rosé liegt, das macht ihr ja noch nicht so lange, gell?

La Vie en Rosé

AA: Nee! Rotweinanbau war ja auch in Deutschland bis 1900, oder, nicht in Deutschland, aber an der Mosel, bis 1987 nicht erlaubt. '87 durftest du wieder rote Reben anpflanzen.


TS: Warum war das so?


AA: Das hat Adolf Hitler während seiner Sturm & Drang Phase verboten, und hat gesagt, es soll nur weißer Wein an der Mosel wachsen, und dann wurde es, glaub ich, 1933, verboten, und man hat dann irgendwie vergessen anscheinend, das Gesetz zu ändern.

Und 1987 wurde es dann wieder erlaubt, ich glaube, es war 1987, genau. Und deshalb gibt es auch wieder Rotwein an der Mosel, ja. Ich glaube, immer noch mehr schlecht wie recht. Die Mosel ist ein Weißwein-, oder ein Riesling-Anbaugebiet, das soll auch so bleiben, das ist auch gut so. Das passt gut mit dem Schiefer. Und was dazu passt, in Sachen rot als Rebsorte, das ist der Spätburgunder, alles andere macht nicht viel Sinn, oder bzw. kann hier, ich sag jetzt mal, noch nicht wachsen. Ich sag mal so, ein Syrah und so, das kann mal in einem Jahr was werden, aber in den anderen fünf Jahren dann nicht. Und wir haben ein bisschen Spätburgunder. Wir haben einen halben Hektar Spätburgunder. Das meiste ist jung, ein Weinberg ist alt. Den haben wir gekauft, der ist aus den 90er Jahren, Anfang der 90er Jahre. Und, da gibt’s dann in guten Jahren einen Spätburgunder als Rotwein auch, kleine Mengen. Und dann ein bisschen Rosé-Stillwein, wo wir jetzt hier davorstehen. Und das ist eigentlich eine schöne Sache, dann gibt’s auch mal Rosé von Adam, und nicht immer nur Riesling, und es ist eine super Sommergeschichte.


TS: Aber ihr hattet keine Angst, dass ihr euch dadurch die Kernmarke in irgendeiner Form gefährdet, oder?


AA: Nee, nee, das ist so ein Zusatzding.


BG: Wir sind immer noch ein Riesling-Weingut, aber warum nicht auch mal was anderes ausprobieren? Und es wird auch sehr gut angenommen.


AA: Es ist auch wirklich was Seriöses. Weil, es ist jetzt nicht, auf gut deutsch gesagt, „den Keller zusammengekehrt“. Es ist 100% Spätburgunder, da sind keine faulen Beeren drin. Und, das ist auf der Maische stehengeblieben für neun Stunden, und dann ist es abgepresst, spontan vergoren auch, im Edelstahltank. Und das Schöne ist: wenig Alkohol, nur zehneinhalb Prozent. Und, mit der Mineralität vom Schieferboden macht das schon richtig Spaß. Das ist jetzt nicht hier ein kräftiger Südfranzose, das kannst du halt wunderbar genießen, auf der Terrasse, im Frühjahr, im Sommer. Da fällst du jetzt nicht gleich um, mit den zehneinhalb Prozent Alkohol.

Na komm, da fahren wir grad ins Goldtröpfchen.

Im Goldtröpfchen


TS: Das Kriegerdenkmal ist ja eine meiner ersten Mosel-Erinnerungen. Ich fand es immer ultra-beängstigend.


AA: Das ist sehr interessant, dass du das beängstigend fandest. Weil ich habe letztens mit…gut…ich sehe das eher ein bisschen neutraler. Ich habe letztens mit einem alten Winzer hier gesprochen, mit dem Alfred. Der ist jetzt 82. Der hat da immer schöne Erinnerungen dran, weil, die sind da früher mit dem Moped hingefahren, und das war so ein Platz, wo sich damals, in den 60er Jahren, die Jugend getroffen hat. Weil, das hier war dann die Straße, wo es dann Richtung Hunsrück ging. Da gab es ja noch gar nicht da unten die Bundesstraße. Und da war dann da was los. Also, ich meine, damals gab es ja nicht viele Autos. Aber wenn es dann mal ein paar Autos gab, die mussten da vorbei, also da war was los. Das war praktisch ein Platz, wo man sich getroffen hat.

Kriegerdenkmal 1914/18, oben rechts beginnt Richtung Piesport ein neuer Tag.

Jetzt wird es ein bisschen ungemütlich, wieder…

Also, es ist schon wirklich erstaunlich kühl für die Jahreszeit. Und wir sind jetzt hier in der Nacht auch wirklich so einer kleinen Katastrophe entkommen. Weil, 2017 hatten wir ja um den 20. April rum diesen Frost, der ja auch nicht nur hier im Moseltal, sondern auch in fast ganz Europa einiges an Ertrag zerstört hat, und ich hatte heute Nacht schon ein bisschen Angst, dass wir da wieder da Probleme kriegen, aber so wie es aussieht, war es dann doch, Gott sei Dank, nicht kalt genug.


TS: Ist es eine Frage von, wie kalt es wirklich ist, oder auch, wie weit die Pflanzen schon sind?


AA: Das ist egal. Also, sobald das Grün draußen ist, spielt es keine Rolle, ob das Grün jetzt drei oder zehn Zentimeter lang ist. Und das war in 2017, war das ja, die waren ja schon erstaunlich lang. Die waren ja, die waren von der Vegetation deutlich weiter wie jetzt am 4. Mai diesen Jahres, das ist egal. Also, die Rebe ist dann, sobald die grün wird, ist die da megaempfindlich, ja. Also, Winter, Frosthärte, kann Riesling super vertragen. Also, da sind minus 20 Grad kein Problem für die Rebe, wenn die in ihrer Winterruhe ist, aber sobald die grün wird, ist die sehr frostempfindlich. Also, minus ein Grad, das bedeutet echt den Tod für die. Also, die stirbt nicht ab, aber der Ertrag ist dann hin für das Jahr. Die treibt wieder aus… ohne Trauben, ja, oder deutlich weniger.


TS: Und dann kann es halt auch mal sein, dass dir ein ganz großer Prozentzahl der Ernte fehlt, oder?


AA: Ja, das war ja in '17 so. Damit musst du halt leben. Ja, dafür hatten wir jetzt 2018 einen super Herbst. Die Weinberge haben gut getragen, aber dann hast du z.B. - das war jetzt z.B. 2018 ein segenreicher Ertrag. Und dann hast du '17, das war dann schon im frühen Frühjahr klar, das wird nicht viel, weil der Frost halt gewütet hat. Oder in 2016. Manchmal ist es echt wirklich verrückt. Wir haben in 2016 im Sommer gesagt, so einen Sommer wollen wir nie mehr haben, oder so ein Jahr, weil, das war ein Jahr… es war heiß, und am gleichen Tag hat es dann geschüttet, und am nächsten Tag war es wieder heiß, und das ist natürlich für die Schimmelpilze sehr willkommen dann. Und da kamst du mit dem Pflanzenschutz nicht hinterher, und das, was wir eben im Weinberg gesagt haben… da gab es dann Probleme mit Peronospora, mit dem Falschen Mehltau, und der hat uns dann auch teilweise zu schaffen gemacht, und den Ertrag dann auf natürliche Art und Weise extrem reduziert. Und dann kam danach der '17er mit dem Frost. Aber dann bist du wieder glücklich, wenn du so einen '18er hast.


TS: Aber trotzdem waren es ja keine schlechten Weine am Ende, oder?


AA: Nee, schlechte Weine waren es nicht, es war nur wenig.


BG: Das ist immer ungewiss, wenn man im Frühjahr schon einen Frost hat, oder im Sommer dann diese Probleme einfach, jetzt, mit Schimmelbefall usw. Man weiß halt nicht, was kommt jetzt noch bis zum Herbst? Es kann auch im Herbst dann irgendwie doch nochmal schiefgehen.

Schatz, wir müssen über das Wetter reden.


AA: Aber damit musst du klarkommen. Wenn du dich für sowas hier entscheidest, Weinbau, oder Landwirtschaft auch, das hat extrem mit der Natur zu tun. Du bist von der Natur abhängig. Wenn du damit nicht klarkommst, dann das ist das der falsche Job für dich, ja.

Man sagt immer, wenn die Leute nix mehr zu reden haben, dann reden sie über das Wetter, bei uns ist das aber essenziell. Wir müssen über das Wetter reden, oder wir müssen uns das ständig angucken, weil heute, auch mit dem Klimawandel, diese Wetterextreme immer mehr und mehr auftauchen. Wirklich was dagegen tun können wir nicht. Wir können ja jetzt nicht ein Dach oder ein Zelt über unsere Wingerte spannen, wenn da jetzt ein Hagel kommt.


TS: Aber was macht man denn an z.B. so einem Tag wie gestern, wo du innerhalb von zwei Stunden neun Grad Unterschied hast, und dazwischen auch noch die Winde und…


AA: Ja, was soll ich da machen? Ich muss es über mich ergehen lassen. Nee, was soll ich machen? Also gut, gestern haben wir mal nix im Wingert geschafft. Also, wenn du dann nicht unbedingt raus musst, du musst ja nicht jeden Tag raus, ja. Dann kannst du im Keller was arbeiten, also, sprich, Etikettieren ist momentan bei uns angesagt, weil wir ja gefüllt haben. Die Leute haben ja jetzt auch Wein bestellt, und das muss fertig gemacht werden. Dann juckt das dich jetzt auch nicht, dass es draußen ein bisschen ungemütlicher ist.


AA: Tut der Rebe ja nix.


BG: Die braucht ja auch mal Wasser, mal davon abgesehen. Im Moment sowieso.


TS: Das wäre die andere Frage: wenn man im Moment hier so mit dem Mountainbike unterwegs ist, ist es schon ganz schön trocken alles.


AA: Findest du?


TS: Also, so oben im Wald schon.


AA: OK. Also, wir haben ja jetzt nachgepflanzt, d.h. da wo Reben kaputt waren, mussten wir ja, oder haben wir jetzt junge Reben nachgepflanzt, und ich muss sagen, so gut wie dieses Jahr hat es in den letzten Jahren nicht funktioniert. Also, es ist ausreichend feucht im Boden jetzt gewesen. Hat sich gut machen lassen.


TS: Also der Winter hat gereicht?


AA: Ja, nicht nur der Winter. Das war ja jetzt auch immer mal wieder… hatten wir ja gute Niederschläge, einfach.


TS: Also der Rhein z.B. ist wahnsinnig niedrig.


AA: Ja, also das hab ich gesehen. Ich bin da letztens mit der Bahn gefahren, und da habe ich gedacht, mein lieber Scholli, du siehst ja wieder die Inseln da.


"Das Amphitheater des Weins" - Piesport


AA: Wir sind jetzt hier in der Lage Piesporter Goldtröpfchen. Wir haben eine Parzelle, hier im Goldtröpfchen, eine alte Parzelle, die wurde bei der Flurbereinigung nicht rausgerissen und neu gepflanzt. Man muss dazu sagen, dass das Goldtröpfchen, anders wie der Hofberg, deutlich später flurbereinigt wurde. Hier siehst du auch, was wir hier für ein Klima haben, das geht nicht kaputt. Also, hier, Lavendel und Rosmarin, da siehst du, das sind ja mediterrane Gewächse eigentlich, also, das überwintert hier. Und, das Goldtröpfchen, der größere Bereich, ich sag mal, 80% wurde flurbereinigt. Das war Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, das sieht man auch jetzt schön, wenn man so in diesen Halbbogen reinschaut. Also, die Weinberge, wo die Straßen drin sind, wo das so planquadratmäßig aussieht, das ist flurbereinigt.

Kräuter am Berg, Piesporter Goldtröpfchen

Da hinten, wo wir genau draufgucken, Westlage, das ist die Lay, in den Felsen drin, das ist auch nicht flurbereinigt. Das sind auch teilweise wurzelechte Rebstöcke, und hier, wo wir jetzt stehen, oberhalb von diesem Örtchen Ferres, der Weinberg mit südöstlicher Ausrichtung zur Sonne, der ist auch noch wurzelecht, oder ein guter Teil, mit richtig alten Reben. Und hier haben wir z.B. auch einen Teil, das haben wir letztes Jahr dazubekommen, das ist Pflanzjahr 1905, also richtig alt.


TS: Habt ihr dann gemerkt, wie sich das auswirkt, auch, wie ihr wahrgenommen werdet? Oder im Verkauf, wenn du dann so eine Lage hast, die auch Leute überall in der Welt kennen?


BG: Ja, schon. Also, Goldtröpfchen ist ja schon, ich sag jetzt mal, weltbekannt. Und ich glaube auch, dass tatsächlich einige Kunden vielleicht auch deswegen zu uns kommen, weil wir auch Goldtröpfchen haben. Aber, wenn wir jetzt die Weine probieren, die sagen jetzt nicht, „Ja, Goldtröpfchen, man merkt ja gleich, dass das eine viel bessere Lage ist“. Das ist halt einfach der Name, der ist bekannt, und viele Leute wissen das und die kommen, aber die lassen sich schnell wieder, ja, ich will jetzt nicht sagen, eines Besseren belehren. Aber die merken auch, dass andere Lagen mindestens genau so viel Potenzial haben wie so ein Goldtröpfchen.

Aber, ja, sagen wir mal so, das hier ist halt auch so ein Vorzeige-Weinberg. Man hat einen schönen Blick. Ich mein, wo stehen wir hier, wir können auf die Mosel gucken, wir sehen die Terrassenlage. Es ist auch ein Weinberg, wo ich gerne mit Kunden hinfahre, um zu zeigen, so, hier, so machen wir das, und so ist das hier bei uns. Du hast hier so ein bisschen alles: du hast hier die Terrassen drin, du hast die alten Stöcke, du hast den Blick auf die Mosel, aufs Goldtröpfchen, ins Tal rein, den Hofberg sieht man leider nicht, der ist jetzt hinter dem Berg. Aber es ist halt schon, ja,  ein guter Aussichtspunkt, sag ich mal, und es ist ja auch ein toller Weinberg. Es sind schöne alte Reben. Wir machen hier einen tollen Wein. Ja, kommt dann halt schon ganz gut an.


AA: Das passt halt ganz gut ins Portfolio rein, dieses Spielchen zwischen Hofberg, Häs'chen und Goldtröpfchen. Das ist ja sehr interessant, alle drei Weine nebeneinander stehen zu haben, von der önologischen Seite. Im Keller ist alles gleich gemacht - oder gleich nix gemacht, besser gesagt. Und sie schmecken alle drei unterschiedlich. Und deshalb sind wir da froh drum, dass wir hier den Weinberg haben. Aber das war auch nur für uns interessant, weil das halt so ursprünglich ist, wie es jetzt ist. Wenn wir ein Angebot gehabt hätten, von einem Weinberg, der so flurbereinigt mittendrin liegt, nur um Goldtröpfchen zu haben, darum ging es uns nicht. Es ging eigentlich nicht um den Namen Goldtröpfchen. Es ging uns eigentlich von vornherein um den Wingert hier.


BG: So ein bisschen ein Projekt auch. Wir mussten hier auch viel machen. Da unten die Terrasse, da ist jetzt viel Humus reingekommen, weil die sehr trocken ist, da ist direkt der Fels drunter. Da oben wurde eine Terrasse neu gepflanzt, weil die von Büschen und Dornenhecken überwuchert war. Wir haben hier Zäune, hatte mein Vater noch mit hier gebaut. Da unten ist eine Treppe hier im Weinberg. Also, es ist auch schon Arbeit, aber irgendwie macht es auch Spaß, weil man am Ende ja doch belohnt wird.

Um jetzt auch nochmal auf die Kunden z.B. zurückzukommen, wenn die das hier sehen, die haben ein ganz anderes Verständnis von dem Wein, vom Weinbau überhaupt, das ist nicht nur lustig im Weinberg stehen und ein bisschen Arbeit machen, oder nur Trauben lesen gehen, was auch viele Leute denken. Die denken, wir machen das ganze Jahr nix, und gehen im Herbst raus, Trauben ernten, und das war es dann. Und es ist ja viel mehr. Und wenn die mal hier so etwas sehen oder auch hier drinstehen, dann sieht man denen auch direkt schon am Gesicht an: OK, mit ein bisschen Arbeit muss das ja schon verbunden sein.


AA: Um nochmal kurz auf den Boden zurückzukommen, weil wir ja eben den Unterschied hatten, also, eben da im Hofberg und Sängerei, und jetzt stehen wir hier in Piesport. Piesport hat mehr Feinerde-Anteil, und da ist der Schiefer nochmal feiner und kleiner, das ist dieser blaugraue Schiefer. Und du kannst die Plättchen wunderbar brechen, der ist auch öliger, sagt man, der Schiefer. Und im Hofberg war es halt doch eher felsig und grau. Nur nochmal, um diesen Unterschied zu haben, jetzt. Du siehst einfach, wenn du so reinguckst, auch in den Weinberg, da ist gar nicht so viel Schieferbrocken-Material, das ist alles mehr feiner Schiefer, feinblättriger, einfach.


TS: Die Lage hatte ja letztes Jahr 150-jähriges Jubiläum, und, es gibt ja immer mal wieder die Diskussion darüber, was macht der Winzer? Was macht der Berg? Da konnte man ja auch 150 verschiedene mal so direkt nebeneinander probieren, wenn man motiviert genug war. Da gibt es ja schon ganz enorme Unterschiede? Die sind dann ja nicht nur die Ausrichtung, wahrscheinlich auch durch viele handwerkliche Sachen bestimmt?


BG: Im Keller passiert dann bei einigen auch vielleicht zuviel, sag ich mal. Die Weine werden auch vielleicht manchmal „totgeschönt“.


AA: Aber es ist halt auch Philosophiesache, ja. Der Wein, der jetzt z.B. von uns hier draus entsteht, ist markanter oder kantiger, für manchen vielleicht zu extrem oder zu ernst oder zu schwierig, könnte man auch sagen. Und dann gibt's Betriebe, die das zugänglicher machen. Fruchtiger, sanfter - das muss nicht unbedingt schlechter sein, aber das ist anders. Und das ist aber auch das Schöne bei der ganzen Geschichte.


TS: Inwieweit ist man denn so, wenn man denselben Wingert bearbeitet, Konkurrent? Es gibt da ja auch teilweise echte Freundschaften. Also, so hier am Fuße hab ich dich zumindest schon mal mit manchem Traditionsbetrieb, zumindest schon mal ein Glas Wein trinken sehen.


AA: Ach, so meinst du das. Ja, aber das ist so, ich denk, wie überall. Man kann manchmal…mit manchen Leuten kannst du gut, mit manchen Leuten kannst du gar nicht. Oder da konnte schon die Familie - das ist dann wieder so ein Traditionsding – da konnte dann die eine Familie schon mit der anderen nicht, und das lässt du auch besser so, weil dann kriegst du mit deiner Familie Probleme und… ja, genau.


BG: Wir kommen uns da jetzt auch nicht in die Quere, sag ich mal. Jeder hat so seine Kunden, seine Händler. Gut, natürlich, man weiß ja auch nicht. Kann natürlich sein, dass der eine Händler sich für Weingut A anstatt für B entscheidet, so ist es halt, so ist es halt nun mal, damit müssen wir leben. Das ist ja nicht nur bei uns hier in der Lage, das ist überall so. Es ist halt einfach, wenn die Lage bekannt ist, wollen natürlich auch möglichst viele Winzer was von dem Kuchen abhaben, und dann kommen auch die großen und bekannten Winzer hier rüber und wollen auch was haben, und, ja gut, das ist halt nun mal so, wir können ja nicht den ganzen Berg kaufen.


AA: Nee, das ist jetzt hier auch nicht unser Hausberg. Unser Hausberg ist der Hofberg und das ist ein schönes…


BG: …ein schönes Zubrot hier.


AA: Wir sind froh, dass wir den Weinberg hier haben.


TS: Aber es ist ja schon ein mittleres Abenteuer auch gerade, weil, es geht ja um Lagen, um Grenzen, um Reviere, um Terroir, und dann gibt es ja auch Terroir-Gepinkel. Und du bist dann, allein schon aus einem anderen Dorf.


AA: Ja, das ist nicht einfach. Wobei man sagen muss jetzt, die Dhroner und die Piesporter, das funktioniert ganz gut, die Kombi. Aber das würde dann mit anderen Ortschaften wiederum nicht funktionieren, ja. Aber wir wollen jetzt auch nicht viel weiter weg. Wir sind mit den drei Sachen, sind wir happy. Wir haben keine Ambitionen, jetzt in den nächsten Jahren noch irgendwo anders einen Weinberg zu kaufen. Das macht dann noch mehr Verwirrung, find ich. Mit drei Sachen kannst du gut.


BG: Wir sind halt auch einfach ein kleines Weingut, und irgendwo, denk ich mal, ist da auch die Grenze gesetzt. Ich muss jetzt mit einem Fünf-Hektar-Betrieb nicht zehn verschiedene Lagen haben, also.


AA: Lieber dann mehr Menge auf diese drei bezogen, dass du dann für jeden Kunden was hast, dass du damit auch arbeiten kannst. Oder du kannst vielleicht auch mal was weglegen, wie dass du da so milchkannenweise Weine produzierst, von zig verschiedenen Weinbergen.

Brücke am Moselfluss, Piesport


TS: Aber insgesamt ist es ja so: am Ende leben ja alle von der Gegend, dem Fluss, dem Berg. Jeder kriegt ja auch ein größeres Stück, wenn der Kuchen an sich ein wertvollerer Kuchen wird.


AA: Heute leben die Leute anders davon. Früher war es ja nur Weinbau, und heute ist es ja Weinbau und Tourismus auch. Und auch höherwertiger Tourismus. Davon leben die Leute jetzt auch zum großen Teil.

Aber man muss auch sagen, es ziehen auch viele Leute wieder hierher, die einfach nur die Region schön finden. Arbeiten tun sie dann z.B. in Luxemburg, was nicht weit weg ist. Oder ziehen dann auch wieder im Rentenalter hierher. Haben wir auch schon erlebt, dass viele Leute sagen: „Nee, in einer Großstadt will ich nicht alt werden. Ich will jetzt hier mein Rentendasein genießen“. Und die sind halt einfach hier, weil sie es hier schön finden, ja.


BG: Aber trotzdem muss man ja sagen, wir wohnen zwar hier auf dem Dorf, aber ich kann jetzt nicht sagen, dass hier nur Rentner leben.


AA: Nee, nee, das nicht.


BG:  Also, das wäre ja schlimm. Aber, ich finde, es sind immer noch sehr viele junge Leute da. Die bleiben einfach hier, die sind hier groß geworden, und die sind vielleicht mal für ein paar Jahre weg, und dann kommen die aber auch wieder. Wenn die eine Familie gründen, sag ich jetzt mal, oder einfach dann erstmal eine Zeit lang weg waren, und dann doch einen Job hier in Nähe suchen, und dann wieder zurückziehen, weil doch die Leute schon sehr heimatverbunden sind.


AA:  Dann entstehen z.B. hier, wie die du da vor dir siehst, auf der anderen Moselseite, so kleine Neubaugebiete, ja, die entstehen dann so. Das, sag ich jetzt mal, sind mit Sicherheit Leute, die haben jetzt sicherlich nichts mit Weinbau zutun. Die haben dahin gebaut, weil sie es da schön finden und arbeiten tun sie irgendwo anders.


TS: Und die Distanzen und das Gefühl dafür relativiert sich ja auch enorm. Wenn du in LA jeden Tag anderthalb Stunden einen Weg im Auto hockst, dann kannst du hier halt auch woanders schaffen.


AA: Genau. Dann fährst du 40 Minuten oder so nach Luxemburg, und fährst dann wieder in die Natur, oder auf's Dorf, zurück.


Feierabend mit Andreas Adam

Eine Yadastar-Produktion

Redaktion, Interviews, Fotos: Torsten Schmidt

Schnitt & Mischung: Marc Übel

Titelmusik: Oliver „Dorian Concept“ Johnson und Denis „Adlib“ Hürter.

Musik: Marc Übel, Frank Westerkamp, Denis „Adlib“ Hürter

Logo & Cover: Jonathan Gehlen @ ACB

Lektorat: Carmen Hofmann

Website: Jan Niklas Jansen


Wir danken allen Winzer:innen, ihren Teams und ihren Familien für ihre großzügige Zeit im Rahmen dieses Podcasts, und die Liebe zum Detail, mit der sie jeden Tag auf's Neue an die Arbeit gehen.