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Episode
004

Emrich-Schönleber

Frank und Werner Schönleber

Folge
004

Emrich-Schönleber, Monzingen/Nahe (1/2)

Mar 21, 2021
mit
Frank und Werner Schönleber
01:20:17

Die mit den Gänsen ziehen

Frank und sein Vater Werner Schönleber zeigen hier jedes Jahr auf's Neue,wohin Beharrlichkeit und Detailfreude führen können.

In der heutigen Folge, dem ersten Teil unseres Besuchs, führen uns der aktuelle VDP-Nahe-Präsident und sein enzyklopädischer Altvorderer in eine ihrer Hauptlagen, den Halenberg, mit einem kleinen Streifzug über die Versteigerungsparzelle Auf der Ley.

Hier wird nichts ausgelassen: Fundamente, Milben, Sonnenbrand, ein wenig Werkzeugkunde, der Charme der redlichen Arbeit. Und immer wieder: das Wetter. Heute. Gestern. An diesem Tag 1971 oder jenem Nachmittag 2013.

Mein Name ist Torsten Schmidt, und kommen Sie gerne mit mir an die obere Nahe im August 2019.

Das Wetter heute.


Es sprechen:


FS: Frank Schönleber

WS: Werner Schönleber 

TS: Torsten Schmidt

Hanne Schönleber: So, und ihr zwei? Seid schon den ganzen Tag unterwegs?


TS: Ja, und jetzt gehen wir in den Berg.


WS: So, also, wohin? Halenberg?


TS: Anders lohnt es sich ja nicht.


WS: Der Busschlüssel ist im Bus! Hab ich gesagt!


WS: Also wo fahren wir dann hin? An den Nussbaum im Halenberg?  


Und los geht’s, raus aus dem Dorf. Die über 1200 Jahre alte Weinbaugemeinde Monzingen zählt offiziell knapp 1600 Einwohner. Von der Quelle kommend weitet sich das Tal hier erstmals signifikant. Im Hintergrund lässt sich das alte Kurstädtchen Bad Sobernheim erahnen, das dem Becken seinen Namen gibt. Die Eisenbahnlinie Saarbrücken-Bingen, die den Südwesten mit dem Rhein-Main-Gebiet verbindet, und die inzwischen recht breit ausgebaute B41 sind immer wieder präsent, Militärflugzeuge von den nahen Basen zirkeln wilde Muster in den Himmel.


TS: So, wir stehen jetzt hier also mitten auf der Autobahn fast. Wo sind wir denn jetzt hier gelandet?


FS: Wir sind jetzt mitten im Halenberg. Halenberg ist ja eine relativ überschaubare Lage mit etwa achteinhalb Hektar, die sich über zwei… also, das ist ein Berg, der über drei Gewanne geht, wie wir sagen, also drei Bergteile, die jeweils durch einen Wirtschaftsweg getrennt sind. Und der mittlere Teil und der untere Teil, das gehört zur Lage Halenberg. Da stehen wir jetzt genau dazwischen, und der mittlere Teil, das ist fraglos der stärkste Teil des Hangs. Das ist also das, wo auch regelmäßig die Lagenweine erzeugt werden. Und im unteren Teil kommt es immer sehr auf das Alter der Reben an, und Jahreswitterung, weil wir da schon einen wesentlich mächtigeren Boden haben. Also, mächtig hört sich jetzt extrem an, also, vergleichsweise. Einfach ein bisschen mehr Feinerde, die halt über die Jahrhunderte der Bewirtschaftung sich eben natürlicherweise unten angesammelt hat, und das gibt dann eben schon einen anderen Weinstil. 


TS: Kannst du dich erinnern, wann du das hier als irgendwas Besonderes wahrgenommen hast? Weil, du bist ja hier groß geworden am End.


FS: Gute Frage. 


WS: Ich glaub, das ist eher ein Part, zu dem ich was sagen kann, weil, als der Frank geboren wurde, oder, als hier angefangen wurde, Reben zu pflanzen nach Flurbereinigung, in den… Anfang der 80er Jahre, war er noch Kind. Und mein Vater war eigentlich der, der hier sehr viel Herzblut im Hang hatte. Und als wir dann anfingen, hier zu pflanzen, zuerst mit dem unteren Teil, weil das ein bisschen bequemer war, und wir haben bei einem Kollegen gesehen, was die nächste Gewanne, also unser wichtigstes Mittelteil des Hanges, nochmal für eine zusätzliche geschmackliche Traubenqualität bringt, da sind wir schnell bereit gewesen, hier auch noch Flächen dazu zu kaufen. Weil, in dem steilen Teil hatten wir ursprünglich nur ein Drittel Hektar, und heute sind es viereinhalb Hektar. Also, das ist schon ein Mordsunterschied. 

Wir hatten ja bis in die 80er Jahre keinen so starken Riesling-Anteil, aber als die ersten Rieslinge aus dem Halenberg bei uns angeboten wurden, da haben unsere Kunden klar signalisiert mit ihrem Kaufverhalten, wo die Reise für uns hingehen sollte. Und von da an ist unser Fokus noch stärker auf den Hang gerichtet. Wir haben geschaut, dass wir alle Parzellen, die wir hier kriegen konnten, zum Arrondieren genutzt haben. Und, ja, nachdem die Reben dann peu à peu auch ein bisschen älter wurden, ist das Riesenpotenzial des Hanges auch uns erst richtig klar geworden. Dass wir so weit in die Spitze vordringen können, mit dem was wir hier erzeugen, hätten wir ursprünglich auch nicht gedacht. 


TS: Also, als du klein warst, war dein Opa also auch Winzer?


FS: Genau, ja. 


TS: Also war das „in den Wingert gehen“ relativ normale Tagesbeschäftigung?


FS: Das war… ja, natürlich. Das wurde natürlich dann auch für mich relativ schnell, sagen wir mal, normal, dass man da immer mal wieder hilft, manchmal freiwillig, manchmal nicht ganz so freiwillig. Ja, also wie gesagt, so richtig kann ich das nicht sagen, wann man das kapiert hat, dass das irgendwie was Besonderes ist. Aber ich sag mal so, ich glaub, die Magie von einem Weinberg, der halt eine gewisse Steilheit hat und eine Steinigkeit, die kriegt man, glaub ich, schon relativ schnell mit. Auch wenn man jetzt überhaupt nicht weiß, was ist da los, ja. Das allein ist schon so imposant zu sehen, auf welchem Boden da die Reben stehen, und wenn man mal versucht reinzulaufen, wie beschwerlich das ist. Da kann man sich schon schnell vorstellen, dass das wahrscheinlich was Besonderes ist, sonst wäre da ja kein Mensch so blöd, da freiwillig zu arbeiten. 

Schmalspurtraktor am Berg


TS: War das für dich je eine Option, was anderes als Winzer zu werden? 


FS: Nicht wirklich. Also, ich sag mal, es kommt natürlich irgendwann die Zeit, wo man… den Pfad, der irgendwie schon so ein bisschen vorgezeichnet ist, auch hinterfragt. Also, ich hab da nie irgendwie eine Verpflichtung oder so verspürt, das zu machen. Aber dennoch ist es ja, irgendwo liegt‘s ja eigentlich sehr nah, dass man das irgendwann übernimmt. Trotzdem, glaub ich, sollte man nicht einfach sagen, mein Uropa war Winzer, mein Opa war Winzer, mein Papa ist Winzer, und ich werde jetzt auch Winzer, sondern, man sollte schon mal überlegen, ist es wirklich das, was mir 100% liegt, gibt es vielleicht irgendwas, was mir noch mehr Spaß machen würd‘? Und das so ein bisschen abwägen, und das habe ich dann gegen Ende meiner Schulzeit auch gemacht.

Und, da war ich mir eigentlich schon ziemlich sicher, dass es der Beruf des Winzers für mich ist, hab dann aber gesagt, um jetzt da, sag ich mal, auch insbesondere das Thema Steilhang, um da wirklich zu wissen, wo man sich da drauf einlässt, wäre das eine ganz gute Idee, wo hinzugehen, wo es wirklich wehtut. Wo es noch ein bisschen extremer ist als bei uns. Und deswegen bin dann im Mittelrhein gelandet, beim Weingut Toni Jost, die ja da im Bacharacher Hahn wirklich einen ziemlich extremen Berg haben, wo das auch mal nicht nur so eine Parzelle ist, sondern alles wirklich richtig steil ist. 

Und, das hat mir Spaß gemacht, und da hab ich auch gesehen, dass man auch solche extremen Lagen heutzutage schon ziemlich gut mechanisieren kann, und dass das dann gar nicht mal unbedingt so wehtut, wie das bei uns manchmal der Fall war damals. Ich sag mal, in der Zeit war bei uns, sagen wir mal, 90 Prozent noch mit dem Traktor gerade so zu bewältigen, und die zehn Prozent waren dann aber halt alles Handarbeit, und das hat dann halt immer richtig wehgetan, ja… und da merkt man auch mal, OK, wenn du jetzt ein bisschen mehr Fläche hast, dann gibt‘s da auch wieder Möglichkeiten, auch da sich die Arbeit sich so ein bisschen zu erleichtern und, ja, das haben wir dann irgendwann auch hier festgestellt. Also, heute sind wir… eine Zeit lang haben wir da für diverse Arbeiten mit Lohnunternehmern gearbeitet, und mittlerweile sind wir selbst so ausgerüstet, dass wir sagen, es ist eigentlich für uns gar nicht mehr entscheidend, ob der Weinberg jetzt 40 oder 60 Prozent Steigung hat, wir kommen damit mittlerweile ganz gut klar, ohne dass wir da ständig und für jede Arbeit wirklich bis ans Äußerste gehen müssen. 


TS: Wenn man die Zeilen sich jetzt anschaut: die sind ja schon relativ breit. Was gibt‘s denn da an Sachen, die ihr heute regelmäßig einsetzt, die es so beim Opa noch nicht gab? Oder beim Vater?


FS: Maschinen, meinst du jetzt, oder was?


TS: Ja. Maschinen, Techniken.


FS: Maschinell hat sich da eigentlich gar nicht so viel getan. Es ist halt heute… also, natürlich haben wir schon Maschinen, die den Boden insofern nicht mehr so belasten, weil sie einfach eine bodenschonendere Bereifung haben, und eben natürlich auch ein bisschen mehr Leistung als damals. 


TS: Das Mofa gibt‘s trotzdem noch.


FS: Ja, das gibt‘s immer noch. Ja, gut, Maschinen haben sich natürlich insgesamt verbessert. Was jetzt heute, sehr aktuell neu ist, sozusagen, ist, dass wir Unterstock komplett anders arbeiten, als wir das noch bis vor zwei Jahren gemacht haben. Das heißt, wir verzichten jetzt komplett auf Herbizide. Die Entscheidung ist uns sehr schwergefallen, weil immer die Frage ist, OK, Unterstock einfach wachsen lassen, geht nicht, dann wächst irgendwann das Unkraut höher als die Reben. In der Flachlage wird dann Unterstock bodenbearbeitet, also mit der Scheibe oder mit dem Stockräumer tatsächlich die Erde bewegt, umgeworfen, durchmischt, und das sorgt immer dafür, das eine gewisse Erosionsgefahr entsteht. Und das ist natürlich im Steilhang ganz, ganz kritisch, insbesondere auf solchen Böden, wie wir sie hier haben. Also die Böden erodieren sehr, sehr leicht. Und, ja, vor gut zwei Jahren hat uns dann ein Kollege aus Österreich auf den Gedanken gebracht, mit einer neuen Generation von Stockbürsten, das Kraut und das Gras unterm Stock klein zu halten. Und das hat eben gegenüber den alten Stockbürsten den Vorteil, dass der Rebstock, also, der Stamm, normalerweise gar nicht verletzt wird, und wir dennoch eine recht saubere Arbeit haben. Also, sprich, das Gras und Kraut, was da steht, abgeschlagen wird, und das sieht dann danach aus, wie gemulcht. Mit dem Unterschied, dass wir halt mit diesem Gerät da viel besser hinkommen, als wir das mit irgendeinem Mulcher könnten. 


WS: Das Entscheidende ist, und das ist die allergrößte Aufgabe im Steilhang, dass wir Erosion verhindern. Und dazu hilft uns das Gerät, das der Frank jetzt grad geschildert hat, wirklich sehr. Und du hast auch gefragt nach grundsätzlicher Mechanisierung. Früher hatten wir einen Schmalspurtraktor mit einem Meter Außenbreite, schmalen Reifen, und der hätte uns da wirklich schmale Gräben ins Erdreich hinein gekratzt. Wir arbeiten mit einem sehr niedrig gebauten Spezialtraktor, der breite Ballonreifen drauf hat, mit niedrigem Druck und ganz, ganz wenigen Stollen, also ganz flachen Stollen, und wenn man jetzt hier hochschaut, sieht man wohl, wo der Schlepper langgelaufen ist, aber das mahlt nicht raus. Und deshalb bleibt hier bei normalen Gewittern das Wasser im Hang. Wir wollen das Wasser im Hang halten, das ist ja unheimlich wichtig bei unseren 500-550mm Niederschlag und dem mageren Boden. Wenn dann das Wasser noch wegläuft, dann fehlt‘s noch viel schneller.



TS: Wie habt ihr denn das mit den Aufgaben verteilt? Also, man hat ja einerseits doch so ein Senioritätsprinzip und man lernt von einer erfahrenen Person, aber irgendwann muss es dann ja doch so eine Stab-Übergabe geben, damit nicht immer zwei Leute mit dem Kochlöffel im Topf rumrühren. 


FS: Ja, ist richtig. Also, ich kam ja 2005 in das Weingut. Mein Vater hat mich dann auch sozusagen gleich zum Mitinhaber gemacht, und wir haben dann da versucht, eine Lösung zu finden, dass genau das eben nicht passiert, dass wir nicht ständig mit zwei Kochlöffeln in einem Topf rumrühren. Letztlich kamen wir dann dazu, dass wir das so lösen, wie das auch die allermeisten Kollegen machen… dass sich der Junior erstmal um den Keller kümmert, und der Vater weiterhin die Weinberge verantwortet. Was auch Sinn macht, weil ich der festen Überzeugung bin, dass im Weinberg Erfahrung noch viel, viel wichtiger ist, als im Keller. Im Keller ist sicherlich viel…, basiert viel auf unterschiedlichen Philosophien, manchmal auch so Bauchgefühl. Es gibt natürlich, sag ich mal, handwerkliche Regeln, die es einfach einzuhalten gibt, sonst wird‘s kein Wein, sondern sonst irgendwas. Aber abgesehen davon bleibt da schon noch viel Luft zur Interpretation. 

Und im Weinberg ist es halt ganz wichtig zu wissen, wann muss ich Bodenbearbeitung machen, wann ist es, sag ich mal, nicht mehr zu nass, aber auch noch nicht zu trocken? Wann muss ich mir Gedanken um Pflanzenschutz machen? Welche Krankheiten sind in welchem Teil des Hanges besonders kritisch? Und sowas… das lernt man auf keiner Schule, das lernt man einfach nur, indem man halt viel im Wingert ist, und das über die Jahre und Jahrzehnte lernt, und da ist natürlich ein Erfahrungsschatz von mehreren Jahrzehnten durch nichts zu ersetzen. Also, so ging‘s dann erstmal los. Und im Keller war das dann so, dass mein Vater das die ersten Jahre schon noch sehr genau beobachtet hat, und ich mich da über die Jahre dann, sag ich mal, einfach auch da ein bisschen freigeschwommen hab. Sicherlich zum einen dadurch, dass dann irgendwann nur noch sehr wenige Fehler passiert sind, und zum anderen auch dadurch, dass ich dann irgendwann auch gesagt hab, ich würde das aber jetzt gerne auch mal anders machen. Und das hat sich dann im Kleinen auch als gar nicht so schlecht erwiesen, und dann hat man das halt auch im größeren Maßstab gemacht. Ja, und was Weinberg angeht, da sind wir jetzt natürlich auch an dem Punkt, wo das, ja, sagen wir mal, absehbar ist, dass mein Vater das eben auch nicht mehr ewig macht. Und, ja, da guck ich jetzt schon, dass ich da mehr und mehr auch in das Thema mich noch vertiefe, und, ja, das entwickelt sich. Also, ich wäre persönlich da sehr froh drum, wenn er das noch viele, viele Jahre machen kann, und will, aber man weiß ja, manchmal ist das…


TS: Das liegt ja nicht immer in der eigenen Hand.


FS: … kommt der Tag X, wo es eben nicht mehr geht, oder nicht so geht - schneller als man sich das wünscht - und dann sollte jemand da sein, der das weiterführen kann.


TS: Hast du das Gefühl, dass du, dadurch dass du selber mal in der Situation warst, den Prozess besser begleiten kannst?


WS: Klar, hilft einem immer das, was man schon mal selbst erlebt hat, ja. Aber die Situation ist nicht grade vergleichbar. Weil, ursprünglich war das Weingut eingebettet in einen landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb bei meinen Eltern. Und als ich in der Lehre war und in der Ausbildung, dann hat sich grad die Rebfläche auf zwei Hektar, zweieinhalb Hektar eingestellt. Und dann haben wir uns entschieden, dass wir uns auf den Weinbau konzentrieren wollten, und es gab eine Aufbruchzeit, in der sich so viele Dinge entwickelt haben, die mein Vater selbst noch nicht in dem Maß beherrscht hat, dass er da so einen Riesen-Wissensvorsprung vor mir gehabt hätte, der jetzt gerade in der Zeit in der Ausbildung war, bei guten Leuten. Und insofern hatte ich das Glück, in diese Aufbruchzeit zu kommen, wo auch das Weingut noch nicht den Status hatte, noch überhaupt nicht dran zu denken, den es heute hat. Und aus dieser Situation heraus ist es auch zulässiger, Fehler machen zu dürfen. Als der Frank 2005 mit ins Weingut kam, da waren wir gerade in den höchsten Weihen, die man sich so in der Weinöffentlichkeit vorstellen kann, und logischerweise ist man dann ja sehr bedacht, dass der Status jetzt nicht gerade von heute auf morgen dahingeht. Und, insofern hat der Frank es schon schwerer als ich es hatte, weil, er kann sich eigentlich keine Fehler, die man außen merkt, leisten. Also, das ist schon ein Unterschied. 


TS: Das war doch ein entspanntes Mittagsessen immer?


WS: Es ist nicht so, dass wir uns ständig die Fehler vorhalten, ja, aber Erfahrungsschatz ist halt da. Und ich hab mit meiner Frau, und vorher auch mit meinen Eltern zusammen, schon das Weingut ja ganz ordentlich entwickelt. Wir sind anerkannt, sowohl bei den Weinliebhabern, wie auch bei den Kollegen, weil sie wissen, dass wir nicht nur dummes Zeug über irgendwelche Dinge schwätzen, sondern auch wissen, wie es geht, und die Hände selbst hingehalten haben, also von der Materie was verstehen. Und, ja, das ist ja… damit hat man ja auch einen ziemlich guten Überblick, oder man sollte annehmen, dass man den hat, und auch erkennt, wenn irgendwo mal die Gefahr größer wird, dann sagt man halt mal, hoppla, jetzt überlegen wir mal, ob da so geht - oder nicht, ja.



TS: Wie oft seid ihr denn dann... ich nehme an, das hat sich ja über die Jahre dann auch abgebaut, aber, wie hat man sich das vorzustellen: wie oft wart ihr dann zusammen auch im Berg, um so Sachen zu besprechen? Oder ist das eher was, wenn, morgens geht der eine raus, mittags der andere, und dann hockt man dann halt da so, „hast du das gesehen“?


FS: Nee, also ist es…ich sag mal, der, der am meisten im Wingert ist, der kriegt immer am meisten mit. Das ist ganz klar. Also, selbst wenn du jetzt… sagen wir mal, einmal am Tag durch die Weinberge fährst und immer rechts und links aus dem Fenster guckst, da kriegst du auch nicht mehr als ein erstes Gefühl, oder fällt dir nur das wirklich ganz Augenscheinliche auf. Also insofern, ist natürlich erstmal der, der öfter draußen ist, der, der sagt, „hier ist so und da ist so…“ und „da müssen wir das…und da haben wir das versäumt...“. Derjenige, der eben nicht so oft draußen ist, und das bin natürlich im Moment immer noch ich, sollte natürlich gucken, dass er das nicht immer nur erzählt kriegt. Sondern ein bisschen auch selbst die Augen offenhalten, und immer mal wieder selbst in den Wingert reinschauen, und natürlich idealerweise auch bei den Arbeiten dabei sein. Das ist schon eine wichtige Sache, insbesondere mit der Perspektive, dass man es ja irgendwann auch mal allein bewerkstelligen soll - oder muss. 

Insofern habe ich da auch - oder wünsch ich mir eben auch -, dass ich meine Zeit irgendwie so eingeteilt krieg, dass ich wenigstens so ein paar halbe Tage in der Woche mit den Leuten draußen bin, auch tatsächlich bei den Handarbeiten, um da ein Gefühl zu kriegen. Und abgesehen davon, ja, hin und wieder fahren wir auch gemeinsam raus und gucken uns mal die Wingerte an. Das wird aber… je näher es gegen Lese rückt, desto häufiger kommt das vor, sagen wir mal so, in der ersten Hälfte der Vegetation ist das dann eher die Ausnahme. 



TS: Wie hat sich denn die Betriebsgröße in der Zeit entwickelt? Wenn es halt vorher ein Gemischtbetrieb war? Man spricht ja in der Regel davon, dass so ´94 der Jahrgang war, der draußen richtig wahrgenommen wurde.


WS: Von uns, meinste?


TS: Ja. Das sind jetzt 25 Jahre her. Was hat sich denn von so ganz banalen Betriebsgrößen, -flächen und so, in der Zeit geändert? 


WS: Ja, wenn man sich spezialisiert, muss natürlich dieses Spezialgebiet auch wachsen, sonst funktioniert es ja nicht. So sind wir dann von zwei Hektar in den 60ern auf heute zwanzig Hektar gewachsen. Also, diese Zeit, als wir so ein bisschen ins Rampenlicht der Öffentlichkeit kamen. Das war die Zeit, als die ersten bedeutenden Halenberg-Weine mit ins Portfolio kamen. Da waren wir bei etwa zwölf Hektar. Hatten damals aber auch noch ein paar Bewirtschaftungsverträge, und die haben wir inzwischen vollkommen aufgegeben, weil wir immer wieder merken, wenn wir es selbst machen, ist es mindestens, aber wirklich mindestens, eine Klasse besser. Ja, weil man findet kaum einen Partner, ich will nicht sagen gar nicht, aber kaum einen Partner, der 1:1 die Dinge so umsetzt, wie wir es gerne hätten. Und, so haben wir uns also vorgenommen, müssen uns halt personell so aufstellen, dass wir das selbst machen können. Und wir haben auch keine Ambitionen, jetzt, was weiß ich, auf 30, 40 oder 50 Hektar zu wachsen, was hier in unserer Gemarkung, auch im Moment überhaupt nicht vorstellbar wäre, weil es kein freies Gelände in dem Maß gibt. Insofern sagen wir, diese, jetzt, zwanzig Hektar, das ist so ungefähr eine Größe, mit der wir gut arbeiten können. Die uns auch auslastet. Und die uns auch groß genug ist. Wenn es jetzt natürlich so käme, dass, nehmen wir mal an, hier mitten im Halenberg und in unserer direkten Nachbarschaft, eine Parzelle frei wird, ja… meistens sind es ja nur relativ kleine Einheiten, dann sind wir natürlich dabei, und versuchen, uns die anzueignen. Weil, du wirst nicht jeden Tag gefragt, ob du ein gutes Stück haben willst. Aber, grundsätzlich, nach Größen, die jenseits der jetzigen sind, streben wir nicht. Es könnte sogar sein, dass man dann darüber nachdenkt, irgendwas, was für einen nicht ganz so wichtig ist, abzustoßen, und sich noch mehr auf das, was uns qualitativ weiterhilft, ein breiteres Portfolio bietet, ja, zu konzentrieren. 

Weil, ich nenn es gerne eine Spielwiese, ja. Wenn hier, der Halenberg, das ist hier das Mittelstück, das ist fast zweieinhalb Hektar groß. Da kannst du an mehreren Tagen lesen, da gibt es auch kleine Unterschiede im Hang. Hier, diese Seite schaut nach Südwest, die ist ein bisschen anders aufgestellt als der Mittelteil, der reine Südlage ist, oder die andere Flanke, die nach Südsüdost geht. Es gibt da Stellen drin, wo der Boden ein bisschen stärker ist, auf der anderen Seite, an der anderen Stelle ein bisschen magerer. Und da zu spielen, und auch im Herbst sagen zu können, OK, jetzt lesen wir mal auf der Seite, und sichern irgendwas, und warten vielleicht mit was anderem noch, um vielleicht ein bisschen mehr Konzentration zu kriegen… Das kannst du halt nicht, wenn du nur einen Viertel Hektar hast, was für ein Fass voll reicht. Und dann ist das eine Fass, so wie es ist. Peng. 

Hier haben wir mehrere Fässer, und können auch mal gucken, gefällt uns jedes Fass so, dass wir Großes Gewächs drunter schreiben oder gibt‘s eins, das nicht ganz so stark ist, obwohl das Ausgangsmaterial ähnlich gut war, oder vergleichbar gut. Jedes Fass hat seinen eigenen Charakter, wir bezeichnen unsere werdenden Weine auch gerne als unsere Kinder, und, hast du sechs Kinder, sind sie auch nicht gleich, ja? Und dann sind wir auch bereit, zu sagen, wenn ein Fass dann eben unseren großen Ansprüchen für ein Großes Gewächs nicht entspricht, dann wird das ein oder zwei Stufen abgestuft. 



TS: Du musst los, oder?


FS: Ich müsste jetzt, ja. 


TS: OK,… ich hab den Verdacht, dass wir eh hier ein bisschen sind. Vielleicht stößt du dann später nochmal dazu?


FS: Ja, klar. Ich ruf dann später einfach nochmal an, wo ihr seid.


TS: Gut, dann bis gleich. 


Frank hatte uns schon vorher gesagt, dass er im Weingut noch ein Vorstellungsgespräch zu absolvieren hat. Nachdem er sich um den Bewerber gekümmert hat, wird er später wieder zu uns stoßen. Wir gehen derweil bei seinem Vater in die Lehre.



TS: Was passiert denn hier im „Berg/Berg“-Teil? Das ist relativ grün jetzt. 


WS: Ja. Erst einmal: 2019 ist schon sehr speziell. Wir hatten im Juli ja total bekloppte Temperaturen in zwei Wochen, vierzehn Tage hintereinander, also zwei Wochen auseinanderliegend. Erste Woche gegen 40 Grad, beim zweiten Mal sogar Anfang 40 Grad. Und die Besonderheit war, das habe ich in dem Maß noch nie erlebt, dass selbst Blätter teilweise verbrannt sind. Also, es gab recht deutlich Sonnenbrand an den Trauben, und die extreme Hitze mit niedriger Luftfeuchtigkeit hat die Reben regelrecht, ja, ausgesaugt, kann man schon sagen. Also, die Trauben haben dann in der Zeit überhaupt keine Fortschritte gemacht, und es gab massiv Sonnenbrand, der uns schon, wie ich das heute einschätze, über alle Weinberge so im Schnitt zehn bis zwanzig Prozent Ernte kosten wird.

Jetzt hat es ja in den letzten 14 Tagen zweimal geregnet, wir waren zwischendurch auch mal in einigen Anlagen wie grad hier in diesem Bereich dabei, Wasser in den Hang zu bringen. Haben Tropfschläuche ausgelegt, wenn du genau schaust, siehst du da oben einen liegen. Hier liegt er bis hier unten. Und dann haben wir etwa fünfzehn Liter pro Quadratmeter vertropft, aus unserem Tankfahrzeug, um die Reben wenigstens vital zu halten. Jetzt nach dem Regen sieht alles wieder besser aus. Das sieht man z.B. daran, dass die Spitzen wieder hellgrün sind, also, das ist junges Blattwerk, was jetzt nochmal so ein bisschen raustreibt. Und vom Stand jetzt hätten wir, wenn man vom Sonnenbrand absieht, mal Chance, dass es ein feiner Jahrgang wird. Mit Sicherheit deutlich weniger Ertrag als im letzten Jahr, also da kommen wir gar nicht dran vorbei. Aber dass nicht alle Jahre gleich sind, das wissen wir, und im letzten Jahr ist halt alles top gelaufen und wenn dieses Jahr mit Einschränkungen in der Menge das zum guten Schluss in einer sehr guten Qualität wird, mit einem eigenständigen Charakter, dann ist der Winzer halt wieder froh, dann hat er ein neues Kind mit einem schönen Gesicht, das grade gewachsen ist. 


TS: Hattet ihr letztes Jahr zu viel am End?


WS: Nein, nein. Der Ansatz war im letzten Jahr unglaublich. Das heißt, Traubenzahl mindestens 50 Prozent mehr als dieses Jahr. Aber, im letzten Jahr hatten wir im Mai, Juni, eine sehr starke Trockenheit. Trockener als in der Umgebung. Und das hat dazu geführt, was dieses Jahr übrigens auch ist, dass in den allermeisten Hangteilen die jungen Beerchen abgefallen sind. Wir sprechen da von Durchrieseln. Der Stock hat sich also selbst geschützt und hat einen Teil abgeworfen, weil er gemerkt hat, das schafft er bei den Verhältnissen nicht. Und dadurch hatten wir eigentlich das, was wir als Ideal ansehen: Trauben, die weniger dicht gepackt sind, also, wo die Beeren sich nicht fest berühren, und mit kleineren Beeren, also mit geringerem Durchmesser, und auch tendenziell ein bisschen dickerer Schale, weil es ja im letzten Jahr auch warm war. Und wenn wir an die Lese 2018 denken, dann hab ich gesagt, ich hab in meiner 50-jährigen Praxis noch keinen Jahrgang gehabt mit so gleichmäßig schön reifen, goldgelben Trauben, wo es keine Fäulnis und keine schlechten Beeren gibt. Wo man eigentlich jedes Kind mit zur Lese nehmen kann, weil es keine schlechten Trauben gibt. 

Wir selektieren natürlich, wenn es dann darum geht, ganz große Qualitäten zu erzeugen. Weil, wenn wir hier mal reinschauen: die ersten Stöcke, wo ein bisschen mehr Boden ist, kriegen tendenziell größere Trauben, schwerere Trauben, die nehmen wir beispielsweise nicht für die absoluten Top-Qualitäten, die bleiben dann hängen, oder werden vorher für eine andere Qualität weggelesen. Das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, wie es besser passt. 

Ja, aber letztes Jahr, ´18, war schon ganz toll, und jetzt sind wir im Moment, in 2019, Stand 13. August, etwa zehn Tage, vielleicht auch vierzehn Tage später in der Entwicklung als 2018. Von daher ist es auch wahrscheinlich, dass die Lese wieder zu normaleren Zeiten beginnt, weil 2018 hatten wir auch eine der frühsten Lesen überhaupt. Und, ja, die meisten Winzer werden wohl sagen, wenn es ein bisschen später losgeht, und es ist nicht mehr ganz so warm, ist es uns eher lieber. Aber, die Natur macht, was sie will und wir müssen schauen, dass wir mit ihr klar kommen und das Beste draus machen.


Quarzader im Gestein


TS: Was passiert hier vom Gestein her? 


WS: Die Monzinger Steillagen sind durch die Bank im Untergrund geprägt von einem Naturbeton, wie der Fachmann sagt, von einem Konglomerat. Und zwar ist hier vor 220-30 Millionen Jahren in eine abgesunkene Scholle, die über zig Quadratkilometer ging, Material aus dem Hunsrück reingeschwemmt worden. Das ist, wie gesagt, schon ewig her. Als Europa noch fast in der Nähe des Äquators war. Da haben ja ganz andere Dinge/Verhältnisse eine Rolle gespielt. Ja, also aus dem Hunsrück ist dann in diese abgesunkene Scholle, Geröll reingeschwemmt worden, der nahgelegene Hunsrück ist geologisch extrem interessant, weil es auf kleinstem Raum ganz unterschiedliche Gesteine gibt. Und so sieht es dann letztendlich bei uns im Boden auch aus. Wenn wir jetzt mal hierhin schauen, da fallen uns erstmal Quarzite auf. Das können diese weißen Quarzite sein, das können aber auch die dunklen sein. Und so wie mir das von einem Geologen gesagt wurde, sind die dunklen Quarzite und der blau-graue Schiefer aus einer ähnlichen Zeit, ist nur die Frage, wieviel Druck darauf gewirkt hat und was da sonst noch als Bindungspartner dabei war. Dann ist es entweder dieser ganz harte Quarzit geworden, oder Schiefer. So. Und in diesem Stein-Geröll-Gemisch ist der weichere Schiefer in der Regel zu kleinen Splittern oder zu Sanden zermalmt. Ja, das ist jetzt z.B. so ein kleines Schieferstückchen, und hier bei diesem Quarzit sieht man, dass das ein bisschen glitzert. Da ist mit Sicherheit Silicium, also Kieselsäure, mit drin. Und das ist wahnsinnig hart. 

Es hat ja heute Nacht noch geregnet. Siehst du, das ist extrem humoser, feiner Boden, der im Prinzip lehmfrei ist. Also, ich behaupte, wenn es morgens um 10 Uhr zehn Liter regnet, geh ich nachmittags um 14 Uhr hier hin, und es bleibt kein Krümel Erde am Schuh hängen, d.h. ganz wenig Lehm- oder Tonanteile. Man kann sagen, es ist lehm- oder tonfrei. 

Ja, wichtig ist, dass wir die Böden am Leben halten. Am Leben halten heißt, dass wir schauen, dass die Bodenorganismen sich wohl fühlen, dass wir sie nicht traktieren, dass wir bei schlechtem Wetter, wenn es irgendwie geht, also bei Nässe, aus dem Weinberg bleiben, also mit dem Traktor. Zu Fuß ist das nicht das Problem. Um Verdichtungen zu vermeiden, den Reben möglichst den vollen Wurzelraum überlassen. Und hier in der Zeile, wo wir jetzt grade stehen, habe ich im Juni, nach einem passenden Niederschlag mal eine Zeile umgebrochen, um mal zu schauen, wie die Reben drauf reagieren. Weil, ansonsten sind wir jetzt hier in diesem Teil seit Jahren nur noch am Mähen, d.h. wir haben eine einigermaßen Gründecke, aber ich hatte das Gefühl, dass da mal wieder eine Durchmischung stattfinden sollte. Man muss das immer mal ausprobieren, weil, das was drei Jahre gut geht, muss nicht zwanzig Jahre gut gehen.


TS: Die Reben sind relativ unterschiedlich alt, oder?


WS: Ja, das ist z.B. ein nachgepflanzter Stock, ja. So sieht das normalerweise aus, wie hier. Dann kommt das auch vor, dass die Leitbahnen in einem Stock geschädigt sind durch diese sogenannte Esca, das ist eine Holzkrankheit, die uns in den letzten zwanzig Jahren mehr und mehr Probleme macht, und dann versuchen wir von unten einen Wasserschoss wieder hochzuziehen, und dann wird irgendwann der alte Teil weggenommen, sonst wäre der ganze Stock kaputt. 

Also, diese sogenannte Esca, ist wirklich eine Krankheit, die den gesamten Weinbau in Europa schwer belastet. Früher hatten wir damit nichts zu tun, da war das eine Geschichte, die südlich der Alpen vorkam. Das ist so eine Feuerschwamm-Art, ein Bakterium, das im Holz die Saftleitbahnen zum Absterben bringt. Und durch das andere Klima hat sich das nach Norden verlagert. Also, in meiner Jugend gab‘s das nicht. 

Das hier ist z.B. auch so ein kranker Stock, da versuchen wir, das hier wieder mit diesem Trieb zu regulieren. Und dieses blaue Band hier ist das Zeichen, dass der Stock krank ist. Da müssen die Leute, die im Weinberg arbeiten, sind ja nicht alles hochqualifizierte Fachleute, wenn sie so ein blaues Zeichen finden, dass man dann die Wasserschosse von unten nicht abbricht, was sonst gemacht wird, um den Stock neu aufzubauen und zu hoffen, dass er wieder für zehn, fünfzehn Jahre gesund bleibt. 

Und das ist Sonnenbrand hier. 

Da müssen wir im Herbst halt hinschauen. Wir hoffen, dass teilweise die verdorrten Beeren noch abfallen. Im anderen Fall muss man dann mal drüberfahren bei der Weinlese, oder einen Teil abschneiden. Das wird man dann mal sehen. 


TS: Das ist aber nicht so, dass die noch Wasser ziehen oder so?


WS: Nee, das ist vorbei. Da, siehst du ja, ist auch teilweise der Stiel mit verdorrt. Also, bis hierhin hat er keinen Saft mehr, ja. Und das muss man dann halt mal schauen. 

Das ist aber von Wingert zu Wingert extrem unterschiedlich. Wir haben Parzellen, da sind 50 Prozent futsch. Hier an den Stöcken geht‘s jetzt grad. 


Sonnenbrand


WS: Ja, also diese Böden, die wir hier haben, also aus dem Konglomerat mit dem hohen Schieferanteil, sind ja vom Ursprungsmaterial sehr unterschiedlich. Hab‘s ja erklärt, was da alles mit drin ist. Und daraus nehmen wir auch die Erklärung, dass diese Weine, die hier wachsen, so viele Feinaromen haben. Es ist also kein klassischer Schiefertyp, den wir hier erzeugen. Aber im Boden selbst ist der Schiefer der bestimmendste Anteil, weil er halt durch die Geröllbewegung aufgeschlossen ist, und von der Masse her sicher ganz bedeutend ist. 


TS: Das sieht ja fast schon aus wie ein Acker bei uns da oben. 


WS: Ja, da war aber auch Begrünung eingesät, nach dem letzten Herbst, wir nehmen da für den Steilhang gern Weizen oder Roggen, der auch nach der Weinlese noch keimt, und den lassen wir dann wachsen bis Ende Mai, Anfang Juni, und machen ihn dann klein. Das gibt dann halt so ein bisschen strohiges Material, was das Wasser im Hang hält. Ich hab‘s gesagt, vorhin schon mal, das Wasser bei unserem trockenen Klima im Hang zu halten und Erosion zu verhindern, das ist wirklich die Hauptaufgabe. Und da könnte ich euch zeigen, wie das aussieht, wenn das nicht so beachtet wird. Gott sei Dank nicht bei uns.



WS: Ja, also, wir stehen ja jetzt hier mitten im Halenberg, und wenn wir jetzt hier nach Westen und ins obere Drittel des Hanges schauen, sehen wir eine Junganlage, was dieses Jahr im Frühjahr gepflanzt wurde. Das gehört zu dieser kleinen, speziellen Lage Auf der Ley. Frank hat das im letzten Jahr gekauft von einem Kollegen. Das war zugebuscht, wir haben es entbuscht, wie schon so vieles hier. Mit dem Schreitbagger umbaggern lassen, Wurzeln raus, Steine raus, und für dieses sehr trockene Jahr ist es erstaunlich, wie gut das wächst, weil, da hat 30 Jahre keine Rebe mehr gestanden. Und dann ist ja unheimlich viel Humus im Boden, durch das Gras und das Gebüsch, was da steht, was da zuerst mal geschreddert wurde, bevor dann die Wurzel rauskam, und das gibt dem Wingert jetzt schon zuerst mal richtig Schwung. Und das gefällt uns natürlich sehr, weil wir die Reben schnell hoch haben. Es ist immer schlecht, wenn das so ungleichmäßig ist, weil dann sind die schnell wachsenden Pflanzen immer im Vorteil gegenüber denen, die so ein bisschen nachziehen. Weil, wer zuerst da ist, macht dicke Arme, das ist auch in der Menschheit so. So sag ich auch oft genug zum Scherz, die Rebe ist auch nur ein Mensch. So viele Dinge sind wirklich vergleichbar, auch wenn die Rebe kein Lebewesen ist. Aber es gibt Naturgesetze, und das heißt, der stärkere ist im Vorteil.


TS: Aber die zweite Maus kriegt den Käse.



WS: Ja, was uns selbst natürlich auch – da haben wir uns vorhin bei der Herfahrt drüber unterhalten – begeistert, ist die Schönheit und der Abwechslungsreichtum unserer Gegend. Wir sehen ja, die Hügel sind im Prinzip alle bewaldet mit schönen Mischwäldern. Wir haben noch Landwirtschaft im Tal mit Ackerbau, und auch ein bisschen Viehhaltung. Es gibt keine Monokulturen, in dem Sinne, dass da quadratkilometerweise nur Mais oder nur Weizen steht. Ja, wir fühlen uns hier wohl. Und wenn wir aus Richtung Bad Kreuznach kommen, und wir schauen zuerst wieder bei Steinhardt ins Nahetal, dann denken wir immer, jetzt sind wir zuhause. 



TS: Sollen wir rübergehen, oder…? Was gäbe es denn noch zu sagen zu den verschiedenen Teilen der Lage?


WS: Wenn wir jetzt hier langgehen, ändert sich, sagen wir mal, nicht so viel. Ich kann zwar sagen, die Sonneneinstrahlung ist ein bisschen anders, und da ist ein bisschen fetterer Boden, aber viel zu erzählen gibt’s da eigentlich nicht. Es wäre vielleicht eher besser, wir fahren hier ein Stück hoch. Da oben ist ja der Wingert Auf der Ley, das ist jetzt dieses neue Stück, aber das, wo der Wein herkommt, das ist auf der Südseite, die Parzelle, die schaut jetzt so nach Südost, ja, und da haben wir nochmal ein bisschen andere Bodenverhältnisse, da sind die Stöcke extrem alt - für unsere Verhältnisse zumindest.


TS: Und was heißt das bei euch?


WS: Wir hatten…der ganze Hang war eine Flurbereinigung. Der Aufbau hat begonnen ´83. Also, insofern steht hier in dem Hang normalerweise kein Stock, der älter ist als 1983. Und da oben, das Stück Auf der Ley, das ist die einzige Parzelle, die nicht durchschnitten wurde durch einen Weg oder Wasserführung oder sonst irgendwas, und dadurch, dass die beim Vorbesitzer schon so groß war, blieb die unangetastet. Und die ist dann vor… wann war das denn, vor fünfzehn Jahren, gut fünfzehn Jahren in unseren Besitz gekommen. 


TS: Schauen wir doch mal.  


Nussbaum, der


WS: Also, Tim Fröhlich hat ja auch ein Stück Halenberg. Das beginnt hier an der Wasserführung und endet an diesem Pfahl. Also, damit ist ja schon mal klar, um welche Größenordnung es geht, gell. Trotzdem ist es natürlich toll, dass nicht nur ein Winzer da ist, der sehr beachtete Halenberg-Weine erzeugt, sondern dass es auch noch andere gibt, weil, das unterstreicht das noch mehr.

Und hier runter ist unser steilster, das ist der steilste Teil vom Halenberg. Da sind die Reben jetzt zwölf Jahre alt. Bisher noch nicht im Großen Gewächs, aber der dürfte jetzt langsam in das Alter kommen, wo wir je nach Jahrgang da auch schauen können, was ins Große Gewächs passen würde.



WS: So, über dieser hohen Mauer ist diese ganz spezielle, kleine Lage Monzinger Auf der Ley. Der Lagenname ist erst seit etwa fünf Jahren wieder zulässig, weil Auf der Ley eigentlich nur noch ein Katastername war, nicht mehr in der Weinlagenkartei. Und die Möglichkeit, eine alte Katasterlage, die eine wirkliche Besonderheit ist, wieder als Weinlage zu benutzen, gibt’s, wie gesagt, seit fünf, sechs Jahren. Wir gehen jetzt mal hin, schauen uns das an. Ist bodenmäßig, obwohl es direkt an den Halenberg anschließt, doch anders. Ich hab ja vorhin erzählt, dass da eine abgesunkene Scholle vollgelaufen ist mit Material aus dem Hunsrück. Das muss man sich so vorstellen, dass das Plateau, das hier obendrüber ist, identisch ist mit den Plateaus hierüber, so im Großen und Ganzen. Und dieser Urstrom, der hinterherkam, hat sich da reingefressen. Und von dem Urstrom liegt noch auf der Höhe auch Flusskiesel, und die ziehen sich jetzt hier auch in den oberen Hangteil mit rein. Und insofern unterscheidet sich dann der Boden schon vom Halenberg. Es ist noch steiniger, der Steinanteil ist noch höher, und der Boden magerer. Und hier bei diesen sehr, sehr alten Reben, die über 60 Jahre alt sind, sehen wir, dass die Unterschiede von Rebstock zu Rebstock wesentlich größer sind, als wir das vorhin gesehen haben. 


TS: Was hat er hier?


WS: Das ist Blattgallmilbe oder Pockenmilbe. Die können wir ignorieren, spielt keine Rolle, ist, wenn wir es positiv sehen, sogar Futter für eine Raubmilbe, die wir sehr schätzen und fördern, die uns eine andere Milbe vom Leib hält, die uns dann schädigen würde, oder die Reben schädigen würde, die wir als Rote Spinne bezeichnen. Also, hat mit Spinnen nix zu tun, heißt nur so. Das ist eine winzig kleine Milbe, und die saugt am Blatt, und dann wird das Blatt bronziert, und verliert einen Teil seiner Assimilationsfähigkeit.

Also, das geht dann auf Kosten der Reife. Aber wenn ein Wingert befallen ist, ich seh das sofort, dann bekommt der so einen Bronzeton. Und diese Blattgallmilbe ist, wie gesagt, auch Futter für die Raubmilbe, die die Rote Spinne kurz hält. Und hier von diesen schönen kleinen Träubchen, da gibt es dann ein Fass voll, Auf der Ley. Von dem dann 300 Magnum und zehn Doppel-Magnum zur Versteigerung gehen, und das ist dann das Große Gewächs in unserem Portfolio, das die puristischste Seite hat. Das extrem die steinig feinen Noten rüberbringt, in der Frucht weniger ausgeprägt ist als Frühlingsplätzchen und Halenberg. Aber für den Freak eine noch größere Eigenständigkeit hat, weil, ich wüsste nicht, wo in Deutschland es einen solchen Typ gibt, und das ist das Spannende hier dran. Leider sind hier auch schon ganz viele Stöcke eingegangen. Hier junge Stöcke nachpflanzen, können wir uns schenken. Die kriegen wir einfach nicht mehr hoch. Die brauchen zehn Jahre, bis sie mal halbwegs in der Reihe sind, und wenn es  dann einen trockenen Sommer gibt, dann graben die Alten den Jungen wieder das Wasser weg, und dann können wir die Trauben auf den Boden schneiden, weil sie keine entsprechende Qualität haben. Also insofern…


TS: Und heißt es, ihr gebt dem Berg… 


WS: Bitte? Ja, insofern werden wir nicht drumherum kommen, wann auch immer… irgendwann zu sagen, jetzt fehlen so viele Stöcke, jetzt müssen leider alle raus, und wir müssen einen Neustart machen.


TS: Aber man kann das nicht so, wie bei so einer Dreifelderwirtschaft, in Teilen machen?


WS: Genau genommen machen wir es ja hier so, da drüben ist der jüngere Teil. Dann haben wir hier vor zwei Jahren ein Stück ausgehackt. Also, wenn die Reben rauskommen, nennt man das Aushacken. Und da ist jetzt Luzerne in dieser Brachzeit drin. Luzerne hat sehr tiefe Wurzeln, ist eine Klee-Art, die Trockenheit auch am besten von allen Klee-Arten verträgt, und ist eine Leguminose. Leguminosen haben die Eigenschaft, dass sie Knöllchen-Bakterien an den Wurzeln haben und Luftstickstoff an sich binden, d.h., ja, aus der Luft Stickstoff in den Boden hineinbringen, und das ist eine sehr, sehr gute Regeneration des Bodens, und Vorbereitung für die nächste Rebengeneration. 

Also: zehnjährige Anlage. Dann kommt jetzt die Brache, die wahrscheinlich in zwei Jahren wieder bestockt wird. Den Teil, hoffe ich mal, dass er es vielleicht noch zehn Jahre tut. Und weiter drüben, das ist 30 Jahre alt. Also, insofern haben wir da genau die Abstufung, die du angesprochen hast.


TS: Dann muss man sich da auch gar keine so großen Sorgen machen.


WS: Ja. Und was wir da unten im Halenberg nicht hatten, das sind eben diese abgerundeten Flusskiesel. Je weiter wir hochkommen, umso mehr finden wir davon.



TS: Und hier kühlt dann der gute Hunsrückwind schon runter?


WS: Das… ja, den… normalerweise ist es so, dass die Lagen hier oben kühler sind als unten, wo wir vorhin standen. Weil, es gibt so eine Faustregel: 100 Höhenmeter machen ein halbes Grad jährliche Durchschnittstemperatur aus. Aber jetzt kommen wir wirklich an einen ganz speziellen Fall, den man hier in Monzingen betonen muss…, dass wir sehr unterstützt werden, oder die Reben, durch die Thermik. Wir haben ja hier ein Tal, das ungefähr einen Kilometer breit ist. Das ist das sogenannte Sobernheimer Becken. Ab Nahe abwärts hinter Sobernheim, wird das Tal eng, und Nahe aufwärts hinter Martinstein, oder in Martinstein, wird das Tal auch eng. Und hier haben wir zwei wichtige Dinge: zum einen die Kühle, die vom Hunsrück runterkommt, vom Soonwald, mit einer der größten zusammenhängenden Waldflächen überhaupt in Deutschland, die macht uns jede Menge frische Nachtluft. Und wenn es mal so grenzwertig wird, zu Zeiten, wo die Reben auch erfrieren können, sind wir dankbar dafür, dass das Tal breit ist, und die kalte Luft, die ja schwerer ist als warme, sich in der Fläche ausbreiten kann, und nicht so schnell hochsteigt. Das ist der eine Vorteil. 

Der andere ist, wenn es sonnig ist, entsteht natürlich im Tal auch Warmluft. Und die Thermik streicht hier über den Hang hoch, und das ist nicht über den ganzen Hang gleich. Den stärksten thermischen Fall haben wir hier in dem Bereich über dem steilen Wingert, an dem wir vorhin vorbeigefahren sind, der zum Halenberg gehört. Und weiter Richtung Sobernheim schwächt sich das ein wenig ab. Wenn die Reben austreiben, also, wenn die Knospen aufbrechen…, hier finden wir sie normalerweise noch einen Tag früher als da unten. D.h. die Thermik, der Aufstieg der warmen Luft, ist so bedeutend, dass der theoretische Nachteil der Höhenlage und der Windoffenheit gegen Westen vollkommen ausgeglichen wird. Das ist, wenn wir da um die nächste Kurve gehen, und, wo es genauso hoch ist in gleicher Richtung, ist schon anderthalb Klassen schwächer als hier. Ja, das ist ein wesentlicher Punkt.

Und, du kennst ja wahrscheinlich auch die Geschichte, warum der Halenberg Halenberg heißt? Weil er den Namen von den Halgänsen haben soll. Die Kraniche werden bei uns Halgänse genannt, und insbesondere, wenn sie im Spätherbst Richtung Süden, Südwesten ziehen, kommen hier Abertausende über unsere, über den Hunsrück rüber, und nutzen diesen warmen Zug der Hänge, um sich eventuell nochmal hochzuschrauben, oder so über Nussbaum hier reinzufliegen, und, wie das die Gleitschirmflieger auch machen, über der Hangkante lang, weil da der Zug ist. Dass sie eine Kurve fliegen hier, und übers Frühlingsplätzchen, und über Merxheim abdrehen nach Südwesten. Und, ja, irgend so ein Namensforscher hat vor zwanzig Jahren mal…, kam zu dem Schluss, dass der Halenberg von den Halgänsen seinen Namen haben soll, eben weil beobachtet wird, dass sie die Thermik mitnehmen, und wir haben ja auch einen Wein, der Halgans heißt, der aus dem Halenberg stammt, wo wir die Halgans als Symbol für den Namen, wie auch als Symbol für das spezielle Kleinklima gerne anführen. Das sieht man auch optisch wunderbar, weil, es gibt eine, wirklich, das ist jetzt keine Übertreibung, an der ganzen Nahe keine Lagen, die so schnell schneefrei sind wie der beste Teil des Frühlingsplätzchens und die ersten 500 Meter hier dieses Hanges, in dem der Halenberg und Auf der Ley liegen. Das hat was mit der Thermik zu tun: es gibt keine Abschattung nach Süden, keinen Berg, der da Schatten wirft, und dann die Warmluft, die aus dem Tal kommt.


TS: Wieviel Schnee bekommt ihr hier denn noch?


WS: Selten. Aber, wenn es denn mal schneit, stellt man es dann doch fest. Und du weißt es ja, das kann sein, dass es mal einen Winter gibt, wo es alle paar Tage mal schneit, und es gibt auch Winter, wo die Temperatur nicht unter sechs Grad minus geht, und es überhaupt nix passiert. 

Ich bin schon mit dem Zug gekommen aus Richtung Stuttgart. Dann fährst du ja noch durch das ganze Neckartal, das war alles verschneit, die Großen Lagen am Rhein lang, der Rote Hang: verschneit. 

Der Rheingau: tief weiß, eine Ausnahme: der Rüdesheimer Berg, der hat nämlich auch dieses Thema. Und da ist uns auch, vor Jahren, als wir da mal spazieren waren nach der Weinlese, aufgefallen, das war solch ein Tag, wo die großen Schwärme Kraniche kamen, dass die auch sich da hochgeschraubt haben mit Mordsgeschrei, und weitergezogen sind. 

Ja, also, das sind die Lagen, die in der Thermik liegen, die dann schnell schneefrei sind. Also, auch die anderen Großen Lagen an der Nahe, von Münster-Sarmsheim über Niederhausen Schlossböckelheim waren dann alle weiß. Weil, dort z.B. über Niederhausen Schlossböckelheim ist das Tal enger. Da ist also längere Zeit Schatten auch von der anderen Seite, wenn die Sonne tief steht.


TS: Und, wie ist das, gibt es auch Konstellationen, wo der Schnee eher schützt?


WS: Wenn es ganz extrem wird. Also, ich habe das einmal erlebt. In der Silvesternacht von ´78 auf ´79. Da hatten wir… oder am 31. Dezember 1978 hatten wir morgens zehn Grad plus, Dauerregen, die Nahe ist aus dem Flussbett raus, stand schon auf dem Sportplatz. Und gleichzeitig war in den Tagen zuvor schon über Skandinavien eine Mordskältewelle im Anzug, mit riesigen Schneefällen, die normalerweise zu der Kälte überhaupt nicht passen. Aber ist dann manchmal so. Und dann hat das während des Tages einen Temperatursturz gegeben, von morgens zehn auf Mitternacht 23 Grad minus. Und wir haben bei uns mit Freunden Silvester gefeiert. Wir haben wunderschöne Fotos, jeder, einer nach dem anderen, haben wir abgelichtet, wie sie durch den Schnee gestapft sind, und, und, und…, aber zu Mitternacht wusste ich schon, was die Stunde geschlagen hat, ja. 

So, jetzt kommt die Frage, was macht dann der Schnee? Also, da hat der Schnee wahrscheinlich uns geholfen, dass die Stöcke im unteren Bereich, eben weil sie zugeschneit waren, nicht so kalt wurden und wir hatten relativ wenig Stockausfälle. Die Knospen waren erfroren, aber die Stöcke sind intakt geblieben. Das war ganz wichtig. Ein paar Jahre später, 1985, kam der Frost später. Als schon mal vorher Saft in den Reben war. Und dann reichen schon fünfzehn, sechzehn Grad. Und da hatten wir auch viel mehr Stockausfälle. Aber danach gab es keinen Winterfrost mehr. Also, gab es irgendwann nochmal fünfzehn, sechzehn Grad, aber wenn die Anfang Januar kommen, wenn der Stock noch in der totalen Ruhe ist, macht das normalerweise nix. Zwanzig Grad ist so, minus zwanzig ist eine kritische Phase. Also unter fünfzehn, sechzehn hatten wir schon ewig nicht mehr.

Ja. Man muss jetzt nur mal sehen, wie schnell das geht. Schaut man sich die Wetterkarte an, heißt es, ja, kommt Kälte von Russland und vom Norden. Und Berlin erstarrt in der Kälte, wie weit ist das dann? Das ist auf der Landkarte ja nix. Ruckzuck ist auch mal so eine Front wieder bei uns. Jetzt zu behaupten, dass es das nicht mehr gibt, wäre jetzt ein bisschen frech. 


TS: Das wird dann schnell bestraft.


WS: Ja.


TS: Und wo ist von hier aus jetzt dieses Halgans-Stück?


WS: Da gibt es keinen bestimmten Teil. Hier untendrunter, wo ich sagte, der junge Wingert, der noch nicht für das Große Gewächs gut ist, das ist dann z.B. so ein Lieferant. Aber das kann auch sein, dass in dem großen Block Halenberg, wo wir zuerst standen, dass da aus irgendwelchen Gründen da und da, das mal nicht ganz so speziell ist, dass es uns für das Große Gewächs reicht.


TS: Also, das ist dann nicht, dass das jedes Jahr aus demselben Stück kommt?


WS: Nein, nein. 


TS: OK.


WS: Also der untere, der Wingert hier, der ist in den letzten Jahren eigentlich zu 80 Prozent, oder in acht von diesen zehn Jahren, ist er am Halgans beteiligt, aber nicht ausschließlich.



TS: Sollen wir mal in den Frühling ziehen?


WS: Gut. Ja, also Frank hat ja auch was gesagt von, welche Technik man einsetzen kann, ja. 

Also, hier bei diesen relativ schmalen Reihen und krummen Stöcken, da können wir mit unserer Spezialraupe nicht rein. Da müssen wir dann halt mit dem Seilzug arbeiten, wie zu meiner Kindheit.

Und hier haben wir das so gemacht, dass da jede zweite Zeile aufgelockert wurde, und die andere ist nur gemäht worden mit dem Fadenmäher. Und nächstes Jahr machen wir es umgekehrt, dann ist die andere Zeile dran. Und wenn dann das Kraut schon ein bisschen hochsteht im frühen Sommer, dann stopft sich das ständig…, dann den Grubber ausheben, Unkraut rauspuhlen. Ja, das ist das, was er gemeint hat, was nicht so prickelnd ist. Und wenn wir eine andere Zeilenbreite haben, dann können wir halt die jetzt aktuelle Technik einsetzen. 

Einen Top-Wingert haben wir auch hier. Da gehen wir mal grad die paar Meter noch vor, weil, den hat‘s sonnenbrandmäßig schwer erwischt. 

Der hat einem Alterskollegen gehört, der leider so eine mysteriöse Krankheit hat, irgendwo zwischen MS und Parkinson, und jetzt schon seit sechs, sieben Jahren im Rollstuhl sitzt. 

Und der ist auch noch sehr niedrig gezogen, hat enge Reihen, auch zum Arbeiten nicht so prickelnd. Aber superschöne Trauben. Wird auch… das ist der erste, den wir lesen, auch lesen müssen, weil er am frühesten ist.

Und dort, wo es so ein bisschen schütterer ist, wo es ein bisschen nach Südwest schaut. Wo die Spätnachmittagssonne voll reingeknallt hat, da haben wir die heftigsten Sonnenbrandschäden.


TS: Hat sich das eigentlich verschoben, wann es am wärmsten ist im Tagesverlauf?


WS: Ich würde mal behaupten, das war eigentlich schon immer so, dass es so um zwei, drei Uhr am heißesten ist. Weil, es heizt sich durch die Sonneneinstrahlung am Boden alles schon auf - und die Sonne steht immer noch hoch. Und dann kommt alles zusammen: die Abstrahlung vom Boden und die unmittelbare Einstrahlung. 

So, wenn du jetzt so schräg von unten schaust, wie die Sonne geschienen hat, dann siehst du hier das Malheur. Ja? Also, hier haben wir wahrscheinlich 50 Prozent verloren. Also, an dem Stock mal locker. An anderen sicher weniger. Das ist weg, da passiert nix mehr. Hier ist der Stiel auch so geschädigt, dass kein Saft mehr reingeht. Wir machen jetzt aber nix dran, weil, es macht nur Arbeit. Entweder fällt das von selber ab. Und da die Stiele ja abgeschnürt sind, ziehen sie auch keine Kraft mehr vom Stock. Und dann machen wir sie…, müssen wir halt ein bisschen fuddeln, piddeln, wenn wir lesen. 

Ist schade, aber es ist halt so. Es gibt kaum ein Jahr, wo alles so rund läuft, dass wir überhaupt keinen Verlust hätten. Wenn das so planbar wäre, dass man so 90-100% durchkommt, dann wäre der Weinbau auch eine sehr lukrative Geschichte.

Wir müssen, denk ich mal, mindestens in Dekaden denken. Besser noch in Generationen. Und dann kriegen wir einen Ausgleich an guten und schwachen Jahren. Und es ist auch wichtig, wenn man dann mal ein paar gute Jahre hat, dass man nicht übermütig wird, und guckt, dass man sich auch finanziell auch ein bisschen auf sichere Beine stellt. 



TS: Wieviele Jahre pro zwanzig schreibt ihr ab?


WS: Also, in der Schule, und auch mit Rückblick auf die schlimmste Kalamität, die wir in den letzten 60 Jahren hatten, ging man davon aus, in einem Jahrzehnt ein Totalausfall. Also, die schlimmste Situation war 1956 - ich hab das nicht bewusst erlebt, aber das ist immer wieder in unserer Familie erzählt worden. 1956 gab es einen extrem kalten Winter, da sind die Knospen erfroren und, ich hatte noch das Kellerbuch vor zehn Tagen in der Hand, von meinem Großvater, und da stand drin, 400 Liter. 1957 sollen die Reben, die ganze Natur, extrem toll ausgetrieben sein, weil sie… ja, vorher hatten sie ja keinen Ertrag gehabt, da waren sie voll vital. Und das ganze Jahr soll sehr früh und sonnig gewesen sein, und Anfang Mai gab es dann einen abrupten Kälteeinbruch, und dann sind die Triebe, die wohl da schon so zehn, zwanzig cm lang waren, radikal abgefroren. Da haben sie 300 Liter geerntet. Wenn man sich das heute nur mal vorstellt, dass der Weinbau so eins auf die Mütze bekäme, dann wären wahrscheinlich mindestens 50 Prozent der Betriebe, nicht mehr zahlungsfähig. Weil, dann haste auch keinen Vorrat mehr, gell, der ist dann weg. 

Aber, gab es auch in dem Ausmaß nicht mehr. Das schlechteste Ertragsjahr, das ich erlebt hab, war 1980. Da lag es aber nicht an irgendeinem Frost, sondern da war der Sommer so kalt und nass, dass wir Mitte Juli noch nicht wussten, ob die Blüte jetzt vorbei ist oder nicht. Und, das ist dann halt reif geworden und die meisten Träubchen sind abgefallen, und dann gab‘s auch noch Peronospora, und, und, und. Also, mein Schwiegervater hatte einen Wingert, Zeilenlänge so wie hier, ungefähr 50 Meter, der hat keinen Lögelträger gebraucht, weil eine ganze Zeile in einen Leseeimer ging. 

Also, das war nicht viel. Das war das schlechteste Jahr: in der Menge und auch in der Güte. Musste fast froh sein, dass es nicht viel gab, weil der so schlecht war.

Werner und Frank Schönleber vor Fässern #Doppelstück

Harte Realitäten. Ein ganzes Jahr Arbeit, und dann nicht mehr als ein, zwei kleine Fässer im Keller.

Apropos Keller: dorthin zieht es uns dann in der nächsten Folge. Vorher geht es allerdings noch in die andere Große Lage des Hauses, das Frühlingsplätzchen, wo sich dann auch Frank Schönleber wieder zu uns gesellt.

Mehr dazu dann in zwei Wochen.

Wir freuen uns, wenn Sie dann wieder mit am Tisch sitzen.

 

Das war Folge 4 von Charakter/Böden, einer Yadastar-Produktion.


Redaktion, Interviews, Fotos: Torsten Schmidt

Schnitt & Mischung: Marc Übel

Titelmusik: Oliver „Dorian Concept“ Johnson und Denis „Adlib“ Hürter.

Musik: Marc Übel, Frank Westerkamp, Denis „Adlib“ Hürter

Logo & Cover: Jonathan Gehlen

Lektorat: Carmen Hofmann

Website: Jan Niklas Jansen


Wir danken allen Winzer:innen, ihren Teams und ihren Familien - heute ganz besonders Hanne, Frank und Werner Schönleber, Lukas Engelmann und Marvin Marx,  für ihre großzügige Zeit im Rahmen dieses Podcasts, und die Liebe zum Detail, mit der sie jeden Tag auf's Neue an die Arbeit gehen.


Wohlsein!