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Episode
002

Dönnhoff, Nahe

Helmut Dönnhoff

Folge
002

Dönnhoff, Oberhausen / Nahe (1/2)

Feb 21, 2021
mit
Helmut Dönnhoff
01:08:35

Vom Geschmack der Geschichte

Der Grandseigneur des deutschen Weines, charmant lächelnder Spitzenreiter der Versteigerungen. Immer noch Herr über Herrmannshöhle und Felstentürmchen, auch wenn Sohn Cornelius inzwischen seit einigen Jahren den Betrieb leitet. Die wechselhafte Geschichte des Nahetals zwischen Preußen und Frankreich, die Pionierstellung dank der ersten Forschungseinrichtungen seit dem 19. Jahrhundert, der Schatz an Erfahrungen über Generationen.

Nach ein klein wenig 68ertum in einem doch dezent konservativen Uni-Umfeld, das lebenslange Wirken im Tal der Kindheit - das sich nicht zuletzt dadurch zu einem Pilgerort für Weinfreunde aller Länder entwickelte. Die Freude am Lokalen, am Genuss, an der Lebenslust.


In Oberhausen an der Nahe bedachte die Lotterie der Natur Helmut Dönnhoff ausgerechnet mit dem wunderbaren Jahrgang 1971 als Einstieg. Sein Vater, Hermann Dönnhoff, fackelte nicht lange, überschrieb ihm den Betrieb, und arbeitete fortan Seite an Seite mit ihm daran, dem Ruf der Naheweine noch mehr Glanz zu verleihen. Genau so, wie dieser Tage nun er selbst wiederum seinen Sohn Cornelius  (dessen Namen Sie aus den diversen „Winzer des Jahres“-Listen kennen) in jener Mission nach bestem Wissen und Kräften unterstützt.

Helmut Dönnhoff. Ein Mann, ein Weingut von Weltruf. Der nie einen Hehl daraus machte, wie die harte Arbeit  ihn als jungen Burschen durchaus abschreckte  - der dann aber, wie es sich für eine ordentliche Geschichte mit einem ordentlichen Hauptdarsteller gehört, auf natürlichste Weise verzaubert wurde von all den gestalterischen Möglichkeiten, die dieser vielfältige Beruf jeden Tag auf's Neue bietet. Der den Wein und die Arbeit damit lieben lernte. Einer der besten geworden zu sein, die sich jemals diesem Metier widmeten, half dabei sicherlich. Oder eben andersherum. Ei, Huhn, Henne, Ei. Wie dem auch sei. Was wäre besser, als von ihm selbst zu hören?

Dieses Gespräch, das nur wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag stattfand, wurde dann auch so umfangreich, dass wir es in zwei Episoden aufteilen. In dieser Folge geht es über die Oberhäuser Brücke ins preußische Ausland, rundherum um den Hermannsberg und die Hermannshöhle, eine der besten Lagen, die Rieslingfreunde rund um die Welt freudig zucken - und bei Versteigerungen weinen - lässt. Wir hören von damals, 1968, den trockenen und den restsüßen Weinen, dem Finanzamt, immer wieder den Preußen, und vor allem von den vielschichtigen Böden und der tiefen Liebe zu den Pflanzen, die in ihnen wurzeln. Von einem Mann, der sein ganzes Leben mit ihnen hier in diesem Tal verbrachte.

Daher genug von hier. Mein Name ist Torsten Schmidt und es ist mir eine Ehre, Helmut Dönnhoff für Sie das Mikrofon angelegt zu haben. Kommen Sie mit!

Auf dem Weg zur Hermannshöhle


HD
: Wenigstens haben wir schönes Wetter, aber das hört man ja nicht, oder?


TS: Na, so ein bisschen hört man es ja an der Laune.


HD: (lacht) Ja ja, die Laune ist auch bei schlechtem Wetter nicht immer analog des Wetters - manchmal freut man sich auch auf schlechtes Wetter.


TS: Aber ich glaub, wenn der Hagel aufzieht…


HD: Ja, dann nicht.


TS: Wo fahren wir denn jetzt zuerst hin?


HD: Dann fangen wir von oben runter an. Fangen wir mit Hermannshöhle, Felsenberg an, und dann fahren wir vielleicht nach Norheim, je nachdem wieviel wir zu erzählen haben, in den Leistenberg. Wenn ihr zum Schönleber fahrt, können wir unter Umständen über Roxheim fahren, und noch den Höllenpfad uns anschauen.


Ein ordentliches Programm.

Klangvolle Namen Großer Lagen, wo jede einzelne für sich schon ausreichen könnte, Weingüter jahrelang über Wasser zu halten.

Dass er überhaupt Zeit hat, mit uns darüber zu sprechen, liegt daran, das Helmut Dönnhoff - wie eingangs erwähnt - inzwischen 2007 das Zepter im Keller an seinen Sohn Cornelius weitergereicht hat.

Aber bevor wir uns all dem - v.a. in Folge Zwo -  annehmen, wollen wir doch erstmal schauen, wo wir hier überhaupt sind.



TS: Was hat es denn hier mit der Brücke auf sich?


HD: Das ist an sich historisch, wenn man so will: hier ist die Grenze, also auf der anderen Seite, zwischen Preußen und Bayern. Und deshalb ist diese Brücke erbaut, die ist bayerisch noch, unter Prinzregent Luitpold zu Bayern. Wissen viele nicht - der bayerische Löwe. Und die ist 1889 gebaut, vorher war hier keine Brücke, vorher war eine Furt hier, weiter unten, da sind die Pferdefuhrwerke durch die Nahe gefahren. Und die Bayern haben damals die Brücke gebaut, an der Stelle, wo sie auf der anderen Seite noch Land hatten. Sonst war die Nahe die Grenze, so in etwa, nicht immer gleich.


Und hier, das Stück, deshalb hat das einen eigenen Namen, das ist die Oberhäuser Brücke, als Weinberg, ist nur 1 Hektar groß. Also es hat ein bisschen historische Gründe, weil das Weingesetz sagt ja, Einzellagennamen sollen mindestens 5 Hektar groß sein. Und das ist damals eingetragen worden 1971, nach vielen Diskussionen, weil es im Grunde genommen dem Weingesetz nicht entsprach, weil es zu klein ist als ein einzelnes Stück Land mit einem eigenen Namen, weil es historisch zu keiner anderen Lage dazugehört. Und auch von der Art der Weine, die dort wachsen, schon eine Besonderheit darstellt. Aber die Brücke... hier war übrigens, das Haus nennen wir „das Fahr“, also sozusagen „Fährhaus“. Die Pferdefuhrwerke sind hier früher wahrscheinlich durch die Nahe gefahren, und an den Stellen, wo eine Furt war, sind oft Gasthäuser bzw. Raststätten entstanden, wo die Leute wahrscheinlich Pferde gewechselt haben, oder Rast gemacht haben. Später ist das umbenannt worden in Restaurant Hermannshöhle, also nach dem Berg im Hintergrund, der ja zu den berühmten Weinbergslagen der Region zählt.

Ich bin also aufgewachsen immer mit dem morgendlichen Blick auf die guten Weinberge, und die guten Weinberge lagen sozusagen im preußisch-feindlichen Ausland.


TS: Aber da gab‘s die Brücke ja schon.


HD: Da gab‘s die Brücke schon, ja, aber es ist trotzdem historisch so, dass die Einwohner auf der anderen Seite des Flusses wenig Grundbesitz, oder teilweise gar keinen, auf dieser Seite des Flusses hatten, und umgekehrt genauso. Die Niederhäuser hatten keinen Grundbesitz auf der bayerischen Seite, und die Oberhäuser hatten fast keinen Grundbesitz auf der preußischen Seite. Das hängt damit zusammen, dass man ja früher die ganze Verwaltung, die Schulen waren auf der einen Seite, und die haben sich nicht untereinander kennengelernt, um zu heiraten. Wer nix erheiratet und nix ererbt, bleibt ein armer Teufel, bis er stirbt.

Brücke Dahoam - ein Stück Bayern mitten im FCK-Herzland


Ich hatte einen Urgroßvater, über den wird nicht so unglaublich euphorisch in unseren Familienakten berichtet. Das hängt damit zusammen, dass er eine Frau aus dem feindlichen Ausland geehelicht hatte. Also hatte er eine Frau aus Niederhausen, was damals nicht unbedingt… hat man gar nicht so gern gesehen.


TS: Gab es auch konfessionelle…?


HD: Nein, wollte ich schon dazu sagen… übrigens das hier rechts ist jetzt die Hermannshöhle, hier im Norden sieht man auch den Schiefer im Untergrund, weiter oben sieht man das gar nicht so, aber hier sieht man’s… die Mauern, die uns immer Sorgen machen, weil sie umfallen, also… - Ich sag gleich noch was zu der anderen Geschichte - Hier ist übrigens das Loch, was namensgebend war, das ist nix anderes wie ein alter Stollen, der ist zugewachsen, wir müssen ihn mal wieder freistellen, aber… hintendran, da sind Stollen, als Kinder sind wir da immer reingekrochen, was an sich lebensgefährlich ist, was wir auch normalerweise nicht durften, aber als Jugendliche und Kinder hört man nicht immer drauf, was die Eltern sagen. Man sieht hier den grauen Schiefer, es ist ein Devon-, nein, es ist kein Devon-Schiefer, ist ein Karbon-Schiefer. Und hier wurde Kupfer gegraben, Kupfer und Quecksilber, im Untergrund, hier überall, es gibt auch die Nachbarlage Kupfergrube, was aber ein ganz anderes Terroir ist. Und später hat man… das ist halt in Mundart eine Höhle… und Hermann ist an sich eine Abänderung des Namens Hermes, also der Götterbote, und wenn man so Literatur liest, was im Endeffekt nicht genau belegt wurde, aber was sehr große Wahrscheinlichkeit hat, was man sagt, dass der Berg eine Kultstätte getragen hat, römischen Ursprungs...


TS: Wobei, Hermann könnte ja auch germanisch sein?


HD: …und dem Gott Hermes geweiht. Nein, die alten Aufzeichnungen sprechen immer von „Hermeshöhl“, und selbst meine Großmutter hat noch gesagt, wenn sie über die Weine sprach, „der ist von der Hermeshöhl”. Und aus dem Hermes, Hermes kannten die nicht in ihrem Sprachgebrauch, haben die das eingedeutscht als Hermann.


TS: Oder war das der Vater?


HD: Nein, das hat nix mit meinem Vater zu tun, mein Großvater, die hießen alle Hermann, ich heiß Helmut mit Vornamen… Ich stell mal das Auto hier hin, dann laufen wir ein Stückchen, und beim Laufen können wir ein bisschen darüber berichten.


Ich könnte die Geschichte auch so vergewaltigen, dass ich sage, das ist nach meinem Großvater benannt, wäre auch eine Story, ist aber nicht richtig. Also, der Name ist sehr alt. Und ist wirklich eine Ableitung von Hermes, und die haben dann aus dem Hermes Hermann gemacht. Ist nicht unschick für uns, weil wir Hermann heißen, und gefällt mir natürlich.


TS: Und was war jetzt mit dem unrühmlichen…?


HD:  Ach so, das mit den konfessionellen Sachen? Das hat nix mit Konfession zu tun, hier die Ortschaften sind häufig konfessionell gemischt. Es gibt auch Ortschaften, die rein evangelisch oder rein katholisch sind, da kenn ich die Geschichten auch. Natürlich hat man da auch nicht so gerne untereinander geheiratet. Oberhausen ist aber, was das betrifft, eine relativ liberale Gemeinde. Manchmal führ ich das auch darauf zurück: in den Flusstälern sind immer fremde Menschen durchgegangen, und die waren gewohnt, auch mit anderen Menschen Kontakt zu haben, und haben die nicht als irgendwelche feindliche Bevölkerung angesehen, und haben deshalb das auch nicht so ernst genommen wie manchmal in Regionen, wo nur eine Konfession ist, oder nur eine politische Richtung, oder wie auch immer. Zudem ging durch das Tal ja, hat eine Eisenbahn geführt, die zwar jüngeren Datums ist wie die Hochzeit meines Urgroßvaters, aber das auch, so Eisenbahnen waren ja, wenn man das mit heutigen verkehrspolitischen Sachen sehen würde, wie ein Autobahnanschluss, also, das Tor zur Welt. Oder wie ein Hafen. Was also zu einer gewissen Liberalität geführt hat. Na ja, der Urgroßvater hatte also eine Frau aus Niederhausen, und für mich ist es dann an sich, so wie ich es heute sehe, die wichtigste Urgroßmutter geworden, weil sie die ganzen Weinberge aus ihrem Ort, also aus Niederhausen, mitgebracht hat in die Ehe. Sonst hätten wir auf dieser Seite praktisch keinen Besitz. Und wir sind als Familie in Oberhausen die Familie, die den meisten Weinbergsbesitz auf dieser Seite hat, nicht umgekehrt. Also, so geht manchmal Geschichte.


Also, hier ist natürlich auch noch ein schöner Blick… nicht nur, dass der Berg in der Lage ist, wunderbare Weine zu bringen, es ist ja auch landschaftlich äußerst reizvoll.


TS: Das hilft doch beim Aufstehen morgens auch ein bisschen.


HD: Ja. Also der Blick von hier ist schön, von der anderen Seite ist es auch schön. Ich glaub schon, dass, wenn man in so einer Landschaft groß wird, dass das auch prägt, und man kriegt eine Beziehung zu dem, was in dieser Landschaft passiert, was in der Landschaft wächst, ja.  Also, ich bin nicht groß geworden, und als junger Kerl gesagt, ich werde mal ein großer Weinbauer oder was weiß ich was, im Gegenteil: ich hab das eher gehasst, und hab gedacht: na so’n Scheiß - Entschuldigung. Ich hab noch eine Schwester, und zu dem damaligen Zeitpunkt war das so, also, der Junge macht den Weinbau, und die Schwester kann machen, was sie will. Da war ich immer ein bisschen neidisch, die konnte also grad machen, was sie wollte, und meine Kumpels, die sind dann, ja, haben studiert, und sind so in die Welt gestreut worden, die hatten also eine große Freiheit, sich ihr Leben so auszusuchen, wie sie wollten, und diese Freiheit hatten wir nicht. Ich hatte ja auch einen anderen Freundeskreis hier aus den Ortschaften, die hatten ein ähnliches „Schicksal” wie ich, und mussten also auch grad machen, was die Eltern beschlossen hatten. Und jedenfalls in dem Alter, ich sage mal, zwischen 14 und 18/19, oder noch früher, zwischen 12 und 18/19, nicht immer so gern gemocht.  

Zudem, dass es fürchterlich nach Arbeit aussah - was es auch war - da war der Trugschluss nicht schlecht, und... na ja... später… ich habe das viel später erst angefangen, gern zu haben. An sich, viel, viel später, so… nur damals hat man sich keine Gedanken gemacht, man hat sich gefügt, ja. War so halt. Da war die Alternative auch…, wenn ich das heute mit meinen Kindern diskutiere, die schütteln manchmal den Kopf. Weil, die Alternativen waren auch damals nicht die gleichen wie heute, heute steht ja jedem fast die Welt offen, das war ja zu der Zeit nicht. Wir haben unser Tal hier gesehen, und wenn wir mal nach Mainz gekommen sind, dann war das schon eine Riesensensation.


TS: Und das war dann eine Lehre in Kreuznach?


HD: Ja gut, ich habe dann später zuhause, ich hab ja mitgearbeitet, wir haben ja als Kinder schon mitgearbeitet im Weinbau, also viel groß lernen mussten wir gar nicht. Ich habe also, die normale Lehrzeit dauert zwei, drei Jahre, ich hab ein halbes Jahr in der Weinbauschule in Bad Kreuznach meine Lehrzeit verbracht, und dann noch ein bisschen zuhause, und dann hat der Weinbaulehrer gesagt: “Du, ich melde dich mal zur Prüfung an”. Und dann hab ich nach ganz kurzer Zeit schon, viel kürzer wie das normal ist, meine Prüfung gemacht. Was mir nicht schwergefallen ist, weil viele Arbeiten, die kannte ich ja von Kind auf. Also, wenn Sie da in so einem Betrieb groß werden als Kind, dann brauchen Sie das nicht mehr zu lernen. Was weiß ich, wie Stockarbeiten, ich habe mich immer gewundert, dass andere das lernen mussten. Das hab ich im Schlaf gemacht, das fiel also leicht, das hat uns nicht schwergefallen.


Okay, das war so der Werdegang. Dann habe ich später Weinbau studiert, das hat mir dann unheimlich gut gefallen, weil das dann die große Freiheit war. Da war ich von zuhause weg, ich hab also immer zuhause berichtet, ich wäre also sehr engagiert, und müsste also ständig was lernen, also hätte keine Zeit, zuhause mitzuhelfen. Was also schlichtweg geschwindelt war. Zudem, mein Studium… ich hab ‘68/’69 studiert, was superschön war. Wir haben ständig protestiert, wir wussten immer zwar gar nicht, warum, aber protestieren fanden wir halt geil.


TS: Und wo war das?


HD: In Geisenheim, damals. Und das war damals ja eine kleine… heute studieren da im Jahrgang mal 100 Leute, wir waren sieben, oder 14 teilweise… also, in dieser Zeit war das eine kleine Familie, wenn man das so will.


TS: Aber in Geisenheim waren keine Barrikaden auf der Straße eher?


HD: Nee… Wir haben gesagt, wir protestieren, und dann sind wir an den Rhein gefahren und haben Bier getrunken… das war stiller Protest. Woodstock, ja? Ist ja jetzt so… Musik gehört, und, na ja, lange Haare gehabt… also, wenn ich da daran zurückdenke, denk ich, waren wir da noch ganz normal? Aber es war halt so, na ja.  

Gut, hier steht auch ein Schild, wo das, was ich eben erzählt hab über den Lagennamen, wo das ein bisschen niedergeschrieben ist.

Ob nun Hermes oder Hermann als Namenspatron, ohne Schild ist alles nix - die Einzellage Hermannshöhle


OK, also wir stehen jetzt so mittendrin, also ist das fast das Herzstück, weil hier ist genau Süd. Also, das ist ja so ein Kegel, dieser Berg hier. Also, es ist ganz schön, die Sonne geht hier auf, marschiert so richtig rundherum, und geht hier unter. Also hat der immer Sonne, irgendwie ist es immer sehr schön. Werde ich oft gefragt: „Ist es unten besser oder ist es oben besser?” Hängt also ganz stark von den Jahrgängen ab, wie die Niederschläge fallen. Also in trocken-heißen Jahren ist häufig der untere Teil bevorteilt, weil dann die Wasserführung im unteren Teil unter Umständen ein bisschen besser ist. Und in feuchteren Jahren ist der obere Teil, also diese Seite, von Vorteil, weil es schneller abtrocknet, und die Gefahr von Fäulnis nicht so groß ist. Aber insgesamt gesehen ist es so, dass also hier dieser Weinberg schon immer für die ortsansässige Bevölkerung, und darüber hinaus auch, schon eine besondere Bedeutung hatte. Also es gibt sogar so im Ort bei uns zuhause, wenn die Nachbarn - wir laufen noch ein Stückchen weiter - einen besonders guten Wein hatten, dann haben sie gesagt, „der ist genauso gut wie die Hermannshöhle“, also sozusagen ein Synonym für „gut”. Und man hat natürlich immer besonderen Ehrgeiz gehabt, hier auch ein Stück Land zu besitzen. Aber es gibt an sich für die berühmten Lagennamen, zumindest in der Generation meines Vaters und meines Großvaters, da gab‘s keinen Markt. Das wurde nicht verkauft. Es wurde vererbt, wenn man was hatte, hat man‘s geerbt, oder man hatte halt nix. Es sei denn, irgendjemand ist gestorben, und die Erben haben das nicht weitergemacht, und haben das verkauft. Aber das kommt ja jetzt nicht alle 14 Tage vor. Ich habe mich immer um diesen Weinberg bemüht, bzw. solange ich mich erinnern kann, dass ich Wein probiert habe, war das immer etwas Besonderes, wenn der mit auf dem Tisch stand, hat mich dann auch in einer besonderen Art interessiert. Zudem hier auch wirklich die Betriebe, die hier Besitz haben, ja auch verstanden haben, wie man Wein ausbaut.


TS: Da gab‘s ja hier auch schon eine gewisse Historie - also auch vor dem Großvater schon.


HD: Ja klar, dieser Weinberg, von den Dokumenten her, zählt zu dem Rebland, was immer schon als Rebland, und als hochwertiges Rebland, dokumentiert wurde. Schwer zu sagen, wann der Weinbau hier begann. Wahrscheinlich hat er römische Wurzeln, wie auch der Name mit Hermanns. Aber es gibt jetzt keine schriftlichen Dokumente, wo beschrieben ist, dass exakt hier Wein angebaut wurde.


Da gibt‘s ja die Ortschaften, hier auch Norheim und so, die auch darauf verweisen, dass sie mit die ältesten Gemeinden hier sind an der Nahe, und das ist dokumentiert, ich glaube, so um 750 herum gibt‘s die ersten schriftlichen Dokumente, wo Weinbergsgrundstücke gehandelt wurden zwischen den Bischöfen in Mainz und den Grafen in Sponheim. Auf dem Rückweg erzähl ich noch etwas intensiver über die einzelnen Flächen hier. Das ist erst mal ein Grundabriss. Um einen Weinberg zu verstehen, muss man auch die Geschichte ein bisschen kennen. Also, das ist ja ein Zusammenspiel, was wir später als Weine kennenlernen, die uns beeindrucken, da gehört auch eine Story dazu. Es geht nicht nur drum, dass einer der besonders opulenteste ist, oder der süßeste, oder der komplexeste. Sondern ein Wein, der für mich ein großer Wein ist, muss auch das Land, in dem er gewachsen ist, repräsentieren. Umso besser er das macht, umso größer ist für mich ein Wein, und umso interessanter ist er für mich. Genau wie verschiedene Musiker, manche Musik gefällt mir besser und schlechter. Aber es muss zu erkennen sein, von wem sie kommt. Ich habe schon oft gesagt, „der liebe Gott hat die Partitur geschrieben, wir interpretieren sie nur. Wir spielen sie mal schneller, mal schlechter, wir dürfen sie aber nicht verfälschen”.


Und wenn man hier Weinberge hat, hat man, glaub ich, auch eine historische Verantwortung. In den wichtigen Lagen, dann steht man ja in der Tradition der Generationen vor uns, die diese Weine berühmt gemacht haben, in die Welt getragen haben. Und dem muss man ein klein bisschen auch gerecht werden. Manchmal war ich auch schon neidisch auf die Kollegen, die in der neuen Weinwelt - Australien, Neuseeland, oder den amerikanischen Regionen - angefangen haben, Wein zu machen, die vollkommen frei waren. Die nicht traditionsbelastet waren, die einfach machen konnten, wie sie wollten. Das hat auch seinen Reiz. Allerdings bin ich in meinem Herzen viel mehr Europäer. Also, diese Geschichte hat mich auch immer fasziniert. Ich bin ja immer mit leuchtenden Augen durch Burgund gefahren, durch die französischen, berühmten Weinbauregionen, hab mir dann die Weinberge angeschaut. Das kenn ich bis heute von meinen Kollegen, die ich hoch schätze - wir wollen immer den Wingert sehen. Also wenn wir Wein probieren, gehört für mich dazu, „wo ist der denn gewachsen, und wer hat ihn gemacht, und von welchem Jahr ist er?“ Das sind so diese Grundlagen, die ich wissen will, bevor und wenn ich einen Wein beurteile. Erst dann kann ich ihn richtig beurteilen.


Ich bin nicht fasziniert von Weinen, wo die Herkunft nicht klar ist. Das können tolle Weine sein, die schmecken mir auch gut, da habe ich überhaupt kein Problem mit. Es wäre eine Anmaßung, zu sagen, „das ist kein guter Wein”, mir sagen die nur nicht viel. Das ist für mich ein künstliches Produkt, sozusagen halbwegs, ja? Sondern, es ist kombiniert aus verschiedenen Sachen. Und wenn ich die Herkunft nicht weiß, habe ich so häufig meine Probleme. Für die großen Weine will ich die Herkunft wissen. Und in dem alten Gefühl, mal hinfahren und gucken… das genieß ich auch, wenn ich mit jemand unterwegs bin, oder irgendwann hat mal jemand in der Welt mal einen Wein von uns getrunken, und hat uns dann berichtet, dass er da Spaß damit hatte, und dass er den gut fand, dann will ich mit dem hinfahren und sagen, „genau hier ist er gewachsen”. Und das ist schon was sehr Wichtiges.


TS: Ich mach das auch ganz gerne, mir ein Fahrrad mitzunehmen. Also, ich war hier vor zehn, fünfzehn Jahren das erste Mal durchgefahren, oder vor zwei Wochen im Burgund, und dann halt „ach…ach so!”


HD: Meine Frau erklärt mich manchmal für ein bisschen bescheuert, wenn ich da aussteige in einer Region, und interessanterweise sind die Weinregionen ja kulturell und landschaftlich schöne Regionen, kulturträchtige Regionen. Man fährt da gerne hin. Außerdem gibt‘s da häufig gut zu essen… zu trinken sowieso… (lacht)


Und, wenn ich da aussteige, in einer Region: ich saug die Luft so in mich auf, wenn ich das eine Zeit lang spüre und betrachte, dann weiß ich, wie der Wein dort zu schmecken hat. Und wenn ich dann einen Wein probiere, dann sage ich, „Logisch! Der kann gar nicht anders sein!” Und das spielt also auch eine große Rolle… es ist also, wenn wir uns darüber unterhalten, warum ein Wein aus diesem Weinberg so schmeckt, und ein Wein aus einem anderen Weinberg anders schmeckt, das ist nicht nur der Boden, das ist alles rundherum. Wenn auch Trauben über den ganzen Sommer in einer gewissen Atmosphäre hängen, ein gewisser Geruch, jede Landschaft hat ihren eigenen Geruch, dann nehmen die das auf, und das prägt ja eine Frucht. Das alles zusammen, sagen wir, ist das Terroir, aber es ist zu kurz gesprungen, dass man sagt, es ist nur der Boden. Es ist alles zusammen, wie die Luft da ist, und wie sich das anfühlt. Und ich lass auch, wenn ich draußen bin, wenn ich Weinberge, ich sage mal, für mich einschätze, ich lass das auf mich wirken. Ich bin häufig draußen, einfach nur ganz allein, ohne was zu arbeiten. Auch mal morgens ganz früh, oder abends ganz spät, und lass das so auf mich wirken, um einen Berg auch zu verstehen. Ich habe in meinem Leben das Glück gehabt, dass ich einige berühmte Weinberge dazu erwerben konnte, von denen ich als junger Mensch geträumt habe, und mir gar nicht vorstellen konnte, dass die mal zu uns gehören und dass ich mit ihnen arbeiten kann. Aber ich hab immer auch gesagt, ich brauch, ich sag mal, schlichtweg zehn Jahre, um einen Weinberg richtig zu verstehen. Wie ich mit ihm umgehen muss. Also, es sind Kinder, und ich muss erstmal sehen, was hat der für ein Talent? Wie geht das? Also hier z.B., also hier endet die Hermannshöhle übrigens, da ist Schluss.


Und das geht jetzt hier weiter, das ist an sich von der Landschaft auch schön. Nächster Lagenname ist Niederhausen, die Klamm, und Kertz. Auch wichtige Lagennamen, die tolle Weine bringen, aber ein anderes Talent haben wie hier. Hier dreht also jetzt, wenn die Kurve schon rum ist, da ist das eine andere Sonnenexposition, ja, logisch. Hier um die Ecke ist es, ja, wenn man so will, Osthang. Übrigens war früher hier alles bestockt, komplett. Also in meiner Jugend, weiß ich noch, dass hier nirgends Sträucher standen, das war alles Weinbau. Und das ist auch so eine Geschichte einfach, dass, beginnend Ausgang der 50er Jahre, in den 60er Jahren, und dann in den 70er Jahren war es ganz ausgeprägt, Weinberge, die schwer zu bewirtschaften waren, nicht mehr weitergemacht wurden, weil sie häufig geringe Erträge bringen, und man muss schon einen hohen Preis erzielen, um das überhaupt zu rechtfertigen. Und viele ältere Winzer, die haben das so lange gemacht, die haben die einfach ihr Leben lang gemacht, aber wie sie nicht mehr konnten, haben die Kinder häufig das nicht mehr weitergeführt. Schade. Und heute sind, wie man hier sieht, auch Flächen, die einfach der Natur sozusagen zurückgegeben wurden. Was also auch nicht so dramatisch ist. Es ist auch…, von der ganzen biologischen Vielfalt in der Landschaft, muss ich sagen, leben wir hier in einem kleinen Paradies. Das hör ich immer auch von Biologen, von Leuten, die sich überhaupt mit der Natur befassen, was also Schmetterlinge betrifft, was Kleinlebewesen betrifft, was die Vielfalt an Pflanzen betrifft. Viele Flächen hier, die sind ja in den letzten 50 Jahren gar nicht mehr betreten worden, ja? Monokultur ist hier nicht notwendig. Das ist ein Wechselspiel zwischen den bewirtschafteten Flächen des Weinbaus, und wieder schwierigem Gelände, die sich auf natürliche Art wieder bewaldet haben, und das ist also ganz schön.

Klamm Niederhausen

Also, das ist hier jetzt Klamm Niederhausen, da haben wir auch einige sehr schöne Grundstücke, die wir auch in den letzten Jahren wieder rekultiviert haben, weil sie teilweise auch brach gefallen waren, oder nicht mehr bebaut wurden. Von der Qualität her auch sehr gut, aber ein anderer Typ wie die Hermannshöhle. Weil, man sieht hier, die Felsen, das ist mehr vulkanischer Porphyr, Lemberg-Porphyr. Hier ist Schiefer nur wenig zu finden, wenn, dann ist er häufig mal angefahren worden, aber hier, es prägen sehr viel stärker die Porphyr-Böden.


Also, wir gehen mal zurück, und erzählen dann noch zur Hermannshöhle, weil, das ist doch sehr viel wichtiger, und mich prägender wie diese Weinberge.


TS: Wobei der Zeilenverlauf ja schon relativ unterschiedlich ist dort drüben.


HD: Ah ja, gut, der Zeilenverlauf richtet sich sehr stark nach der Hangrichtung, dass man überhaupt arbeiten kann drin. Das sind ja Zeilen, die hierher, sind westorientiert, und dann sind Zeilen, die sind genau südorientiert. Das wird man hier in der Landschaft häufig sehen, je nachdem wie die Hang-, die Falllinie ist. Wie man arbeiten kann. Querbau findet man hier nur ganz selten. Ist in den letzten fünfzehn Jahren ein bisschen gemacht worden, aber historisch hat der Querbau hier keine Bedeutung, bis auf ganz einzelne Stellen, wo Mauern sind. Was man dort vorne sieht, da ist ein bisschen Querbau, aber das ist eher die große Ausnahme, weil die Besitzverhältnisse häufig in der Falllinie sind. Und, dann auch, nächste Sache ist, hier im Untergrund, man sieht ja überall, der Untergrund ist sehr felsig, ja. Und da drüber kann man keine Terrassen reinbauen, das geht nicht. Übrigens, da sieht man mal, wie Pflanzen sich versorgen. Normal dürfte hier überhaupt nix wachsen, ja, aber der lebt schon länger wie wir, mit praktisch einem Wasserangebot, was es normalerweise gar nicht gibt. Das ist manchmal erstaunlich. Und genau das ist ja das, was Reben machen, die sich in schwierigem Gelände in Felsspalten reinwachsen, und an Wasser kommen, wo jeder sagen würde, „Unmöglich! Wie soll das gehen?“


"Ein Wasserangebot, was es normalerweise gar nicht gibt“. Wie wundervoll ist das überhaupt?

Pflanzen, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Und nur mit der nötigen Hingabe, der stetigen Auseinandersetzung, harten Arbeit und Pflege, immer wieder Pflege, entstehen am Ende die großartigsten Getränke, die sich finden lassen.


So, hier dreht‘s dann rum, und hier ist es mehr offen nach Süden/Südwesten, ja? Und jetzt, dieser Berg hat ein bisschen Besonderheiten auch, da unten hab ich Ihnen gezeigt: ein Gros der Hermannshöhle, der absolut überwiegende Teil ist geprägt durch Schiefer-Verwitterung. Aber hier in diesem Bereich, da ist der Übergang, die Felsen hier, das sind ja vulkanische Felsen. Hier sieht man das, da sind so Inseln drin, vulkanische Inseln, wo Eruptivgestein zu Tage getreten ist, und verwittert ist. Also das gehört uns, das ganze Stück hier, bis da vorne hin, und hier oben. Man sieht hier Bewässerung, das ist eine Besonderheit von diesem Jahr, das haben wir nie gemacht. Aber dieses Jahr, vor vier Wochen, war es ja derart brutal… und das sind junge Anlagen, und um die zu unterstützen, und damit sie vernünftig groß werden, haben wir die beregnet, also mit Tröpfchenberegnung. Das ist kein Standard, ist also beschränkt auf junge Anlagen.


TS: Da gibt‘s ja auch diverse Glaubenskriege zu.


HD: Ja, also wir haben, was Beregnung betrifft, oder künstliche Bewässerung, haben wir eine wirklich lange Erfahrung. Ich persönlich seit neunzehnhundert… ich bin ´49 geboren… von Kindesbeinen an. Also, hier wurde 1953 in das Nachbarweingut - das war ja damals noch staatlicher Besitz, Staatliche Weinbaudomäne Niederhausen Schloss Böckelheim - wurde eine Beregnungsanlage erstellt, wo mein Vater beteiligt war, ganz von Anfang an, auch an der Brücke, und was um das Gebäude liegt. Und zwar ursprünglich als Frostschutz, wie man das in Südtirol macht, dass, wenn im Mai - und da haben wir immer mal mit zu kämpfen - wenn die so lang sind, und dann Fröste angesagt sind, und da kann man ja mit ständiger Beregnung, ja, Frostschutzmaßnahme betreiben. Das ist zwar schizophren, manche denken wohl, „da wird‘s ja noch viel kälter”, aber wenn man immer Wasser drüber bringt, beim Gefrieren, wird Wärme frei sozusagen, und so kann man die schützen. Hat aber im Nachhinein nicht so gut funktioniert, weil zu dem Zeitpunkt, als der Frost kam, die Reben häufig noch zu klein waren. Und man braucht ein bisschen Blatt, also so 5-Mark-Stück-groß. Und häufig waren die zu klein. Das wusste man bei dem Bau der Beregnungsanlage nicht, hat man erst in den Jahren darauf - das war 1957 und 1959, als in beiden Jahren auch Maifröste waren, unterschiedlich stark, insbesondere ´57 war sehr stark - gelernt, dass es teilweise nicht funktioniert. Da hat man sogar Schäden mit gemacht.


Trotzdem hat man die Beregnung dann weiterverfolgt. Und 1964 war ein extrem trockener Sommer. Das war so die Zeit, wo ich schon mitgearbeitet habe, da war ich 15 Jahre alt, aber da musste ich helfen. Hat mir zwar gestunken, aber, ich hab‘s gut in Erinnerung, hab‘s gehasst, weil es ein schöner Sommer war, die ganzen Kumpels gingen ins Schwimmbad oder in die Nahe, und ich musste mit in den Wingert! Und da war es extrem trocken, da war es viel trockener noch wie heute, also in dem Sommer hier. Und dann hat man dann massiv die Beregnung aufgebaut. Da wurde dieser ganze Berg, bis dort, wo wir waren an der Ecke, bis ganz in die Spitze, und bis Richtung Schloss Böckelheim, alles über Überkronenberegnung bewässert.


Die Beregnungsgesellschaft - das war eine Gemeinschaft, die Kollegen mussten alle mitmachen, sonst hätte das ja nicht funktioniert - war so stark, wir konnten das komplette Wasser der Nahe übernehmen. Dann haben irgendwann die Wasserschutzleute gesagt, „Also, das ist ein bisschen heftig!”. Und das wurde dann Zug um Zug zurückgefahren, also, die Wasserrechte wurden nicht mehr so erteilt, wie es vielleicht notwendig gewesen wäre, zudem die Überkronenberegnung zu viel Wasser gebraucht hat.


Und dann haben wir festgestellt, über diese ganze lange Zeit, wo wir mitgemacht haben, dass das Resultat so war, dass wir es nicht weiterverfolgt haben. Warum? Man hat die Reben verwöhnt mit Wasser. Die Erträge sind gestiegen, aber die Qualität nicht analog. Logisch, wenn die Wurzeln Wasser von oben kriegen, dann haben die gar keine Lust, nach unten zu gehen - warum auch? Dann hat man sie richtig verwöhnt, man musste dann immer weiter beregnen, man konnte da gar nicht aufhören. Und wir haben dann gemerkt, also in den Flächen, die Nachbarparzellen, wo wir nichts gemacht hatten, die waren nachher von dem Wein her an sich irgendwie tiefer. Was dazu geführt hat, dass man gesagt hat, lieber nehmen wir ja mal ein Jahr in einem Jahrzehnt in Kauf, dass die Reben nicht die beste Qualität bringen, weil es zu trocken ist, aber die restlichen neun sind gut.


Was dazu geführt hat, dass wir Zug um Zug die Beregnung zurückgebaut haben, und heute ohne Beregnung auch klarkommen. Jetzt natürlich, die letzten Jahre, das ist auch ein bisschen die Diskussion, mein Sohn mit mir, und mit den jungen Leuten, mit der jungen Generation… wir wissen natürlich nicht, wie die Zukunft sich entwickelt. Inwieweit Trockenheit vielleicht ein Thema werden wird, inwieweit man ein bisschen wieder mit einer gezielteren Beregnung, Tröpfchenberegnung, was man ja machen kann im Weinbau, einen Effekt erzielen kann. Aber gut, das wird die Zukunft zeigen. Ich persönlich glaube, dass es immer wieder trockene Jahre gibt, aber auch viele Jahre, wo es nicht notwendig ist.


Irgendwoher glaubt man, Ennio Morricones Musik und Ernst Wilhelm Borchert, DIE Synchronstimme für Henry Fonda zu hören.

„Niemand weiß, was die Zukunft bringt“.

Wir laufen weiter über die verschiedenen Wirtschaftswege der Hermannshöhle.



Hier ist jetzt schon ein ganz anderer Boden, man kann das jetzt sehen hier. Das hat nix mit da vorne zu tun. Hier, wo dieser graue Schiefer kommt. Das ist natürlich jetzt hier obendrauf verwittert. Weiter unten, wenn man weiter runter in den Untergrund geht, das ist ein Tonschiefer, der verwittert. Das ist also nicht wie vulkanischer Stein, den kann ich brechen… jetzt gelingt mir das nicht, also Vorführeffekt ist da. Da findet man auch Fossilien. Jetzt gelingt mir das nicht, also das ist wirklich ein Vorführeffekt! Normal, die Plättchen kann man brechen, deshalb verwittern die auch so stark… ah, siehste, ich hab‘s durchgebrochen! Wenn Sie so ein Steinchen, oder einen Stein, ins Wasser legen und wiegen, dann ist der am nächsten Tag schwerer wie am Tag zuvor, weil Wasser eindringt. Deshalb gibt‘s auch z.B. hier, wenn Sie auf die Ortschaften schauen, sieht ja das Ortsbild mediterraner aus. An der Mosel, wenn Sie in den Ort schauen, da ist alles schwarz, das sind die schiefergedeckten Dächer. Dieser Schiefer ist ölhaltiger und nimmt kein Wasser auf – gibt‘s hier nicht. Und hier ist das also gebrannter Ton. Man kann jetzt nicht sagen, das ist besser oder schlechter für Reben, es sind bestimmte Bodenformationen. Diese Schiefer nennt man auch Karbon-Schiefer. Dieser Berg hier im Hintergrund ist der Leistenberg, und hier, und in Norheim findet man das auch.


Ich bin mal mit einem Geologen spazieren gegangen, das ist schon was Besonderes. Das sind die sogenannten Tholeyer Schichten aus dem Saarland, ja. Da sag ich, ja, in Kriegszeiten haben die, und auch am Leistenberg, und hier unten am Fuß, Kohle geschürft. Also, das sind keine Kohlevorkommen, wie man sich das heute vorstellt, aber es gibt Stellen, wo Karbon, also brennbares Material gefunden wurde. Und von den Weinen her hat man schon immer gesagt, Rieslinge, die auf so Böden wachsen, können unwahrscheinlich komplexe Weine bringen. Fast ein bisschen vornehm in ihrer Art. Also nicht fett und sowas, schon kraftvoll, aber nicht opulent und breit. Insofern hat hier das, die Weine in ihrer Art, haben eine gewisse Verwandtschaft zur Saar - fast noch mehr wie zur Mosel.


TS: Die Reben sind unterschiedlich alt?


HD: Ja. Also, das gehört uns auch, immer, wo so ein roter Stickel ist. Hier gehört uns der ganze Berg, bis um die Ecke. Die Reben leben zwar sehr lang, ja, aber nicht ewig. Man braucht einen Umtriebsplan. Also, normalerweise hätte ich in meinem Leben überhaupt keine neue Reben pflanzen brauchen. An sich, vom Wein her, der wäre nicht schlechter geworden. Ich hätte zwar weniger geerntet mit der Zeit, aber qualitativ unter Umständen sogar besser - nicht schlechter, sagen wir mal so. Aber mein Sohn hätte die Arschkarte gezogen, sozusagen „reiche Väter, arme Söhne“. Irgendwann hätte der alles neu pflanzen müssen. Das wäre auch für die Zukunft eines Weingutes eine Katastrophe. Das macht man nicht, das ist verantwortungslos. Also, man macht einen Plan, wie lange leben die Reben? Und tut dann analog immer einen Teil neu pflanzen. Also, das Finanzamt schreibt die Reben in 30 Jahren ab. Und das Finanzamt weiß ja immer alles bestens, ja. Aber die Reben leben schon ein bisschen länger wie 30 Jahre. Also, wir versuchen natürlich, sie so lange zu erhalten, wie wir können. Irgendwann ist natürlich auch Ende. Hier ist überall die Phylloxera in den 20er Jahren schon gekommen, Reblaus. An der ganzen Nahe. Und es gibt keine Böden, wo Phylloxera nicht da ist, d.h. in den 20er Jahren, also zwischen den beiden Weltkriegen, wurde schon begonnen, den Rebbau auf gepfropfte Reben umzustellen. Im Gegensatz zur Mosel, wo es ein paar Gemarkungen gibt, wo bis heute keine Phylloxera angekommen ist, bzw. im Boden nicht leben kann, war das hier, analog wie alle anderen europäischen Weinbaugebiete, irgendwann war sie da, musste umgestellt werden. Heute steht vielfach schon die zweite oder dritte Generation von Pfropfreben. Also, 1920 bis heute wäre ja auch schon eine lange Zeit, 100 Jahre. Die ältesten, die wir haben, zeig ich Ihnen gleich, die sind 1949 gepflanzt - also, ich bin ´49 geboren - nach dem Zweiten Weltkrieg von meinem Vater gepflanzt worden, in dem Jahr, wo ich auf die Welt kam. Ich hab also sozusagen immer mit denen Geburtstag. Und wir machen es so, wir kalkulieren mindestens 40 oder 50 Jahre. Aber als Sicherheit sagt man, etwa 1/40 pflanzt man jedes Jahr neu. Und damit bleibt der Betrieb immer gleich, vom Alter seiner Bestände. Aber da macht man nicht einen Weinberg komplett platt, und dann den anderen platt, sondern innerhalb des Berges hat man verschiedene Altersstufen.


Und da wird mal da ein Stück, wo man sieht, OK, die nähern sich jetzt langsam dem Ende zu, das wird neu gepflanzt. Und dann hat man die ersten Jahre, wird das gekeltert als Gutswein, oder als Riesling, der nicht unbedingt jetzt dann zu den Großen Gewächsen zählt - wobei es manchmal Jahre gibt, dass auch junge Reben absolute Top-Qualität bringen, bin ganz verblüfft. Und dann so nach zehn Jahren geht’s so langsam los, dass die in das Alter kommen, wo man sie als Erwachsene akzeptiert. Und die nächsten Jahre sind das die wichtigen Weinberge. Und dann, wenn sie so über 40 Jahre, 50 Jahre alt werden, dann fehlt mal da ein Stock, und da ein Stock, den versucht man dann schon zu ersetzen, wenn die Anlagen und so schön sind. Aber irgendwann muss man dann sich doch entscheiden, irgendwann was neu zu machen. Und so handhaben wir das. Hier im Berg sind alle Altersstufen vertreten. Also hier das z.B. auf der rechten Seite, die sind gepflanzt worden Mitte der 50er Jahre. Wobei, das sieht man auch, da ist mal ein Stock kaputtgegangen, wurde ein neuer gepflanzt. Weil die Anlage insgesamt noch lückenlos ist, versuchen wir natürlich, die so zu erhalten, damit… na, das wär schade.


TS: Es gibt dann keine Versuchung, zu sagen: OK, wir machen jetzt innerhalb der Lage nochmal Alte Reben oder nochmal…?


HD: Haben wir auch schon gemacht, also da vorne… also, hier, die sind jetzt im besten Alter, würde ich mal sagen, die sind jetzt 35 Jahre alt, also zwischen 30 und 40 Jahre. Aber das ist natürlich Zukunft noch, das ist… da denkt man nicht an Erneuern, im Gegenteil, ich wäre froh, wir hätten lauter solche, die wären genau richtig. Wir haben das auch schon separat gelesen.

Auch hier im Berg gibt‘s Unterschiede. Riesling hat ja zwei große Talente, wie ihr wisst. Die trockenen Weine, die die letzten 20 Jahre auf Amazon (sic!) eine große Bedeutung gewonnen haben, wo wir so viel Spaß dran haben, wo wir gar nicht so ernst genommen haben in meiner Jugend - zwar immer trockene Weine erzeugt, aber die Welt hat sich nicht so sehr interessiert für die trockenen Weine. Das ist erst die letzten Jahre gekommen.


TS: Und dann hat der Pieroth euch gerettet.


HD: Ja, ja… Ich hatte ja nie was mit Pieroth zu tun, nebenbei gesagt…


TS: Ich meinte, die Aufregung drumherum.


HD: Hier, diese Zeile, die war alt, die ist jetzt vor zehn Jahren neu gepflanzt worden; deshalb ist auch die Beregnung noch da drin. Während hier rüber, da haben wir nur die Beregnungsrohre drin, weil da so viele neue Stöcke gepflanzt wurden dazwischen; die ist sehr viel älter. Die ist auch so Mitte, Ende der 50er Jahre, glaub ich, gepflanzt.


Ja gut, wie dann diese ganzen Skandale waren - Zucker, Glykol-Skandal - das war ja doch eine bewegte Zeit, Mitte der 80er Jahre, wo auf einmal viele Weinleute, Weintrinker, auf einmal den trockenen Weinen mehr zugetraut haben als den süßen Weinen. Fast ein bisschen zu abrupte Bremsung, sag ich mal. Wo dann auf einmal trocken ein Synonym wurde für Natur, sozusagen, für ehrlich, was Unsinn ist, aber so ein diffuses Gefühl erzeugt.


Und alles, was süß war, eine gewisse Süße hatte, das war so halbseiden, ja? Wobei früher das süße Leben ja das schöne Leben war, und das saure Los war ja nix, gell? Das ist aber, wenn man sich über Riesling unterhält, an sich… das ist ein bisschen Unfug. Weil, der Riesling hat diese beiden großen Talente: kann wunderbare trockene Weine bringen, und auf der anderen Seite auch Weine mit Süße, die diese schöne Balance haben zwischen Säure und Süße, die grandios sind, und die mit keiner anderen Rebsorte in dieser Art zu finden sind. Es ist viel mehr eine Frage, was mag ich, oder zu welcher Gelegenheit trink ich das…


Und der Berg…, es gibt ja jetzt Weinberge, die ich habe, wo ich sage, die haben mehr Talent für trockene Weine, und andere Weinberge, wo ich sage, an sich sind da die restsüßen Weine die größeren Weine. Und das versuchen wir auch zu machen, indem wir sagen, OK, in diesem Berg erzeugen wir primär die trockenen Weine, und nur in Ausnahmefällen mal - wenn Botrytis kommt - einen edelsüßen Wein. Und in anderen Weinbergen, sagen wir, an sich schmecken hier die Rieslinge, die hier wachsen, fast schöner, wenn sie nicht ganz trocken sind. So hat sich… deshalb auch die zehn Jahre, wo ich gesagt hab, ich brauch zehn Jahre, um einen Weinberg zu kapieren, was ist denn überhaupt das Beste hier. Also, das steht nicht als Schild im Weinberg drin, das muss man selbst herausfinden.


TS: Und manche davon können ja offensichtlich dann doch auch beides.


HD: Ja. Und hier, dieser Weinberg hat also, ich glaub, das Talent für beides. Und er ist auch in seinem Image mit beiden Stilrichtungen groß geworden, ja. In meiner Jugend noch stärker mit den edelsüßen Weinen, es gibt auch historisch aus den 20er Jahren, und davor, schon Trockenbeerenauslesen, über die berichtet wurde. Damals hat man über diese Weine natürlich sehr viel mehr berichtet, wie über einen trockenen Wein, aber auch immer wieder Weine, die also zu Ende gegoren waren, und trotzdem für Aufsehen gesorgt haben, und dann hab ich immer auch geschaut, wo ist was am schönsten?


Übrigens, wir waren da unten, wo diese vulkanischen Adern sind… Ich hab das Gefühl, dass dieses Teilstück, und das machen wir auch, seitdem ich hier zuhause bin, mehr diese Stilrichtung der restsüßen Weine... sie haben irgendwie eine andere Art der Säure, was sich wunderschön mit der Süße in Balance hält - großartige Weine. Und während hier in diesem Bereich hier vor, zu uns, insbesondere da vorne, da haben wir unsere ganz alten Bestände. Da haben wir tendenziell mehr die trockenen geerntet. Wobei die trockenen heute eine viel größere Rolle spielen, wie die restsüßen, aber, solange ich was zu sagen habe, oder solange wir mit dem Weinberg arbeiten, wird es ganz sicher immer hier auch - wenn das Jahr es erlaubt - restsüße Weine geben, auf jeden Fall.

Übrigens, hier, da ist so ein Stück drin, da waren Bestände, nur diese drei Zeilen, die waren schon sehr alt. Die waren auch nicht mehr, ich sag mal, nicht mehr sinnvoll weiter zu betreiben, und die haben wir vor vier Jahren, umgeswitched, also umgerodet, und neue an… und weiter vorne, da ist ein Teilstück, das gehört uns nicht, während da oben, das gehört uns alles. Das sind unsere ältesten Bestände hier. Und hier haben wir, seitdem auch die trockenen Weine, ja, so viel Öffentlichkeit gewonnen haben, auch unsere trockenen Weine geerntet. Auch da unten, schon, aber weiter unten wieder eher in die süße Richtung. Sie sehen ja, wir sind gleich alt, so sieht man aus, wenn man 70 ist, haha. Das Stück davor.


Und hier ist natürlich auch… hier, „for the gain“, das Ding. Das fasziniert mich natürlich auch…wenn man überlegt, was so ein Rebstock, also, wieviele Generationen Menschen da geschnitten haben! Also, vor jedem Rebstock steht ja im Frühling, oder im Winter, steht einer da, und beschneidet das. Also, schneidet das alte Holz weg. Das ist sowieso, alle meine Kollegen sagen mir das auch immer, mit die schönste Arbeit des Jahres. Weil das etwas Strategisches hat. Oder wie, ja, Architektur. Pflanzenarchitektur. Man macht sich seine Gedanken, die Pflanze ist so und so gewachsen, wie mach ich das jetzt? Also, was trau ich der zu? Was will ich haben von ihr? Und das im Grunde genommen bei jedem Stock. Das ist nix Monotones, dass man einfach da hingeht, und, ja, „das schneiden wir ab, und das lassen wir stehen“, sondern, da fließt die ganze Erinnerung, die man von einem Weinberg hat, das letzte Jahr ist natürlich am prägendsten, weil es am nächsten noch in der Erinnerung ist, aber nicht nur das, sondern die Erinnerung an viele Jahrgänge  zuvor, wo man mit den Reben zusammengearbeitet hat, und dann auch die Weine im Kopf hat… und da macht man sich so seine Gedanken, und schneidet das. Und an so einem Stock, da haben ja etliche Generationen… die beinhalten die Erinnerungen von so einem Stock - das ist eine Faszination! Das lebt, also…wirklich.



Und hier, diese alten Bestände, sehen jetzt ein bisschen zerzaust aus, weil wir relativ lange warten, bis wir das Laub wegnehmen, die haben natürlich keine so Probleme, wenn es trocken wird. Da ist das Wurzelwerk so ausgeprägt, dass da so schnell nix passiert. Auch so im Sommer, das macht denen nix. Wobei, dieses Jahr hatten wir ein anderes Phänomen - Sie werden es ja überall mitkriegen - wo die Einstrahlung so hoch war, dass also doch, da sieht man es ja auch, Sonnenbrandschäden, in dieser Form - und ich hab ja jetzt 50 Jahre hinter mir Weinbau - hab ich nicht gesehen. Ich hab‘s immer mal gesehen, aber soviel wie dieses Jahr hab ich‘s noch nie gesehen. Hier: die sind einfach verbrannt, von der Sonne, von der Einstrahlung. Das war ja teilweise über 40 Grad, und hier in der Sonne wahrscheinlich noch viel mehr. Man hängt natürlich kein Thermometer hin, und das ist schon…, sowas, so ein Bild, wie hier an diesem Stock, ist mir total neu.

"Das lebt. Wirklich.“

Und wie er selbst hier auflebt.

Wie animiert seine Augen springen, die Hände tanzen, wie zärtlich er immer wieder von „seinen“ Stöcken spricht.

Man beginnt zu verstehen, was diesen Beruf ausmacht, wenn man es in sich findet, sich ihm wirklich hinzugeben.


TS: Und mit der Beschattung von dem Laub kann man da noch ein bisschen gegensteuern, oder?


HD: Ja, klar. Wo die Trauben freier hängen ist natürlich die Gefahr sehr viel größer. Aber was wir dieses Jahr gesehen haben, selbst hier, das ist beschattet. Hier, guck, trotzdem. Es waren wohl Temperaturen da, selbst unterm Laub, da kann man jetzt nicht sagen, der hängt in der Sonne… Temperaturen da, die je nach Entwicklungsstand der Beeren, für die Beeren eine Katastrophe waren. Wobei, jetzt, im Nachhinein, muss man sagen, es ist fast eine künstliche… der Fruchtansatz dieses Jahr war gut, teilweise sehr gut. Also, es ist eine natürliche Ausdünnung, eine natürliche Ertragsreduzierung. Sieht zwar nicht so schön aus, aber der Effekt, ist exakt, ist das. Es hat einen Nachteil jetzt, wir kriegen eine große Arbeit in der Weinlese, wir müssen das nämlich raussortieren. Also, es wird aufwendig, das wissen wir jetzt schon. Von der Problematik mit Fäulnis, man hat, das sieht manchmal ähnlich aus wie hier, wenn man Hagel hat, ja? Das ist ähnlich. Wenn wer keine Ahnung hat, der sagt, das ist das Gleiche. Übrigens, hier war auch ein bisschen Hagel, da ist eine Beere mit Hagel. Da ist also ein Hagelkorn draufgefallen, das sieht man. Das hat nix mit Verbrennungen zu tun.


TS: Also, was so aufgeplatzt ist.


HD: Ja ja… oder hier. Das ist nicht viel hier, das ist nur sporadisch, und spielt an sich für den späteren Ertrag überhaupt keine Rolle. Aber ich will nur mal das unterschiedliche Bild zeigen. Oder hier, also, wie so eingeschlagen, das ist dann Hagel. Aber Hagel hat hier keine Rolle gespielt, hier hat nur der Sonnenbrand eine große Rolle gespielt. Also, wie gesagt, jetzt bei der Ernte müssen wir das raussortieren, das gibt eine Heidenarbeit, mein lieber Schwan. So, dann ist’s wieder gut… die Beeren fehlen halt. Oder hier, die müssen rausgerissen werden…


TS: Ist es ein Problem, wenn es jetzt so lange heiß war und es dann auch nachts nicht wirklich abkühlt?


HD: Ja, diese Wochen, also, wo es so heiß war… es waren an sich, glaub ich, nur zwei Tage, wo die Einstrahlung so hoch war, dass diese Verbrennungsschäden kamen, wo es über 40 Grad war im Schatten - da war es hier wahrscheinlich 60 bis 70 Grad, da, wo es hier direkt draufgeschienen hat. Das ist nicht so dramatisch, da passiert an sich nichts, da steht die Assimilation, die Pflanze, ja, die schwitzt genauso wie wir (wir gehen mal hoch). Das ist aber nicht so schlimm. Man muss das ganze Jahr sehen. Wir haben ja jetzt z.B. wieder für die Pflanze angenehme Bedingungen, ja. Das gleicht sich wieder aus. Solange keine Schäden entstehen, ist es nicht schlimm. Und jetzt, also… das Jahr ist noch lange nicht rum! Die prägende Zeit kommt jetzt an sich auch, für die spätere Qualität. Jetzt machen wir natürlich auch noch Eingriffe. Wo zu viel da hängt, halbieren wir Trauben, oder schneiden ein paar Trauben ab. Man muss halt da durchgehen, muss da sehen, wie die Balance ist.


Es waren jetzt auch Niederschläge, sind dagewesen, es ist ausreichend. Also, wenn wir jetzt vor vierzehn Tagen hier spazieren gegangen wären, hätte der Wald hier… der hat ein ganz anderes Bild. Der ist jetzt die letzten zwei Wochen wieder grün geworden, richtig grün geworden. Der sieht hier jetzt aus wie im Frühjahr. Und vor drei Wochen hast du gemeint, wir wären in Südeuropa. Es hat fast ein bisschen ausgesehen wie in Spanien, verbrannt. Und da sieht man mal, wie die Natur wieder sich schnell regenerieren kann. Und die Reben sind da sowieso Weltmeister drin. Also, es geht da ab und zu mal ein Stock kaputt - da sieht man einen, ja. Also, bei einer Anlage… die Menschen, die 70 sind, die müssen auch aufpassen, damit sie sich gut benehmen, weil, das Zeitkonto wird schlechter. Ja.


Da sind alte und junge nebeneinander, seht ihr? Da haben wir also immer mal wieder auch nachgepflanzt, weil die Anlage, die ist noch so schön, und wir sind an sich auch ganz begeistert von der Qualität der Weine, die hier wachsen. Und das fällt natürlich schwer, wenn man so eine Anlage umrodet, so einen alten Kameraden wegzumachen, da kommen mir fast die Tränen.


Der erzählt Geschichten. Der hat schon unheimlich gute Weine gebracht, kann ich euch sagen, die letzten 70 Jahre. Da waren viele dabei, über die wurde geschrieben in der Welt.  


Da hört man fast den Uhland singen, (wenn vielleicht auch eher in der Reich-Ranicki/Walter Jens-Version).

Aber es sind eben nicht nur die Rebstöcke, die Trauben, die Pflanzen, mit denen er diese innige Jahrelange Beziehung pflegt.

Er hält unvermittelt inne, bückt sich, und bricht behende ein paar winzige Plättchen Schiefer.


Das muss ich jetzt mal aufheben, hier ist das wieder, da ist jetzt der Praxistest besser, hehe… das bricht wirklich, das hatte ich gemeint. Das ist typisch für diesen Schiefer, diese Schieferplättchen. Deshalb sieht man auch keine so großen Schieferplatten, weil die alle schon verwittert sind, ja? Weil, wenn man jetzt hier mit der Hacke tiefer geht, kommt man auf größere Steine. Hier das ist natürlich so, das mindert das… das bricht durch Frost, verwittert das in ganz kleine Teilchen, wird immer kleiner. Am Schluss denkt man, ist ja gar kein Schiefer, ist es aber trotzdem.


Na ja, über den Weinberg hier, und jetzt kommt die ganze Geschichte der Klassifizierung, und jetzt müssen wir… kommen wir wieder zurück zu den Preußen… Die Preußen waren ja immer gute Verwaltungsbeamte, und die haben also schon früh angefangen, die Weinberge in Steuerklassen einzuteilen, weil sie gesagt haben, wer einen guten Wingert hat, der muss mehr Steuern bezahlen wie der, der einen schlechten hat. Und dann haben sie also angefangen, zu klassifizieren, die Berge, alles, die ganze Region. Und dann ist ein Weinberg, der als Richtschnur galt für die Einstufung aller anderen Weinberge - sozusagen Punkt 100 - und alles andere wurde darunter eingestuft. Und das ist hier. Dieser, weil, die Hermannshöhle ist, seit über 100 Jahren, seitdem die ersten Bewertungen gemacht wurden, der höchstbewertete Weinberg der Region, und ist dafür die Richtschnur für die Bewertung aller anderen Weinberge.  

Wo Hindenburg blickt, ist das Finanzamt nicht weit


Und da fließt halt ein, vielfach… ja, da kann man nicht sagen, das ist genau Süd oder sowas, sondern das Gesamtbild, was also zum Weinberg beiträgt, und auch, inwieweit die Erlöse waren, die aus so einem Weinberg erzielt wurden. Und das ist meistens, wenn das Finanzamt was macht, relativ realistisch. Weil, wenn Kunden da sind, will natürlich jeder, erzählt natürlich jeder, „mein Weinberg ist sowieso der Beste“, logisch. Gut, aber wenn das Finanzamt kommt, dann erzählt jeder, „so gut ist er auch nicht“. Da macht jeder alles schlecht. Jeder hat ja im Hinterkopf, wenn ich dem erzähle…, dann muss ich noch mehr Steuern bezahlen. Und wir sind also auch ein Richtbetrieb für die Bewertung. Also, das Finanzamt hat so mehrere Betriebe… das ist jetzt keine Steuerprüfung, Einkommenssteuerprüfung, wie die Leute das alle kennen, sondern etwas ganz anderes, das ist also Bodenbewertung, also Flächenbewertung. Und das wird immer in einem gewissen... - also Einheitswerte -... in einem gewissen zeitlichen Abstand, ja, überarbeitet, erneuert. Also, so alle zehn, fünfzehn Jahre, oder wie auch immer, ich weiß nicht, wie der zeitliche Abstand ist, krieg ich Besuch vom Finanzamt. Das ist immer ganz lustig. Und dann trinken wir auch ziemlich viel Wein… das ist also keine Steuerprüfung, in dem Sinn, Einkommenssteuer. Und da versucht man natürlich auch immer, zu sagen: “Ja, du, horch einmal, so gut ist das jetzt auch nicht, gell!“ Da weißt du ja, kommen schlechte Zahlen raus, dann muss ich mehr Steuern bezahlen!


Da weiß ich immer noch… „Du kannst jetzt erzählen, was du willst, wir können auch hingehen und gucken, spielt überhaupt keine Rolle, ich brauche deine Bücher”. OK. Dann wissen die ja ganz genau, Katasteramt, soviel Besitz hast du irgendwo - kein Problem, weiß jeder, Finanzamt sowieso. Dann, „OK, Kellerbuch her!“ Und dann gucken wir mal ins Kellerbuch, den Zeitraum der letzten zehn oder fünfzehn Jahre, nicht nur ein Jahr - ein Jahr ist nix - zehn Jahre zurück: „Was hast du dort geerntet, wieviele Liter und in welcher Qualität?“ „Und jetzt zeig mir mal deine ganzen Rechnungen, und deine ganzen Verkaufsbelege, wie habt ihr das bezahlt?“ Und dann rechnet er alles zusammen… „Du hast jetzt eben gesagt, der Wingert wär nicht so gut, aber wenn ich die Zahlen sehe, ist er doch gut - es ist nämlich dein Bester!” Und dann habe ich gesagt: „Du, das ist jetzt aber unfair! Ich habe jetzt also das Glück, dass ich ein bisschen populärer bin, in der Gesellschaft bekannter bin, und… du musst auch mal zu einem Betrieb gehen, der nicht so bekannt ist! Da gibt‘s ja noch den ein oder anderen Kollegen, der nicht so bekannt ist.” Und weißt du, was er sagt? „Da war ich schon, genau dasselbe!” Und da hab ich mich geschlagen gegeben.


Na ja, also, man darf das nicht überbewerten, das heißt dann nicht, dass, wenn ein Weinberg hoch bewertet ist, und in der Historie hoch bewertet wurde, dass da jetzt immer der beste Wein wächst, ja? Das ist nicht der Fall, sondern es ist nur so, dass ein Weinberg damit zeigt, dass er in der Lage ist, sehr hohe Qualität zu bringen. Und das ist also hier der Fall.

Von der einen Grand-Cru-Lage, der Hermannshöhle, haben wir nun schon ein wenig gehört. Mehr davon in Folge 2, wenn der Winzer selbst uns durch all die anderen Großen Lagen führt. Dann werden wir auch von jenen hören, die ihn prägten. Was es mit den Drei Weinheiligen auf sich hatte. Von der Geschichte der Nahe als Weinanbaugebiet im Allgemeinen, dem Sauren und der Süße, und immer wieder von der Demut gegenüber der Natur.

Wenige Tage nach dieser Aufnahme durfte Helmut Dönnhoff dann jenen 70. Geburtstag begehen. Alle kamen sie, ihm ihre Aufwartung zu machen. Es war auch mit das letzte Mal, dass er wohl den großen Wilhelm Haag sehen sollte.

Am Morgen danach sah man ihn bei der jährlichen Versteigerung des VDP Nahe (wieder, was ein Timing!) verschmitzt in der Morgensonne, lächelnd. Noch einmal kamen sie alle, ihm zu gratulieren, auch und vor allem jene, die nicht zum privaten Teil geladen waren.

Natürlich erzielten seine Weine nach langem Bieten einen neuen Rekord.

Und er lächelte leise.




Redaktion, Interviews, Fotos: Torsten Schmidt

Schnitt & Mischung: Marc Übel

Titelmusik: Oliver „Dorian Concept“ Johnson und Denis „Adlib“ Hürter.

Musik: Marc Übel, Frank Westerkamp, Denis „Adlib“ Hürter

Logo & Cover: Jonathan Gehlen

Lektorat: Carmen Hofmann

Website: Jan Niklas Jansen


Wir danken allen Winzer:innen, ihren Teams und ihren Familien - heute natürlich ganz besonders Anne Dönnhoff, Helmut Dönnhoff, Frau Breetz, und dem legendären Sascha Schömel, für ihre großzügige Zeit im Rahmen dieses Podcasts, und die Liebe zum Detail, mit der sie jeden Tag auf's Neue an die Arbeit gehen.


Wohlsein!