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Episode
008

Koehler-Ruprecht

Dominik Sona

Folge
008

Koehler-Ruprecht, Kallstadt/Pfalz (1/2)

May 16, 2021
mit
Dominik Sona
00:49:36

Trauben und Pfalz, Gott erhalt‘s

Willkommen zurück, zu Charakter/Böden, dem Ort, wo wir mit jenen sprechen, die meist nicht Barthel heißen, aber umso besser wissen, wo man den gescheiten Most herholt -  heute die Episode Numero 8. 

Die Pfalz und die Amerikaner, eine Geschichte, die in den letzten 75 Jahren vieles erlebt hat. Die zahlreichen Einrichtungen der US-Armee von Baumholder, Ramstein, Misau, bis hinüber nach Frankfurt und Heidelberg, waren lange Jahrzehnte der größte Arbeitgeber der Region, kaum ein (Ex-) Bundesligist hat mehr amerikanische Anhänger. 

Und auch, wenn Betriebsleiter Sona bei Koehler-Ruprecht eindeutig die Handschrift und Traditionen seines alten Chefs, des großen Bernd Philippi, weiterführt, wird hier auf dem Sand der "deutschen Toskana" unter der Ägide der neuen amerikanischen Besitzer der Kallstädter Saumagen einem Weltpublikum nähergebracht - unterstützt auch vom langjährigen japanischen Mitarbeiter Rei Suzuki und der Kellermeisterin Franzi Schmitt. 

Lange vor den Amerikanern kamen die Römer, nahmen Kalk und brachten Reben, ein Dialog, der in jenem Kallstädter Hause nicht nur bei Riesling, sondern auch bei Pinot Noir und Chardonnay immer wieder zu erstaunlichsten Resultaten führt. Kommen Sie also mit, warten Sie mit uns, bis der selbst in pandemischen Zeiten kaum versiegen wollende Verkehrsstrom auf der Deutschen Weinstraße Dominik und uns hinüber in den Wingert ließ. 



Dominik Sona: So…


Torsten Schmidt: Die Bude hier gibt es ja schon zwei, drei Tage, oder?


DS: Was sagst du? Ja, also der älteste Teil ist von 1556, wenn‘s denn wirklich stimmt. Und das Haupthaus von 1730 oder zumindest ist das - guten Morgen! - Schild von 1730. Und ich gehe fest davon aus, dass dann auch die Holzbalken so alt sind.


TS: Also war das noch vor dem Dreißigjährigen Krieg? 


DS: Ja, das ist Barock dann, genau. Und da sind auch noch relativ viele Häuser in Kallstadt, aus dem Barockzeitalter. Und die davor sind, da gab es ja sowas wie eine Dorfmauer oder Stadtmauer, die…, da sieht man nicht mehr so viel, da ist das meiste weg. Wahrscheinlich ist das im Dreißigjährigen Krieg doch ziemlich mitgenommen worden, wie die Pfalz ja im Allgemeinen. Ja, und das war früher Gewölbekeller. Das war so ein, ja, Weinkeller, Gemüsekeller, was auch immer drin aufbewahrt worden ist. Hier, wo jetzt das Kelterhaus quasi ist, das waren früher Stallungen. Und hier, wo die Flaschen im Moment stehen, das war ein Hühnerstall und so Sachen. Also, es war dann doch ein Gemischtbetrieb bis in die Anfang 1920er/1930er Jahre, und dann wurde es auf Weinbau umgestellt. 


TS: Dann erst komplett?


DS: Ja, komplett, ja. Und dann war hier das Weinkastell, also das Hotel-Restaurant. Das ist unterkellert. Das Haupthaus ist nicht unterkellert. Dann war das hier erst beim Weinkastell der Weinkeller inklusive unter dem Kelterhaus, und in den 60er Jahren wurde quasi der Hof unterkellert. Und in den 80er Jahren dann hinten das Lager neu gebaut und auch nochmal neu gekellert. Insofern, der ursprüngliche Keller steht leer, so wie auch der Gewölbekeller. Das ist jetzt das Refugium, quasi. Und der Hauptkeller ist jetzt hier aus den 60er und aus den 80er Jahren erst. Also relativ jung. Wobei, die Fässer, die im Keller liegen, können wir nachher auch mal gucken, die sind alle älter als der Keller an sich - oder fast alle. 


TS: Die Extra-Kellerfläche ist jetzt…


DS: Die wird genutzt vom Hotel und vom Restaurant für Lager, Trockenlager und Flaschenlager für die, und ein bisschen Wäsche, oder was auch immer da noch gelagert wird. Also, da haben wir im Prinzip nix drin. Das ist…, das wäre auch vom Ablauf her nicht mehr ganz so ideal, weil, das wurde nicht unbedingt nachgebessert. Wurde ein bisschen gespart. Ja, und wenn es gut läuft, fangen wir in zwei Wochen an, hinter dem Gebäude, das Grundstück gehört uns, ein neues Kelterhaus zu bauen. Also, dann haben wir dann quasi die Arbeit komplett aus dem Hof hier raus, mehr oder weniger, weil, die Flaschen stehen jetzt da, weil jetzt demnächst gefüllt wird, da muss halt immer eine Füllmaschine rein, dann ist es sehr, sehr eng und unhandlich. Und das Kopfsteinpflaster sieht zwar wunderbar aus, ist aber nicht wirklich gut drauf zu arbeiten, und dann wollen wir im Prinzip die komplette Arbeit umziehen, dass der Hof dann hier mehr oder weniger für unsere Kunden und für uns, vielleicht auch irgendwann mal später, zur Kerwe, zur Gastronomie zum Ausschank mal wieder genutzt wird. Mal abwarten, wie es so passiert jetzt. Ja, so ist der Plan.


TS: Und da vorne, das heißt nicht nur Weinstraße, sondern ist Teil…


DS: Das ist Teil der Deutschen Weinstraße, ja. Deutsche Weinstraße, Pfälzer Weinstraße, ist ja in dem Moment identisch, und das ist tatsächlich die Verbindung Nord-Süd-Achse Bockenheim-Schweigen, Schweigen-Rechtenbach an der französischen Grenze. War früher die Hauptstraße. 


TS: Und ist sie immer noch? Trotz Pandemie ganz ordentlich befahren…


DS: Ja, jetzt ist wieder…, man merkt keinen Unterschied mehr zu vor Pandemie und nach Pandemie. Ganz am Anfang von der Pandemie war entspannt. Wirklich, da war fast gar nix los. Aber dadurch, dass es im Dorf keine Umgehungsstraße gibt, ist halt die sehr, sehr stark befahren. Das ist so ein bisschen, wenn ich überlege, ich bin jetzt seit 10 Jahren da und parke eigentlich immer mal wieder gegenüber auf dem Parkplatz. Wenn ich die Parkscheibe umdrehe, dann… ich glaube, ich hab‘ von den zehn Jahren bestimmt ein halbes Jahr an der Straße gestanden und gewartet, bis ich drüberkomme, weil so viel Verkehr ist. Ja, ist doch viel los jetzt. Es gibt Leute, die plädieren für eine Umgehung und andere wollen, dass es so bleibt, wie es ist. Es ist halt schwierig, wenn… also, es würde uns zumindest für, es würde für mehr Ruhe im Dorf sorgen, garantiert, aber ob dann halt auch die Touristen weiterhin so kommen, kaufen und dann zum Henninger Essen gehen, die Frage stellt sich, ob das wirklich so ist. Also, dem Haus würde es guttun, wenn es nicht…, wenn es eine Umgehung gäbe, weil, wenn man sich die Risse da anguckt im Putz, und was schon runtergekommen ist, das sind die Vibrationen von der Straße. Dementsprechend würd’s dem alten Haus guttun, wenn die Straße, also, wenn es eine Umgehung gäbe, dann wäre weniger los. Aber das, die planen seit Jahrzehnten… dann muss man mal gucken, wie schnell das…, in Deutschland geht das ja nicht immer alles so schnell, bis es durch die Mühlen der Bürokratie ist. 

Das schönste Winzerhaus an der Deutschen Weinstraße


TS: Was hat es hier mit der Ehrenurkunde auf sich?


DS: Das war früher mal „Das schönste Haus der Weinstraße“, wenn ich es richtig lese. Da gab‘s halt eine Urkunde für. Das ist, heutzutage, gibt‘s das, glaub ich, gar nicht mehr, diesen Wettbewerb. `81. Heutzutage würden sie vielleicht die schönste Vinothek auszeichnen. Bin mir aber nicht ganz sicher, ob‘s diesen Wettbewerb noch gibt. Ich bin mir sicher, das ist aber hauptsächlich für vorne das Weinkastell gedacht, weil das ja auch mit dem Fachwerk wirklich wunderbar gemacht ist. Ja, das Weingut an sich ist… dadurch, dass es halt ein Barockhaus ist und kein Hochbarock, sieht es so schön gar nicht aus. Es ist jetzt nicht die Wieskirche. 

Siehste… so geht das mit dem Warten. Und noch einer… Da kommt unten schon das Wohnmobil. Also, der nächste von unten. So verbringt man seine Zeit am Straßenrand. 


TS: Die Pfälzer Gemütlichkeit.


DS: Ja, es geht halt nicht anders. Da müssen wir uns mit abfinden. Aber jetzt! 


TS: War das hier früher auch der Ortsmittelpunkt?


DS: Der Ortsmittelpunkt ist eigentlich eher bei der Kirche oben. Das war früher Schulhaus, bis sie es abgerissen haben. Die haben einen Parkplatz hier gemacht, und oben dann das Schulhaus neu gebaut. Also, weil halt…, so ein klassischer Ortsmittelpunkt ist eigentlich die Kirche, aber dadurch, dass das hier wirklich alles stark befahren ist, gibt es so den ruhigen Ortskern, den gibt‘s gar nicht. Das ist ein bisschen der Nachteil von dem Dorf hier, aber so ist es halt. Und es ist auch nur ein Dorf, obwohl es Kallstadt heißt, ne. 



DS: So, jetzt laufen wir im Prinzip einmal um die Schule drumherum, um den Kindergarten drumherum, und dann sind wir schon im Saumagen drin. Toplage. Zumindest glauben wir das.


TS: Hm?


DS: Zumindest glauben wir, dass das die Toplage ist. 


TS: Aber es war ja auch lange so eingetragen, oder?


DS: Ja, ja. Ist es nach wie vor. Also, ist auch, wenn man jetzt die Faktoren wie Klimawandel betrachtet, und die Bodengegebenheit, dann ist es auch in nächster Zukunft und mittlerer Zukunft immer noch eine der Toplagen in der Pfalz, vielleicht sogar eine von den besseren, weil halt die bevorzugten Lagen in der klassischen Mittelhaardt vor über 100 Jahren zertifiziert wurden, oder vor knapp 100 Jahren zertifiziert worden… nein, über 100 Jahren… fast 200 Jahren schon. Da war es halt noch kühler, das waren andere Argumente damals, und da ist es heute fast schon einen Tick zu warm. Und hier in Kallstadt sind wir ein bisschen höher gelegen, und da kommt die Reife später, und das tut uns im Moment ganz gut, so, wie es ist. Also insofern sind das eigentlich die neuen bevorzugten Lagen.

Das ist so wie die Nahe im Moment von allem profitiert, ne. Vor 30 Jahren war es an der Nahe noch kalt. Und heute machen sie Weltklasse-Riesling. Das kommt nicht nur vom Know-How.


TS: Ja, aber trotzdem gibt‘s da ja auch sehr unterschiedliche Ergebnisse.


DS: Ja, gut die Nahe ist, ich mein, ist ja wie die Pfalz auch, das ist ja ein langes Tal. Und ein bisschen verzettelt. Und die Pfalz hat ja auch 80 km von Nord bis Süd. Dass da nicht alles gleich ist, das ist ja logisch. 

So, schon stehen wir in einem Teil des Saumagens. Also, hier alles, was flach ist und was südlich ist. Bis zu der Hecke und dann über die Straße rüber, also, hinter den Häusern, geht er dann weiter, was dann Osthang ist. Der ursprüngliche Saumagen ist im Prinzip hier das, was wir jetzt so sehen. Das was sich so von Süden bis Osten dreht. Also, das war früher Kallstadter Kirchenstück, und das hinten raus war Kallstadter Saumagen Horn- also, das sind so die Toplagen von früher, weil es halt eben auch nach Süden hin blickt. Das sehen wir jetzt, die Sonne steht da wunderbar, und gleichzeitig ist es auch ein bisschen wie so ein Kessel. Und das merken wir jetzt nicht so, aber das merken wir abends im Sommer noch mehr, dass die Kaltluft… äh, die Warmluft, schnell abfließt und hier sowas wie das Mikroklima super beeinflusst. Das ist halt schon eine schöne Sache, was die Lage hier unter anderem ausmacht. 

Was sie dann noch mehr ausmacht ist, wir sehen jetzt hier oben das gelbe, hinterm Strommast, und auch hinten drumherum, das zieht sich jetzt im Prinzip bis dahinten, wo so eine alte Ruine steht. Das sind auch alte Steinbrüche, die Reste von römischen Steinbrüchen, da oben sehen wir es auch, überall wo noch so ein bisschen Kalk rausspitzt. Und das ist das, was die Römer früher genutzt haben, um die Häuser hier zu bauen bzw. danach noch die Generationen, und daraufhin haben sie dann später beschlossen, im Südhang dann die Weinreben anzupflanzen. Also, das kann eigentlich früher schon gar nicht so schlecht gewesen sein. Und das ist halt das, was die Lage so ein bisschen auszeichnet. Nicht nur die Drehung des Mikroklimas, sondern auch der massive Kalk, der da hinten im Felsen drinsteckt oder im Berg drinsteckt dann, ja…


TS: Also, wenn man ein Bild davon hätte, und den Strommasten und das Schild rausretuschieren würde, könnte es aber auch an ein, zwei anderen Ecken der Welt sein.


DS: Ja, wie denkst du? Ich bin mir nicht ganz sicher, an was du grad denkst, aber… also, ich hab‘ noch nix Ähnliches gesehen, da bin ich ganz ehrlich. Aber, oder an was denkst du?


TS: So südlich von Bonn ist es ja nicht so unähnlich. 


DS: Ja gut, südlich von Bonn, da kenne ich mich nicht so aus.


TS: Also, ich meine nicht Bonn/Deutschland, sondern Beaune im Burgund. 


DS: Ah, Beaune! Ja, gut, da wird ja oft…, da kann man anfangen, Vergleiche zu ziehen, von den Hügeln her mit Sicherheit. Wobei die Böden dort ein bisschen roter sind, da ist ein bisschen mehr Eisen im Boden, das haben wir nicht. Das können wir nicht kopieren, das brauchen wir nicht. Aber von der Ausrichtung her und von den Gegebenheiten her schon, das stimmt schon.


TS: Also, die Steinbrüche oben zwischendrin und…


DS: Ja, ja. Das stimmt. Also, die Pfalz…, ich will da die direkten Vergleiche nicht ziehen, aber dieser Nord-Süd-Streifen, den das Burgund ja auch hat, den hat die Pfalz auch schon ähnlich. Aber der Boden ist anders - und die Mentalität auch. 


TS: Apropos Mentalität. Die Saison geht ja wieder los. 


DS: Die eh…


TS: Die Pfälzer Saison.


DS: Wobei, dieses Jahr ja nicht. Dank Corona sind die Weinfest ja nicht ganz so großartig gesegnet. Wir müssen unsere Schorle aus dem großen Glas daheim trinken. Sehr schade, aber das ist auch nicht schlimm. Es ist alles nicht so dramatisch, glaub ich. Das wird nächstes Jahr wieder nachgeholt. Deshalb wird, glaub ich, allgemein nicht weniger Wein getrunken.


TS: Merkt ihr da was?


DS: Ja, also wir als Weingut sind garantiert beeinflusst, weil wir den Hauptfokus auf Export haben. Und im Export verkaufen wir hauptsächlich an die Gastronomie, und die ist ja weltweit im Prinzip zu. Und da merken wir schon ein bisschen was, ja. Das ist nicht ganz so angenehm. Aber wir sind immer noch…, wir können im Moment noch kostendeckend arbeiten, sagen wir‘s mal so. Das tut weh, gegenüber dem letztem Jahr sieht‘s nicht so gut aus. Aber wir hatten halt letztes Jahr auch ein sehr gutes Jahr dazu, das darf man nicht vergessen. Es ist schwierig. Aber wir produzieren halt jetzt keine 2,99€-Weine oder 3,50€-Weine, und dementsprechend hat man es sowieso schwer im Geschäft, ne. Wenn wir in dem Maßstab Weine produzieren würden, in dem Preissegment, dann hätten wir nie Probleme. Also, zumindest verkaufsweise, bilanztechnisch schon.  Weil, dann hätten wir die Kosten nicht ganz so gedeckt. Ja, aber das wird auch wieder… so langsam…, wir sind ja jetzt in der letzten Mai-Woche oder was, übermorgen ist Juni, glaub ich. Dadurch dass die Gastronomie jetzt so langsam wieder aufmacht, bei uns, in der Schweiz und drumrum, springt‘s jetzt auch so langsam wieder an. Also, wir sind in der Lage, nach wie vor, den kompletten Jahrgang zu verkaufen. Langsamer halt. Aber das ist gut so. Wenn wir jetzt Zukauf hätten, oder alle Jahre das gleiche produzieren würden an Menge, hätten wir ein Problem. Das ginge nicht ganz so gut. 


TS: Hast du das Gefühl, dass dadurch, dass es jetzt nicht nur ein reiner Familienbetrieb ist, sondern da halt auch andere Kräfte dahinterstehen, in so einer Situation entspannt damit umgehen kannst?


DS: Das… kann man…, das ist immer die Frage, wer dahintersteht. Also, wir haben jemanden hintendran stehen, der absolut passioniert ist, und der das Weingut liebt, die Region liebt, auch wenn er nicht hier lebt. Da ist die Sache schon entspannter. Auf der anderen Seite gibt es genug Familienbetriebe, die die Bank im Hintergrund haben. Da ist die Frage, wen hat man gerne im Hintergrund... Die Bank hab‘ ich nicht ganz so gern im Hintergrund. Aber das Leben ist ein Tick leichter. Nicht… nicht so, dass man sich drauf ausruhen sollte, aber es ist auf alle Fälle ein Tick…, ja, manche Diskussionen, bzw. Entscheidungen sind dann halt auch ein bisschen schneller getan, sagen wir’s mal so, gerade in der schwierigen Situation jetzt. Und dann muss man sagen, wenn man ein bisschen Kraft im Hintergrund hat, hat man auch nochmal seriös Zeit, um über ein paar Sachen nachzudenken. Da eignen sich Krisen ja eigentlich immer gut für. Dass man da nochmal nachdenkt, machen wir alles richtig? Was machen wir falsch? An was liegt‘s? Und da ist das jetzt im Moment eigentlich ganz günstig, die Zeit zu nutzen, weil wir eben wissen, wir können alles verkaufen. Auch wenn es ein bisschen länger dauert.


Dominik Sona vor Reben

TS: Vielleicht mal, um das klarer zu machen, der Name Koehler-Ruprecht, wo leitet sich der her?


DS: Der Name Koehler-Ruprecht kommt von dem früheren Besitzer. Und zwar hat ein – in den 20er Jahren, 1920er Jahren - ein Herr Koehler eine Frau Ruprecht geheiratet. Der kam aus Rheinhessen in die Pfalz, und der hatte zwei Mädels. Und eines ist Richtung Ludwigshafen gezogen, und die andere ist Richtung…, ist in Kallstadt geblieben, und hat dann einen Herr Philippi aus Bad Dürkheim geheiratet, und somit kam dieses Koehler-Ruprecht zustande und die letzten waren dann Philippi. Und hier ist unser Weinberg, da können wir mal kurz halten.

Und somit kam das, dass es halt im Prinzip dadurch, dass es ein paar Generationen Mädels waren, dass die Namen nicht mehr auf dem Etikett stehen, wie sie stehen. Und die… der letzte Besitzer, der Herr Philippi, war kinderlos, und hat sich dann irgendwann entschieden, das Weingut auch zu verkaufen. 

Und das wurde dann an einen Amerikaner verkauft, der das Weingut schon länger kennt und lange kennt, und mich kennt - oder wir kennen uns, auch schon eine gewisse Weile, und so hat er mich dann irgendwann mal gefragt, ob ich Lust hätte, das zu machen. Weil sich halt Herr Philippi, wie gesagt, aus verschiedenen Gründen, dann zurückgezogen hat. Ja. So kam der Name zustande, und es ist logisch, dass man einen Namen, der etabliert ist, dass man den auch beibehält. Und es ist auch ganz gut so, dass ein Name auf dem Etikett steht, der niemanden im Weingut gehört. 

So lässt es sich dann schon entspannter arbeiten bzw. freier arbeiten, geistig freier arbeiten. Wenn jetzt irgendwie mein Name auf dem Etikett stehen würde, würde man vielleicht doch manche Dinge nicht ganz so spontan entscheiden, dann würde man sich vielleicht doch manchmal irgendwie doch anders Gedanken machen. Aber ich finde es eigentlich so relativ befreiend, so zu schaffen, wie wir es im Moment tun können, ja, ohne dass halt der Name direkt draufsteht. Das hat schon seine Vorteile. 


TS: Wobei der Name Philippi ja so schon auch einen sehr großen Klang hatte.


DS: Ja, definitiv. Also, Bernd Philippi war einer der ersten in Deutschland, die angefangen hatten mit Barrique, Barrique-Ausbau. Ende der 80er Jahre. Chardonnay, Spätburgunder, Grauburgunder, Weißburgunder sogar. Und dementsprechend war das quasi eine Pionierleistung, insbesondere für den Chardonnay und für den Spätburgunder, und auch für trockene Prädikatsweine in der Pfalz, also, sowas wie Auslese Trocken, das hat man zwar gekannt, aber er hat das eigentlich eher richtig bekannt gemacht. Also, insofern hat er sich schon einen gewissen Namen erarbeitet, im Jargon, wobei damals…, oder in der Szene. Damals ist es halt aber auch so gewesen, da war er einer unter wenigen. Heutzutage ist man einer unter vielen. Also, heutzutage kann man sich zwar schnell einen Namen aufbauen, den aber wahrscheinlich nicht mehr ganz so schnell halten, weil viel mehr Möglichkeiten allgemein bestehen, und dementsprechend waren das halt auch gute Zeiten. Ja.

Aber der Weinbau ist ja eh mit viel Stilwechsel verbunden, also, alle zwanzig Jahre ändert sich der Geschmack, sagt man, oder erfindet sich der Weinbau neu. Und, dementsprechend müssen wir mal sehen, was kommt. Bei uns ist es auf alle Fälle alles gleich. Das ist das Schöne bei uns. Das ist auch das Schöne an unserem Besitzer, der will, dass alles bleibt, wie es ist. Und das hat der Herr Philippi im Prinzip auch damals, jetzt mal von den Barriques abgesehen, klargestellt, dass er im Prinzip so gemacht hat wie sein Vater, so gemacht hat wie sein Großvater. Und die Kontinuität, das ist etwas, was es selten noch gibt bei uns, nicht nur in der Pfalz, sondern eigentlich im deutschen Weinbau. Und dafür stehen wir da eigentlich ganz groß ein, dass das weiterhin auch so alles so ist, wie es ist. Das einzige, was sich ändert, ist das Wetter. 


TS: Was sind denn die Sachen, die… man spricht ja oft davon, dass man sich hier mehr Zeit gelassen hat.


DS: Eigentlich hat man sich nicht mehr Zeit gelassen, sondern man hat es gelassen, wie es ist. Also, man hat die Abfüllung, die gab‘s schon früher, immer, im Sommer, oder im Spätsommer, und das wurde halt irgendwann zum Frühling umgewandelt, weil die Leute frischere Weine wollten, CO2-reichere Weine, mehr Pfirsich-Duft und mehr was auch immer… 

Das war hier nie der Fall. Mit was man sich Zeit gelassen hat, das ist sowas wie mit unseren R-Weinen. Das sind die Reserve-Geschichten, die vier bis sieben Jahre nach der Ernte in den Verkauf kommen. Da hat man sich Zeit gelassen. Das ist quasi ein Novum gewesen, dass man da nicht nach dem Jahr, im Prinzip, der Lese den Wein verkauft hat, sondern dann später erst. Alles andere ist gleichgeblieben. Also, alles andere hat sich halt die Zeit nicht verändert. Und bei der R-Menge, die gibt es erstens nicht jedes Jahr, und von der Menge her ist es überschaubar, dass sich das im Prinzip jeder leisten kann, das auch mal mit seinen eigenen Weinen zu machen. Also, wenn man von 1200 Flaschen oder 2500 Flaschen spricht, dann leg ich sie halt mal fünf Jahre in den Keller. Da kann mir jetzt keiner sagen, dass deswegen sein Cashflow dermaßen nach unten sinkt, dass er Bankrott anmelden muss oder zur Bank laufen muss. Das kann nicht sein. Aber sonst hat sich im Prinzip, wie gesagt, von dem „wir lassen uns mehr Zeit und bla bla bla…“ - das stimmt nicht. Wir lassen es halt so, wie es früher war. Mehr Zeit haben wir trotzdem nicht. Ist nur anders verteilt, ganz klar. 


TS: Das ist ganz interessant, wenn du alte Sachen liest so über Otto, oder dann auch Bernd Philippi, da wird das auf jeden Fall immer sehr betont, dass… 


DS: Ja, ja, das ist so. Aber, wie gesagt, es ist eigentlich immer noch…, man lässt sich nur so viel Zeit, weil sie halt früher schon da war. Ja, und das ist ja das Schöne, die Kontinuität, die… nicht alle zwanzig Jahre den Geschmack verändern, nicht alle zwanzig Jahre den Stil verändern, nicht alle fünf Jahre das Etikett verändern und die Schrift verändern. Und das sind halt so Sachen, die es bei uns nicht gibt, und da muss man zum Teil mit leben. Wenn man jetzt als kreative Kraft bei uns ins Weingut kommt, dann muss man erstmal ein Stück zurücktreten, weil, ich kann jetzt neue Einladungskarten designen, ich kann aber das Etikett nicht neu machen. Und ich kann jetzt auch nicht einfach mal - was im Moment so modern ist - mal einen Pet Nat machen, das gibt‘s halt bei uns nicht. Das ist auch nicht schlimm. Damit muss man sich abfinden und das hat auch seine Vorteile. Da kann man sich auf das besinnen, um was es geht: Weine zu produzieren, die zwanzig, dreißig Jahre haltbar sind, oder noch länger, trockene Weine. Und das nächstes Jahr wieder. Weil, Aufgaben haben wir immer noch genug, weil, das Wetter ändert sich. Die klimatischen Veränderungen sind jedes Jahr zu spüren, jedes Jahr ist der Herbst anders, jeder Jahrgang ist anders, und das ist dann unsere Herausforderung in dem Fall, und nicht „oh, dieses Jahr machen wir ein Etikett, das ist rosa mit lila beschriftet“, oder was auch immer, und versuchen, es dann gewinnbringend an den Mann zu bringen. Das ist bei uns nicht so der Fall, ja.


TS: Was wir hier sehen, die Zeilen sind ja schon relativ breit.


DS: Ja, wir sehen hier zwei Weinberge, beide von uns. Das war - im Prinzip ist der jetzt aus 2016, glaub‘ ich, ´16 gepflanzt,´18 gepflanzt, ich bin mir nicht ganz sicher. Nach Corona-Zeiten ist jeder Tag gleich, da vergisst man so schnell die Zeit. Nee, der muss ´16 gepflanzt sein, und hier, der ist aus ´84. Und jetzt haben wir hier zwei Meter Zeilenbreite, und hier haben wir 1,80m Zeilenbreite. Das sieht man ganz deutlich. Man sieht aber auch, wenn man hier quer reinguckt in den Weinberg, von oben würde man es noch mehr sehen, hier sieht man es, das ist zwar nicht unserer, aber im Nachbarweinberg sieht man ganz gut: da fehlen viele Stöcke. Und ähnlich, wenn du jetzt hier hochguckst, ist es genauso. Man sieht Löcher in der Laubwand, und das liegt daran, dass wir hier im Riesling ein massives Esca-Problem haben. Also, dieser Pilzkomplex, der die Reben befällt, für den es auch noch keine Lösung gibt. Und wenn wir jetzt im Spätjahr nochmal herkommen, sehen wir, dass wir da 25 bis 30 Prozent Stockausfall haben. Und dementsprechend haben wir jetzt angefangen, einen Teil mal schon neu zu pflanzen, und wenn der dann wieder ein schöner Ertrag ist, nochmal drei, vier Jahre älter ist, nehmen wir dann wieder mal ein Stückchen weg, und dann nochmal ein Stückchen, bis wir irgendwann vorne sind, und bis dahin ist der dann auch schon wieder zwanzig, fünfundzwanzig Jahre alt. Also, das ist so der große Unterschied. Was die Zeilenbreite angeht, ist es halt, da gehen wir mit der Zeit, wenn man maschinell - was man in der Pfalz ja fast ausschließlich macht - bearbeitet, nicht Lese, aber die Bodenbearbeitung, dann kommen wir um zwei Meter Zeilenbreite fast nicht drumherum, weil wir ja im Prinzip herbizidfrei arbeiten, mit Mechanik unter den Zeilen, da ist 1,80m grenzwertig. Das funktioniert, aber zwei Meter ist bequemer. Dafür pflanzen wir aber keinen Meter Stockabstand, sondern 80cm Stockabstand, und haben dann am Schluss trotzdem immer noch 6200 oder 6300 Reben auf dem Hektar. Also immer noch mehr als der Pfalz-Durchschnitt. Und insofern kommen wir da schon wieder auf die Pflanzdichte bzw. die Belastung pro Stock ist nicht ganz so hoch. Und das ist dann, insofern ist das nicht so schlimm, dass wir dann 20cm mehr Zeilenbreite haben. Und hier ist es dann 1,80m auf einen Meter oder 1,20m, dann kommen wir auf dieselbe Anzahl pro Stöcke. Das auf alle Fälle, ja.

Ansonsten, vom Erziehungssystem her lassen wir alles, wie es ist. Das ist ein Halbbogen, weil wir ja verschiedene Male im Herbst durchgehen und unsere verschiedenen Traubenqualitäten rauslesen. Also Kabinett, Spätlese und Auslese, und dann die R-Weine, und dementsprechend ist ein Halbbogen förderlich, weil, beim Flachbogen ist die Qualität der Traube relativ homogen. Beim Halbbogen ist sie hinten anders als in der Mitte und als am anderen Ende vom Bogen, und dementsprechend können wir uns da so ein bisschen unsere Kabinett-, Spätlese- und Auslese-Qualitäten auch dann rauslesen. 


TS: Wie lang dauert das dann, bis man die Lesemannschaft darauf geschult hat?


DS: Die, die hier sind…, also die längsten, die hier sind, die sind seit über 30 Jahren da. Die wissen mittlerweile blind, was sie machen sollen bzw. wenn ich‘s sag. Blind wissen sie es dann auch nicht, aber man muss es dann sagen… und dann sind wir aber auch eine kleine Mannschaft. Wir sind acht bis zehn Leute, und die, die lange dabei sind, die können den anderen ganz gut über die Schulter schauen, dass man das relativ schnell lernt.

Aber, ohne dass man morgens mit draußen ist, und dann zwischendurch nochmal nachguckt und mittags nochmal guckt, wie sie es machen, geht‘s dann auch nicht. Es ist aber, wie gesagt, es liegt halt auch daran, dass jedes Jahr auch anders ist. Jetzt haben wir Blüte, und jetzt entscheidet sich, wieviele kleine Beeren wir haben. Wenn sie verrieseln, gibt‘s viele Jungfernbeeren, wenn nicht, werden sie relativ kompakt… und dann, das ist jedes Jahr anders. Und dementsprechend ist dann jedes Jahr im Herbst die Startvoraussetzung eine andere oder eine neue, und dann muss man schon nochmal intensiv gucken, wie man es macht. Also auch die, die seit dreißig Jahren da sind, denen muss man schon auch nochmal am Anfang sagen, „pass auf, ich hätte es gerne so oder so…“ oder „wir machen das jetzt dieses Jahr so und so…“, aber das klappt ganz gut, das spielt sich ein. 

Wir haben ja noch mehr Wingerte drumherum zum Einarbeiten, und im Prinzip läuft es immer so, dass wir drumherum erstmal alles ernten, und dann den Saumagen hier, das Hauptstück zum Schluss dann holen. Bis dahin haben sie es kapiert. Und wir auch. Und wir dann auch, ja…

Und die Lese… die Lese erfolgt dann per Geschmack und nach Augenschein, also nicht nach Öchsle. Das ist nicht so wichtig. Dadurch dass es so warm wird in letzter Zeit, erreichen wir diese Mindestmostgewichte ganz entspannt. Und dann wird halt nach Geschmack und Intensität gelesen, und das funktioniert aber ganz gut. Danach später dann ausgebaut.

Wo wir gerade von Trauben sprechen...


TS: Wie hat man sich das denn vorzustellen? Wo wird da was probiert? 


DS: Also, im Prinzip schauen wir uns die Trauben…, man schaut sich die Traube an. Und dann guckt man optisch, ob es gesund ist, das ist ganz klar, die muss gesund sein. Und dann guckt man nach der Farbe: grün, hellgelb, goldgelb, bernsteinfarben. Und dann halt auf die Mehrheit der Beeren an den Trauben. Guckt man erstmal optisch. Und dann probiert man, und dann ist es natürlich persönliche Geschmackssache, logischerweise. Harmonie zwischen Säure, Zucker, und Extrakt, also die Intensität des Geschmacks, also, Traubengeschmack. Und dann kann man optisch nochmal gucken nach den Kernen: sind die braun, lösen sie sich leicht vom Fruchtfleisch oder bleiben sie noch dran hängen, und so Sachen. Das sind so die Argumente, die man dann hat und vorbringt, und im Notfall muss man halt auch mal ganze Trauben in den Mund nehmen. Man dann zwar halt einen vollen Mund, aber dann weiß man ungefähr, wie der Saft schmeckt. Man kann dann immer noch nicht sagen, ob der Wein gut wird, ne. Weil, der Wein entsteht ja durch Gärung, und Gärung ist ja nochmal ein komplett lebendiger Prozess. Der kann nochmal vieles verändern, aber so hat man zumindest mal die Grundvoraussetzung im Most, dass es eigentlich nicht schlecht werden kann. 

Also, dann haben wir mal hier zumindest nix falsch gemacht, wenn wir alles nach unserem Geschmack so in den Keller holen, und dann müssen wir uns dann im Keller wieder andere Sorgen machen. Aber das ist wie mit allem im Leben. Das wäre zu einfach, wenn es nur die Lese wäre.


TS: Wie ist es mit dem Bewuchs oder was wird bearbeitet? Was lasst ihr stehen?


DS: Also, wir lassen im Prinzip das, was wir an Grün in der Zeile sehen, ist letztes Jahr eingesät worden. Das sind 40 bis 50 Kräuter mit einem Hauptanteil Roggen, dass er schnell hochkommt, dass er schnell befahrbar ist, sagen wir‘s mal so, und sich die anderen Kräuter ein bisschen dran hochhangeln können. Das wird dann gemäht und gemulcht. Und die andere Zeile, die offen ist, die ist im Prinzip von vor zwei Jahren dann eingesät gewesen. Also, das, was wir jetzt grün sehen, ist nächstes Jahr offen, und umgekehrt. Und somit versuchen wir im Prinzip die Düngung, also, die sogenannte Gründüngung dann einzustellen, in dem wir halt Kräuter und Pflanzen haben, die Stickstoff aus der Luft sammeln bzw. Stickstoff sammeln, also, was da im Boden ist, dass er nicht abgeht, und noch andere Nährstoffe, dass uns das alles ein bisschen im Prinzip hilft, dass der Weinberg nächstes Jahr wieder grün wird und wächst. Weil, ohne Düngung in jeglicher Hinsicht geht‘s dann in dem Fall nicht. Zusätzlich müssen wir nicht düngen, zusätzlich bringen wir noch ein bisschen Kompost aus, und Gesteinsmehl halt, für die Biodiversität und für den Boden dann, dass er halt ein bisschen reichere Struktur hat, ein bisschen mehr Humus hat, und vor allen Dingen Wasserhaltekraft kriegt. Weil, wir sehen ja jetzt, es ist trocken überall wieder in Deutschland, wir sind schon wieder im Minus, im Defizit, und da hilft sonst nix mehr, wie ein humoser Boden, der das Wasser halten kann. Weil, wir könnten Tröpfchenbewässerung reinziehen, aber dann brauchen wir auch wieder Wasser, das man herholt, das ist dann immer so eine Sache, wo man es ein bisschen schwierig hat.

Ja und… Laubschnitt ist dann die nächste Arbeit. Das wird dann in zwei Wochen soweit sein. Jetzt lassen wir es erstmal schön durchblühen, und dann gucken wir mal, wie es weiter geht. 


TS: Was das Blühen angeht. Ein bisschen weiter runter die Haardt sieht man ja auch sehr viele Blumenstöcke am Anfang der Zeilen…


DS: Ja, das machen viele, oder früher viele, die machen Rosenstöcke an die Enden der Rebzeilen. Das sind Indikatoren für Mehltau. Ist nicht derselbe Mehltau, der die Reben befällt, aber es ist immer noch ein Mehltau, der später dann, also, wenn er an die Rosen kommt, dann ist er später an den Reben. Das machen wir nicht, das ist extra Arbeit. Sieht zwar schön aus, aber ist dann nochmal extra Arbeit, die wir uns im Prinzip sparen. Wir versuchen, die Blüte dann in die Begrünung zu bringen, dass wir im Weinberg ein bisschen mehr Artenreichtum haben, und nicht nur die paar Rosen am Endstickel.


TS: Was sind diese lilanen, die man öfters in den Zeilen auch sieht?


DS: Das sind Malven, ein Kreuzblütler, soweit ich weiß. Die müssten ein bisschen was aus der Luft dann an Stickstoff ziehen. Das sieht man, und dann sieht man violette, das blüht im Moment eigentlich auch, das sind Wicken, Winterwicken, die sammeln auch Stickstoff aus der Luft dann. Die helfen uns dann, wie gesagt, der Stickstoff ist der Bau fürs nächste Jahr dann, wenn dann der Weinberg oder die Begrünung gebrochen wird.


TS: So für alle die, die in Chemie dann immer geschlafen haben: es ist ja beim Weinbau recht viel von Stickstoff die Rede.


DS: Ja, ja, ich hab‘ aber auch lang geschlafen, gell. 


TS: Wieviel weißt du denn darüber am Ende? Weil, auch bei den Philippis ist oft von Stickstoff die Rede, wurde ja nur organischer Stickstoff verwendet und sonst nix, und so weiter. Was hat es denn damit auf sich?


DS: Das ist… also, man sagt… Stickstoff ist ein Thema, das wird… das ist, wie der Weinbau alle zwanzig Jahre neu erfunden wird, ist die Stickstoff-Empfehlung alle zwanzig Jahre, alle dreißig, vierzig Jahre wahrscheinlich, eine andere. In den 60er, 70er, 80er Jahre noch, ging man von einem Stickstoffbedarf für den Weinberg von 200 bis 250 Kilo aus. Pro Hektar, pro Jahr. Und heutzutage geht man von 40 Kilo aus. Und das ist halt ein Riesenunterschied, ne, logisch. Und dementsprechend heißt es, dass die Rebe eigentlich gar nicht so viel Stickstoff braucht, wie man früher noch gedacht hat. Wir sind der Überzeugung, weil, wir wissen es nicht, über die Begrünung, wieviel Stickstoff wir einbringen oder nicht. Aber wir sind der Überzeugung, man sieht das Laub, es ist schön grün, es ist dunkelgrün unten, oben noch ein bisschen hell, weil, das ist noch jung, aber wir sehen dann später im Sommer schön, dass es dunkelgrün, wirklich gut ist, und das ist dann schon ein Zeichen, dass genug Stickstoff dann auch da ist. Wieviel Kilo wir aktuell ausbringen, kann ich noch nicht sagen, weil das halt wirklich über die Begrünung gemacht ist, oder kontrolliert ist, in Anführungsstrichen.


TS: Wie lang wird sowas brach liegen lassen?


DS: Das ist jetzt der Nachbar von uns. Das ist eigentlich ungewöhnlich. Das ist jetzt schon das dritte Jahr. Normalerweise brechen… normal ist es noch kein halbes Jahr. Wir haben dieses Jahr mal einen Wingert neu gepflanzt, den haben wir jetzt sieben Jahre brach gelassen, weil, da haben wir ein bisschen Nematodenproblematik. Deshalb lassen wir den jetzt mal ein bisschen länger liegen. Betriebswirtschaftlich, kurzfristig, macht‘s keinen Sinn, einen Wingert liegen zu lassen, weil, wir verlieren jedes Jahr Geld. Langfristig, auf alle Fälle, weil sich der Boden halt doch erholt. Wir sprechen ja hier schon von einer gewissen Monokultur Weinbau. Das ist zwar ein hässliches Wort, aber das betrifft uns schon. 


TS: Wobei, hier im Gegensatz zu anderen Orten, man sieht ja hier ziemlich viele Büsche und Obstbäume, zwischendurch auch gern mal einen Feigenbaum.


DS: Ja, wir laufen jetzt so außenrum, da hinten ist sogar ein kleiner See. Die Pfalz ist…, also, man schimpft ja viel über die Flurbereinigung, wirklich viel, sie hat aber auch ihre guten Seiten. Und das ist, das sind ja die ganzen Bäume, das wurde alles in 1986, ´84, flurbereinigt, und vorher war das schon ein bisschen mehr Monokultur. Und da wird schon viel mehr… also, wenn es heute flurbereinigt würde, wäre jetzt der kleine, da drüben, so ein kleines Rinnsal, dem würde man mehr Wege geben, also, würde man noch mehr machen. Siehste, es ist schön, dass dir das auffällt, ein Winzerkollege aus Kalifornien, der war vor drei, vier Jahren mal da, sagt der, „das kann ich mir gar nicht vorstellen…“, der kennt nur das Burgund, und ein paar andere Regionen, aber in der Pfalz war er das erste Mal. Sagt der, „sag mal, ihr habt da so viele Hecken und Sträucher und Platz, was ist denn mit euch los?“

Sag ich, „na ja, die Flurbereinigung hat auch ihren Vorteil.“ Also, wir haben schon viel mehr, wir tun was für die Umwelt, das kann man so, muss man so stehen lassen. Das tut dann zwar weh, weil man halt auch Land abgeben muss, aber der Allgemeinheit tut‘s gut. Und es ist auch schön, wenn ein paar Vögel pfeifen und Insekten da sind, da hat jeder was von. Die Umwelt auf alle Fälle.


TS: Die Rebfläche, wenn man so zurückschaut, scheint ja immer in einem relativ ähnlichen Bereich gewesen zu sein.


DS: Es gab zwischendurch mal ein bisschen mehr, weil das Weingut Henninger mit bewirtschaftet wurde, da waren es mal über zwanzig Hektar, 22 Hektar, glaub ich. Und jetzt sind wir bei zwölf. Aber es ist im Prinzip, der Kern Koehler-Ruprecht, das ist immer ähnlich. Also, was ist ähnlich? In den letzten dreißig bis vierzig Jahren. Wir haben ja noch Aufzeichnungen von den 20er Jahren, damals noch vom Verband der Naturweinversteigerer, da hatten sie dreieinhalb Hektar. Und waren ein Großbetrieb. 

Siehste, da sehen wir also nochmal schön von dem Steinbruch Überbleibsel, und das ist auch richtig schön… ausgehauen, der war noch relativ lange in Betrieb, der Steinbruch da. Ich denk, dass der bis Anfang der 80er Jahre noch in Betrieb war sogar.

Ja, die Betriebsgröße ist unterdurchschnittlich in der Pfalz, aber die Woche hat nur sieben Tage, ne? Wir könnten im Keller fünfzehn Hektar wahrscheinlich einlagern, bevor wir einen neuen Keller noch bauen müssten, und dann hätten wir gleichzeitig wieder mehr Bedarf an Personal, mehr Bedarf an Fässern, und wir müssen es vor allen Dingen dann auch verkaufen. Und dementsprechend versuchen wir, uns so zwischen zwölf und fünfzehn Hektar zu bewegen. Also, was die Wingerte von der Fläche angeht, sind wir jetzt nicht erpicht, gnadenlos zu wachsen, wie viele andere. Sondern da geht‘s auch ein bisschen um…, also, unser Besitzer sagt das immer so schön, „Nachhaltigkeit, die hört nicht im Weinberg auf, oder im Keller auf, sondern die hat auch ein bisschen was mit Betriebswirtschaft zu tun“. Und deshalb versuchen wir, auch betriebswirtschaftlich mehr oder weniger nachhaltig zu schaffen, weil, es bringt uns nix, wenn wir sagen, wir machen noch mehr und noch mehr und haben dann mehr Kosten als Ertrag zum Schluss, nur dass wir mehr haben. Da ist auch nicht Sinn der Sache. Und dann ist halt auch die Frage, was für Weinberge stehen zur Verfügung, was kriegt man zu kaufen oder zu pachten. Und da gibt es halt auch nicht immer das, was man gern hätte. Beziehungsweise, das, was wir kriegen könnten, das wollen wir dann nicht. Insofern sind wir mit dem, was wir im Moment haben, ganz zufrieden. Und, wie gesagt, die Woche hat nur sieben Tage, und die sind relativ gut erfüllt im Moment. Also, was heißt erfüllt, die letzten paar Wochen nicht, aber davor…


TS: Aber ordentlicher Wind…


DS: Ja, ja, seit Wochen, ne? Also, man könnte meinen, der Virus steht im Zusammenhang mit dem Wetter, oder umgekehrt. Es ist hervorragendes Wetter, Wind geht. Beste Bedingungen für, also für uns, für den Wingert ist es hervorragend, weil Pflanzenschutz ist auf ein Minimum runtergesetzt. Es ist trocken, es geht Wind, also, die Pilze, der Mehltau und so weiter und so fort, hat im Moment keine Chance. Das ist so schön. 

Siehste, das sind die Winterwicken, das lilane. Die wachsen jetzt normal. Also, dieses Jahr sind sie jetzt nicht mehr im Wingert, weil sie schon abgemulcht sind oder schon untergearbeitet sind. Das ist halt das, was so ein bisschen am Wegrand noch ist.


TS: Das ist ja jedes Jahr so ein neues Pokerspiel: hast du genug Wasser im Berg? Oder hast du zuviel? 


DS: Das ist das, was oftmals vergessen wird, wenn man das Glas Wein in der Hand hat, dass es die wichtigste Zahl auf dem Etikett ist, der Jahrgang. Das ist das einzige, was den Unterschied macht, weil, jedes Jahr… es geht von vorne los. Es ist kein Jahr wie das andere. Es wäre manchmal zu schön… 

Auf der anderen Seite ist es aber auch wieder die Herausforderung, weil man halt auch das wieder im Glas dann schmeckt, ne? Also, wir können jetzt das schönste Wetter haben, nächste Woche kann es anfangen zu regnen, kann es acht Wochen am Stück regnen, dann war das ganze Frühjahr für nix. Dann ärgert man sich über den Regen, aber man kann es ja dann auch nicht ändern. Insofern muss man das akzeptieren. Das ist das Schöne und gleichzeitig manchmal ein bisschen Beängstigende: man hat eine gewisse Ohnmacht und kann nur im Weinberg, im Prinzip, arbeiten… - siehste, das blaue ist eine Wegwarte - … bloß im Weinberg so ein bisschen für und gegen arbeiten, zu versuchen, gegenzusteuern. Aber es ist jedes Mal eine Herausforderung. Das ist auch schön so, weil, wenn man die nicht hätte, die Herausforderung, was will man denn sonst für eine haben? Zumindest in beruflicher Ebene. Und dementsprechend ist es manchmal auch zu bewundern, dass die Pfälzer so ruhig bleiben, so entspannt… ach Gott.

Ja, aber wenn ich jetzt sehe, das ist aber allgemein, ich mein‘, vor zwanzig Jahren haben wir noch gesagt, in Australien, Kalifornien ist immer alles das gleiche Wetter, alle Tage dasselbe - oder Südafrika genauso - aber die erleben den Klimawandel jetzt genauso extrem, wie wir es ja auch erleben.

Also, auch da sind mittlerweile die Jahrgangsunterschiede größer, wie sie mal waren. Und auch die Jungs haben ein bisschen mehr Arbeit jetzt. Ist gut so, weil, Wein ist ja kein Getränk, ne, ist ja Kulturgut.  Und dementsprechend darf das schon ein bisschen eine Herausforderung sein, das zu produzieren. Und nicht einfach nur Trauben pressen, Hefe drauf und filtrieren, und dann wieder vertickern, das wäre ein bisschen zu einfach.


TS: Da kannst du auch Bier brauen. 


DS: Ja, na! Die gucken ja auch auf ihre verschiedenen Herkünfte vom Hopfen oder vom Wasser oder was auch immer. Aber Bier ist schon eher ein Getränk. Wobei, es macht auch eine Gärung, also die Gärung ist doch nochmal schon ein Unterschied. Ja.



Über das Potenzial jener Gärung, und die Philippis, die dies schon früh erkannten, sprechen wir dann in der nächsten Folge. Mit der Kellermeisterin Franzi Schmitt geht es dann auch hinunter in ihr Reich und die dazugehörigen Details. Wir erfahren nebenbei, dass ein Adler auf dem Flaschenhals nicht zwangsläufig alles einfacher gestaltet. Und hören sowieso allerhand von der Pfälzer Lebensart, wo auch das Lebenselixier des Landstrichs, die Weinschorle, selbst in einem Qualitätshaus von Weltrang nicht fehlen darf.

Ansicht: Lagepotenzial


Das war Episode Nummer Acht 8 von Charakter/Böden, einer Yadastar-Produktion.

Ohne die Wunderwerke von Marc Übel würden Sie hier nichts hören, und noch weniger verstehen. Carmen Hofmann hilft im Nachgang, dass Sie die transkribierten Worte auch lesen können, ohne der Mundart mächtig zu sein. Torsten Schmidt sorgte für Redaktion, Interview und Fotos, Frank Westerkamp heute für die zusätzliche Musik. Die Titelmelodie, wie immer, von Oliver Johnson und Denis Hürter. Das Logo und Gestaltungskonzept stammt von Jonathan Gehlen, Jan Niklas Jansen sorgt dafür, dass alles seinen Platz im Digitalen und damit zu Ihnen findet.


All unsere Arbeit wäre nichts ohne all jene, die jeden Tag, bei Wind und Wetter draußen im Hang und unten im Keller dafür sorgen, dass aus Gestein Wein wird – ausdrücklich, danke dafür! 

Und heute natürlich ganz besonders Franzi Schmitt, Rei Suzuki und Dominik Sona. 

Wir freuen uns auf Sie und den nächsten Teil in zwo Wochen. 


Wohlsein!