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Episode
003

Dönnhoff, Nahe

Helmut Dönnhoff

Folge
003

Dönnhoff, Oberhausen / Nahe (2/2)

Mar 7, 2021
mit
Helmut Dönnhoff
01:40:30

Vom Geschmack der Herkunft

Im ersten Teil dieses Gespräches, zu finden als Charakter/Böden Episode 002, drehte es sich im Wesentlichen um die Haupt-Grand-Cru-Lage des Hauses, die Herrmannshöhle.


Heute geht es nun hinüber zu den anderen großen Lagen des Hauses.

In der Kupfergrube erfahren wir mehr über die Kreuznacher Weinheiligen und die preußischen Mustergüter der Nachbarschaft. Auf dem Türmchen des Felsenbergs geht es um die Technisierung und den Pflanzenschutz, immer wieder um die Demut gegenüber der Natur und den Respekt gegenüber den Personen, die Dinge angepackt und  weitergetrieben haben - selbst wenn im Dellchen die Worte mitunter vom Wind verweht werden.

Auch gegenüber seinem Großvater, dem Namensgeber Hermann, von dem und dessen Vorfahren Helmut Dönnhoff abschließend  im Leistenberg erzählt.

Mein Name ist Torsten Schmidt und folgen Sie uns gerne - zu Anfang dieser Episode stehen wir oberhalb der Nahe kurz vor der Kupfergrube, der Blick geht hinüber auf das Anwesen, das man heute als Gut Hermannsberg kennt.

TS: Das haben euch auch die Preußen eingebrockt, oder?

HD: Ja, nicht eingebrockt… Es gibt ja nix schöneres, wenn hier in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Gut erstellt wurde, weil man gesagt hat…, also, diese Weinberge, Niederhausen, hier, die Hermannshöhle und die Nachbarweinberge sind sehr viel älter wie das Gut. Auch im Hintergrund, der Schlossböckelheimer Felsenberg, wo wir jetzt hinfahren, ist sehr viel älter. Hier, das Mittelstück war kein Weinbau, da war Wald. Und dann, nach dem deutsch-französischen Krieg, also vor dem Ersten Weltkrieg, war ja auch eine Hoch-Zeit, wo man investiert hat in den Weinbau, und wo dann im preußischen Parlament der Entschluss fiel, Mustergüter zu schaffen in jeder Region. Und, ja, die also Aufgaben übernehmen, die die Weingüter nicht hatten, also, Versuche auch zu machen, und maßgebend zu der Imagebildung einer Region beizutragen. Und da fiel also die Wahl, nachdem…, die haben also die ganze Region begutachtet, fiel also die Wahl auf diese Fleckchen Erde, ja. Dann wurde das ja mit einem immensen Aufwand, teilweise mit Strafgefangenen, in der Form, wie es heute da ist, geschaffen und erbaut. Und das ist ja ein Zeichen dafür, dass dieses Teilstück des Flusses nicht so schlecht ist für Weinbau. Das Gut hier war ja 100 Jahre im Staatsbesitz, oder annähernd 100 Jahre, und wurde dann privatisiert, und hat jetzt vor zehn Jahren noch einmal den Besitzer gewechselt. Und insofern ist das jetzt nix Eingebrocktes, sondern im Gegenteil: es ist schön, dass so etwas da ist. 

TS: Aber das war auch Forschungsanstalt, oder?

HD: Nein, nein, Forschungsanstalt, das ist verkehrt, das war als Mustergut… Also wurde in dem Gut logischerweise sehr viel… also, Klonen-Selektion…, und dann auch, was ich erzählt habe, über Beregnung…, also sehr viel Versuche gemacht, die ein Privatbetrieb nicht machen würde, weil es einfach zu teuer wäre, und nicht zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt. Ich sag mal, der betriebswirtschaftliche Erfolg in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, also wo der Betrieb stand, stand nicht im Vordergrund. Sondern es stand im Vordergrund, die Umwelt mit neuen Erkenntnissen zu befruchten, und trotzdem natürlich auch, tolle Weine zu machen. Der Weinbau draußen ist die eine Seite, und auch die Kellerwirtschaft ist ja die zweite Seite der Weinproduktion. Auch dort, ich sag mal, Erkenntnisse, die man von Schulen und Forschungseinrichtungen hatte, anzuwenden. Sozusagen war dieser Betrieb ein bisschen Mittler zwischen den Forschungsergebnissen und den Weinbauern. Dass also Sachen, die veröffentlicht wurden, aber die ein Weinbauer vielleicht nicht die finanziellen Mittel hatte, auch nicht die Kenntnis hatte, weil nicht jeder war so hoch ausgebildet, umzusetzen, um die anderen zu lernen. Also, es war nicht gegründet als Forschungsinstitut, dass also Weinbauforschung gemacht würde. 

Das waren andere Gründungen, das waren also die Schulen. Wobei hier, die preußische Lehr- und Versuchsanstalt war Bad Kreuznach, das ist ein zweites Weingut. Es gab zwei Weingüter hier in staatlicher Hand. Hier das Weingut, was also sehr viel mehr auf Vermarktung auch programmiert war, also Öffentlichkeitsarbeit. Von der Schönheit der Lage natürlich auch, und in Bad Kreuznach die Schule, die etwa gleich groß war. Übrigens, ein Großteil der Hermannshöhle hat früher zur Schule gehört. Zur Weinbauschule, das, was uns heute besitzt. Später kam es zu diesem Weingut, und nach der Privatisierung habe ich mit den jetzigen Besitzern, haben wir, Flächen getauscht, weil wir auch noch Teile der Kupfergrube besessen haben, die an sich imagemäßig mehr zu diesem Betrieb gehören, während unser Betrieb ist sehr stark geprägt durch die Hermannshöhle. Und da haben wir gesagt, „OK, wir müssen uns nicht gegenseitig beweisen, wer der beste Besitzer der Kupfergrube ist, oder der beste Besitzer der Hermannshöhle ist, sondern eure Ausstrahlung gehört zu diesem Weinberg, unsere Ausstrahlung gehört zu diesem Weinberg“.

Na ja. Aber die Forschung, um darauf zurückzukommen, hat die Weinbauschule gemacht, in Bad Kreuznach, und auch mit einem großen Weingut analog. Wobei dann dieses Weingut nicht so darauf aus war, Image zu machen, draußen, also mit der Produktion ihrer Weine. Das war total untergeordnet. Hier war das übergeordnet. Dort war es untergeordnet, dort stand die Forschung - das war damals auch sehr stark die Reblaus. Die Phylloxera hat sehr stark zur Gründung dieser staatlichen Schulen, oder Forschungsanstalten beigetragen. Phylloxera, Krankheiten und so was. Weil man da überhaupt nicht so richtig Bescheid wusste mit umzugehen - was sind die besten Wege? Pflanzenschutz usw. Und auch Ausbildung der Winzer. Also, auch ich bin dort Schüler gewesen, auch der Werner Schönleber, wo ihr hingeht, ist dort Schüler gewesen. Wir haben also unsere Grundlagen dort erhalten, in Kreuznach in der Schule, war eine berühmte Schule, ist heute noch eine sehr gute Schule. 

TS: Was hat es denn mit diesen drei Weinheiligen auf sich?

HD: In Kreuznach? Ja, das ist, das sind die… Prägend hier an der Nahe war sehr stark die Stadt Bad Kreuznach, weil dort die großen Güter beheimatet waren. Also, die berühmten Weinberge, die wir haben an der Nahe, waren fast ausschließlich in den Händen der Kreuznacher großen Güter. Das waren die beiden Betriebe Anheuser, Paul Anheuser und Egon Anheuser, und das Handelshaus Anheuser & Fehrs, und auf der anderen Seite Graf Plettenberg, und dann kam noch als kleiner Betrieb der Gutleuthof dazu, und die Weinbauschule - das war primär die Nahe. 

Und dann hat man später, nach der Gründung der Staatsdomäne, hier auch die Domäne dazugezählt. Und die drei Weinheiligen ist nix anderes wie die großartigen Verwalter oder Betriebsleiter der großen Kreuznacher Güter. Es gab noch ein drittes, hatte ich vergessen, das war der Herf in Bad Kreuznach. Der eine, das war dem Peter Fuchs sein Vater, der – wie heißt er - der Herr Fuchs, Vorname fällt mir jetzt grad nicht ein (Heiner), ist ja auch egal, der Fuchs, als Verwalter von Anheuser. Das war der Rudolf Koch, der Verwalter von Reichsgraf von Plettenberg. Und der Zeuner, der Betriebsleiter bei Herf. Das waren die großen Besitzer in Kreuznach. Und die drei waren großartige Verwalter, in ihrer Zeit ihrer Zeit weit voraus. Fuchs und Koch waren jeweils die Weinbaulehrer in Geisenheim, also die Vorgänger von Trost und Kiefer in den Instituten in Geisenheim für Kellerwirtschaft und Weinbau. Und die wurden abgeworben damals von den reichen Kreuznacher Grundbesitzern als Betriebsleiter - das war außergewöhnlich. Und die haben die Region extrem geprägt, mit ihrem Wissen einfach.


Damals, das war direkt nach dem Krieg - vor dem Krieg schon! - war Bad Kreuznach ja ein Zentrum deutschen Weinbaus. Also, der erste Weinbaukongress 1939 hätte sollen in Bad Kreuznach stattfinden. Und er war exakt angesagt - wann ist der Zweite Weltkrieg ausgebrochen? 

TS: 1. September.

HD: Exakt an dem Tag hätte er sollen eröffnet werden, und dann Kriegsausbruch, da wurde alles abgesagt, und der wurde nach dem Krieg nachgeholt. Und da war der Fuchs federführend, der also damals die ganzen Wissenschaftler oder sowas hierhergebracht hat. Und die haben immer getagt zusammen, die hatten in Kreuznach einen Stammtisch, und die hatten dann in der Szene hier [den Namen] „Die drei Kreuznacher Weinheiligen“. Das ist die Geschichte. Weil, wenn jemand hier was wissen wollte oder so, mein Vater war gut bekannt mit denen, die haben untereinander halt konferiert. Wenn die sich irgendwie unsicher waren, „das Blatt, ist das jetzt krank oder was ist das?“ haben wir mit denen konferiert. Und mehr oder weniger, was die gesagt haben, richtungsmäßig, das war fast Gesetz. Ich bin heute ganz glücklich, dass ich… heute, unser wesentlicher Besitz ist auch geprägt von diesen drei Kreuznacher Weinheiligen. Also, hier, die Hermannshöhle war ein Großteil auch im Besitz von Anheuser… ich kannte die Familie sehr gut, und die haben sich irgendwann angefangen, von ihren Weinbergen hier, in diesem Teil der Nahe, zu trennen, weil sie schwer zu bewirtschaften waren. Ja, viel Handarbeit, und wirtschaftlich, für die Betriebe nicht mehr, ich sage mal, konnten sie nicht mehr das Geld damit verdienen, was  die Produktion gekostet hat. Und da hat man sich Zug um Zug von schwierigem Gelände getrennt, was also für mich an sich damals, ja, ich konnte mein Glück manchmal gar nicht fassen, dass ich an Weinberge kam, von denen man früher nur geträumt hat. Aber man muss das aus der damaligen Zeit sehen. Da wird heute manchmal drüber gelästert, wir neigen ja dazu, mit unserem heutigen Wissen, die Generation vor uns zu beurteilen - das ist unfair. Man muss das immer in der Zeit sehen, wo Entscheidungen fallen. Was wir jetzt entscheiden, die in 30 Jahren sagen vielleicht auch, „Was haben die Idioten damals gemacht?” Weil wir ganz sicher nicht das Wissen haben, was die in 30 Jahren haben. Da kommt ja immer Wissen dazu. Na ja, und damals war, so Ausgang der 60er Jahre, hat der Weinbau sich gewandelt, auch ausgedehnt. Bis in die 60er Jahre hatte Deutschland 60.000 Hektar Weinreben. Heute haben wir 100.000. Also da wurde der Weinbau extrem… ist auch in Flächen gewandert, wo vorher gar kein Weinbau war. Da wurde die A 61 gebaut, und links und rechts sind auf einmal Riesen-Weinbauflächen entstanden. War gar nicht da.

TS: So ganz billige heutzutage…

HD: Ja, man hat auch damals - da habe ich auch dazugehört - man hat also sehr stark gemeint, man müsste in Flächen gehen, die, um weltweit konkurrenzfähig zu bleiben, die leichter zu bewirtschaften sind, technisch leichter zu bewirtschaften, mit dem Schlepper halt. Hier ist nix mit dem Schlepper - Handarbeit, ja? Heute haben wir viele Möglichkeiten auch, haben es geschafft, dass wir auch eine Technisierung haben für schwieriges Gelände. Das war damals aber nicht vorstellbar. Und damit haben die ersten Betriebe an sich, die „modern” gedacht haben, haben sich orientiert in andere Flächen, und haben sich Zug um Zug getrennt von schwierigen Flächen. Ich habe ein anderes Denken in mir. Ich hatte immer Riesenspaß an gutem Wein, muss ich euch sagen. Mich hat das Schlepperfahren nicht so interessiert. Mich hat aber das Weintrinken extrem interessiert. Das war ein Riesenunterschied. Und ich habe also immer Wein gesüffelt und so, hab immer Spaß gehabt, auch ältere Weine mal, und da und da. Und fand also manche Weine genial. Und mir war das vollkommen scheißegal, Entschuldigung, dass die schwieriges Gelände sind, sondern im Gegenteil, das hat mir gerade Spaß gemacht.

Und ich habe dann ja manche Flächen erworben, vorne, das Dellchen, das wurde brach liegen lassen, da haben die Leute gar nix mehr daran gemacht. Und da sag ich, „was ist denn jetzt los da?” Ich hab‘s fast geschenkt gekriegt, wenn man so will. Die hatten keine Lust mehr da dran, da sind Bäume gewachsen. Heute ist das Fenster zu, weil in der Zwischenzeit auch die junge Generation erkannt hat, „Donnerwetter, also, zu einem guten Wein gehört auch ein guter Wingert”. Also, man kann auch aus einem normalen Wingert einen sehr guten Wein machen, aber wenn‘s richtig zur Sache geht, ist ein guter Wingert schon noch ein bisschen besser. 

Übrigens hier, das wollte ich euch zeigen… Das sieht aus wie ein Steinbruch, ein alter. Das ist kein Steinbruch, hier hat man Schiefer abgegraben, und hat bei der Anlage des Staatsweingutes die Böden überfahren. Das stammt an sich - wenn man so will - aus dem Hintergrund der Hermannshöhle. Das war bis hierher… hier ist es, das ist alles abgefahren worden, und wurde hier - insbesondere an der Kupfergrube, wie man die Terrassen angelegt hat, hat man hier die Erde geholt.

TS: Das ist eigentlich die Kupferschieferhöhle?

HD: Nee, das kann man nicht so sagen. Aber das ist hier überall verwandt worden, überfahren worden. Ist auch ein bisschen vergessen, wissen viele nicht, die sagen, „hier ist ein Steinbruch”. Sag ich, „nee, nee, kein Steinbruch - Staatsbesitz, hier hat man Erde geholt“. 

Die Kreuznacher Weinheiligen, ja…

TS: Was ich daran recht interessant fand, ist, dass es ja schon so sehr modern turbo-kapitalistisch gedacht ist, dass man Bildung ansiedelt, um dann…

HD: Man muss die Zeit sehen. Nach 1871, bis zum Ersten Weltkrieg war ja sozusagen auch die erste Globalisierungsphase - extrem sogar. Also, eine Aufbruchsstimmung. Und wenn man die Häuser sieht, auch an der Mittelmosel, vieles ist ja in der Zeit entstanden, auch Gründung Versteigerungsringe oder sowas, da wurden ja teilweise für Weine horrende Summen erzielt. Die umgerechnet heute beileibe nicht erzielt werden. Die Rieslinge waren die teuersten Weine der Welt. Wir erzählen zwar heute gern drüber, und das war ja tatsächlich so. Das ist ja aus heutiger Sicht ganz außergewöhnlich, was damals los war. Und es sind ja viele Gebäude in der Zeit entstanden, weinbauliche Gebäude, da ist Geld verdient worden, ja? Und das zusammenzubringen, auch mit Lehre und Forschung, gut, ich hab vorhin das auch erwähnt, auch ein Startschuss für Weinbauforschung war sehr stark Phylloxera und Mehltau, ja? Also, Erkrankungen, Rebkrankheiten, wo man dann gesagt hat, um die Kulturen zu erhalten, müssen wir Gelder in die Forschung stecken und Sachen machen, ja. Das war weitsichtig gedacht. Wir profitieren heute noch sehr stark auch von diesem Gedankengut, ganz sicher.

TS: Und es gab ja auch noch mehr Technik, die hier weitergeholfen hat, so wie Seitz-Filter, und… 

HD: Ja! Das darf man auch nicht vergessen. Nochmal: das zählt auch zu der Geschichte der Weinbaustadt Bad Kreuznach dazu. Heute viel vergessen. Da kamen viele glückliche Sachen zusammen. Auch die Entwicklung der Seitz-Werke, die sich mit Filtertechnologie befasst hat. Im Grunde genommen haben die die Weinwelt geprägt und verändert. Also, dort wurde auch entwickelt die Sterilfiltration, dass man also Weine mit einer gewissen Süße auf Flaschen füllen konnte, ohne dass später wieder Hefen sich vermehrt haben darin, und zur zweiten Gärung geführt haben. Das sind alles Entwicklungen, die in Bad Kreuznach gemacht wurden. Vielfach hier, und da waren auch hier diese Betriebe dann wichtig, hier, in den Kellern vom damaligen Staatsbetrieb. Und noch viel stärker in den Kellern in Bad Kreuznach, insbesondere des Weingutes August Anheuser. Das hing damit zusammen, dass der August Anheuser eine Seitz-Tochter geheiratet hatte. Und die hat also dann natürlich die Verbindung zu dieser Technik gehabt, zu der Firma Seitz, wo viele Forschungsarbeiten gemacht wurden, und auch zur Reife gebracht wurden, dass man Filter entwickelt hat, die man vorher in der Form gar nicht kannte. Und auch Abfüllgerätschaften, wo andere überhaupt nicht wussten, dass das geht. Das ist alles sehr stark verbunden mit dem Städtchen Bad Kreuznach. 

TS: Woran liegt es denn, dass es in Kreuznach selber eher mau aussieht mit…? 

HD: Heute? Mit dem Sterben, oder mit dem Rückgang der großen Kreuznacher Güter. Die haben ja alle in der Form, wie sie mal bestanden, aufgehört zu existieren. Vielleicht noch mit einer gewissen Ausnahme: Plettenbergs gibt es noch, ja? Aber auch nicht… Ah, da sind unsere Leute, die sind am Schädlingsbekämpfen… sieht wild aus…Pflanzenschutz. Muss gemacht werden - leider ist die Welt so, dass die Reben zwei Krankheiten bekommen, gegen die sie nicht resistent sind. Ich höre ja immer von meiner Frau, „muss das überhaupt sein, dass ihr die Reben spritzen tut?” 

Sie ist natürlich auch sehr stark, und sehr intensiv bewusst, dass man natürlich leben soll. Aber leider werden die Reben, wenn man nur die Hand auflegt, trotzdem krank. Und auch das sind ja Ergebnisse der damaligen Weinbauforschung, mit der Einschleppung, also um 1850 rum, dass also mit Wildreben zwei Krankheiten nach Europa kamen, gegen die die Reben nicht resistent sind: der Mehltau - der echte und der unechte - erstmals im Bordeaux dann aufgetreten, und dann, etwa zur gleichen Zeit, die Phylloxera, und sich in Windeseile über ganz Europa verbreitet hat. Und man hat damals vom „Blattrauschen“ gesprochen in Frankreich, und dann später auch hier, weil im Sommer die Blätter abgefallen sind; kein Mensch wusste, was los ist. 

Und bis man dann Möglichkeiten entwickelt hat, um Pflanzenschutz zu machen, um vor diesen beiden Krankheiten zu schützen. Und seit der Zeit sind wir halt weltweit dazu verdonnert, dass, wenn man Wein ernten will mit europäischen Reben, sie ein paar Mal im Sommer behandeln muss, sonst werden sie krank, und bringen keine Trauben. Schade, aber leider ist es so - das ist die Strafe Gottes.

HD: So, jetzt kommen wir in eine ganz andere Region rein. Also, es gibt ja zwei Gemarkungen an der Nahe, die von alters her immer wieder genannt werden, wenn‘s um die Nahe geht, manchmal tauchen sie sogar unter Rhein auf - übrigens, hier ist es vulkanisch, was ganz anderes -  das ist Niederhausen und Schlossböckelheim. Wobei Schlossböckelheim ja ein kleines Nest ist, ein kleiner Ort hier, der seinen Namen einfach nur den Weinbergen verdankt, insbesondere hier, dem Felsenberg, das ist der älteste, und auch die Kupfergrube, die angelegt wurden von dem Staat. Aber diese Weinberge - und primär steht der Felsenberg dazu - bringen also schon außergewöhnliche Weine hervor, nicht Mengen, das kann man hier leider nicht produzieren - oder zum Glück, kann man sagen, weil das Land sehr karg ist. Aber die Weine haben einfach eine besondere Ausstrahlung, was über Generationen immer wieder beschrieben wurde, und was auch dazu geführt hat, dass die Besitzverhältnisse hier in dem Berg, fast alles auswärtige Güter waren, mit Geld. Und die Einheimischen hatten nicht genug Geld. Und sie waren hier mehr oder weniger Arbeiter in den Weingütern. 

TS: Und was hat es mit den ganzen Festungsresten so auf sich?

HD: Hier? Jetzt will ich aber keinen Fehler machen, dass ich also historisch was ganz Falsches sage, aber das ist eine alte Stauferburg, das war sogar eine Kaiserburg, die anderen Burgruinen hier sind ja oft, ja, halbe Raubritter gewesen

TS: Sponheimer?

HD: Ja, aber hier ist eine Stauferburg, und hier hat Heinrich IV., nein, Heinrich V. seinen Vater Heinrich IV. - ich glaub, das war 1100 an Weihnachten - schachmatt gesetzt im Fight um die deutsche Kaiserkrone. Also, diese Burg hatte mal, wenn man so will, Weltgeltung, zu der damaligen Zeit. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation mit den Staufern war ja nichts Unwichtiges. Diese Burgen sind alle zerstört worden durch die Franzosen, und haben ja später keine Bedeutung mehr gehabt als politischer Standort, und wurden dann später mehr oder weniger - leider - benutzt fast als Steinbrüche. Man hat also Weinbergsmauern gemacht, also, die alten Reste genommen. Also hier ist schon spektakulär steil, das gehört uns auch, das ist ein Teil des Schlossböckelheimer Felsenbergs, aber unser wichtigster Weinberg, will ich mal weiter vorfahren, zu dem Türmchen

TS: Das mit dem Türmchen ist ja auch das Elend dann als Gastronom, wenn man die Weinkarte geschrieben hat, nach den Rechnungen. Und wenn man Sachen direkt gekauft hat oder beim Vertrieb, und die unterschiedlich angelegt worden sind, und es ja durchaus mal vorkommt, dass innerhalb derselben Lage noch eine Parzelle nochmal anders ausgewiesen wird...

HD: Ganz am Anfang haben wir noch einen, aus dem hinteren Teil, auch einen trockenen Wein gemacht, und den einfach nur als Schlossböckelheimer verkauft, das war der kleinere, sozusagen.  Aber das ist ja schon 15 Jahre zurück. In der Zwischenzeit - was also von uns trocken ist, kommt also von dem vorderen Teil, wo wir jetzt hinfahren. Und das ist ja keine offizielle Lagenbezeichnung, die Lagenbezeichnung ist Schlossböckelheimer Felsenberg. Aber das ist ja so landschaftlich schön gelegen, und so oft fotografiert worden in der Welt, und… 

TS: Da machen wir es noch einmal mehr.

HD: Ja, weiter vorne wird‘s noch interessanter, aber hier ist es auch schon schön. Da wurde ich halt immer wieder gefragt, von egal wo in der Weltgeschichte: „Kommt der dort her?” Irgendwann hab ich halt drauf geschrieben „Felsentürmchen”. Wir schreiben das ja schon lange nicht mehr drauf, wir haben nur so eine kleine Skizze drauf gemalt, ja? Und wir nennen das halt in unserem Sprachgebrauch halt auch, wenn wir untereinander reden, also, was weiß ich, „der ist vom Türmchen”. Also normal sagen wir nur, „das ist Türmchen-Wein”. 

TS: Ja, es ist halt ein Elend, wenn man dann so vor einer Wand steht, und vier Kartons anschaut, auf denen Felsenberg draufsteht, und denkt so, „und welches ist jetzt das Türmchen?”

HD: Dann ist es… es ist auf dem Label drauf, das sieht man schon dann. So, ich halte jetzt mal hier, und dann laufen wir ein bisschen, weil uns sonst… da vorne kann man nicht mehr drehen, da vorne halten die immer mit dem Schlepper drin. So, jetzt gehen wir mal ein paar Meter. 

HD: Man muss sich wundern, dass überhaupt hier Reben wachsen - nur Felsen, ja? Wobei, zwischendrin ist ein bisschen Erde, wie so Pflanzen zurechtkommen. Also, die Reben sind schon was verdammt Zähes. Also, ich bin natürlich auch hier in der Landschaft aufgewachsen, da sind natürlich auch viele Erinnerungen meiner Kindheit und Jugend hier mit verbunden. Insofern habe ich so eine Spezial-Verbindung hier dazu. 

Übrigens, das hier ist auch eine interessante Stelle, man sieht hier so wunderbar so Gesteinsadern - schauen Sie mal, das sind Kupferadern hier, das ist das blaue. Ja? Das ist Kupfer. Deshalb auch diese Geschichte des Bergbaus hier, Kupfer, Kupferabbau, also Kupfergrube. Und was man sieht, das sind hier diese Gesteinsschichten, das blaue hier. Hier sieht man‘s ganz stark. Bin mal mit Amerikanern hier gewesen, nachher wollten die den Wein nicht mehr trinken, weil die Angst hatten, da wäre Kupfer drin! Sag ich, „da braucht ihr jetzt keine Angst zu haben, da ist nix drin!“ Nur, die Rebe hat ja viele Mineralien im Boden, wo sie aufnimmt, wo sie braucht, wo aber im Endeffekt für die Pflanze prägend sind. Und hier ist natürlich - ich sag mal - ein wilder Untergrund. 

TS: Wobei doch Kupfer auch ganz gerne selbst von Biodynamikern benutzt wird. 

HD: Ah ja, klar! Das ist ja immer das so ein bisschen. Kupfer ist an sich Schwermetall, wird nicht abgebaut, ja? Deshalb war das ja, oder ist auch, teilweise umstritten im Weinbau. Dass man sagt, Kupfer als Pflanzenschutzmittel auszubringen ist an sich ja eher, wenn man, ich sage mal, naturnah denken will, fast eher schädlich. Und Pflanzenschutzmittel, die also abgebaut werden durch die Sonne oder durch die Wärme oder wie auch immer, die sich zersetzen, sind, wenn man so will, fast umweltmäßig besser zu beurteilen wie Kupfer. Aber sie kommen in der natürlichen Form nicht vor, in der Natur. Also, im Bio-Weinbau geht man davon aus, nur das, was also auch in der Natur vorkommt - Kupfer kommt vor, wie wir gesehen haben - können wir auch verwenden. Also, das ist ein Ideologen-Streit, da will ich mich jetzt nicht darauf einlassen. Übrigens, hier, das gehört auch zu dem Felsentürmchen dazu, dieser Weinberg, und da unten, was unterm Türmchen ist direkt. Hier, das ist natürlich auch, das hat schon eine spezielle Situation. Es ist ja nicht nur der Boden, hier ist ja kaum Feinerde, das sind ja nur Steine, wenn man so will. Und es hat noch etwas anderes, von der Arrondiertheit hier, das ist ja wie ein Hitzekessel, ja? Rundherum abgeschirmt von den Felsen, und vom Wind abgeschirmt, und nach Süden offen, und da knallt die Sonne rein. Interessanterweise - sieht man ja am Wachstum - ist das gar nicht so schlecht, obwohl wir ja eine so eine intensive Trockenheit hatten. 

So, die Runde folgt mir unauffällig… Also, wir haben hier natürlich immer wieder mit umfallenden Mauern zu kämpfen, und Sachen…

TS: Also das heißt, ich war‘s nicht?

HD:  … die man in der rheinhessischen Ebene nicht kennt, ja? 

Wenn man sich allein überlegt, wieviel Arbeit notwendig war, sowas aufzusetzen. Verrückt…

TS: Hab mal eine Trockenmauer bei der Mutter im Garten gebaut…

HD: Ja? Fällt aber allerdings auch ab und zu um. Können wir heute gar nicht mehr bezahlen, die aufzusetzen. 

Hier halten wir nun ein wenig inne. Versonnen beobachtet Helmut Dönnhoff, wie geschickt einer der Angestellten mit einem Kettenfahrzeug im steilen Hang unter uns agiert.

HD: Totale Romantik, wenn kein Schlepper da unten wär, wärs noch schöner, aber gehört auch dazu. Ich muss mal gucken, was er macht.

Es ist schon verblüffend, was heute technisch möglich ist. Sieht aus wie ein Mondmensch, ist aber… sieht schlimmer aus wie es ist; früher haben wir das überhaupt nicht gemacht. So, jetzt pass auf, was er jetzt macht… hockt keiner drin im Schlepper - ferngesteuert! Sagenhaft… sagenhaft, muss man können. Ich kann‘s nicht. 

TS: Mit so einem burgundischen Vollernter kommt man hier nicht weiter?

HD: Neee! Also hier, wir sind ja glücklich, dass wir Pflanzenschutzmaßnahmen und Bodenpflegemaßnahmen technisieren konnten, ja? Das ist natürlich eine unheimlich aufwändige Sache, auch von den Gerätschaften, die sehr teuer sind. Aber da ist doch viel positive Entwicklung passiert, sonst wäre auch auf Dauer gesehen der Weinbau in diesem schwierigen Gelände extrem gefährdet… Übrigens, in meiner Jugend war das alles Weinbau, ja? Alles. Da war keine einzige Fläche, kein Quadratmeter, der irgendwie möglich war, hier, sieht man‘s ja, standen Reben. Und alles wurde per Hand gehackt, unglaublich, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen. Das war dann natürlich…, und hier, das hat dem Grafen von Plettenberg gehört. Und die haben dann irgendwann angefangen, sich hier zurückzuziehen. Und ich war, oder ich bin, gut befreundet mit den Besitzern, und ich habe hier meine Jugend verbracht, hier. Also, z.B. dieses Türmchen hier ist für mich totale Jugenderinnerung. 

TS: Ich höre (…).

HD: Ja, ja. Wir haben hier, als Jungs…, ein Teil der Jungs hat hier verteidigt… wir haben natürlich hier so Ritterspiele gemacht. Ein Teil war hier Verteidigung, und die anderen haben angegriffen. Und wir haben tagelang hier immer getagt. Dann sind wir durch die Nahe geschwommen, also, wenn wir nach Hause gelaufen sind, sind wir hier durch den Fluss geschwommen, sind nach Hause gelaufen, und haben hier immer gespielt. Und ich kenn, hier in dieser Landschaft, von da hinten bis da vorne, da kenn ich jeden Quadratmeter. Und insofern hängt natürlich auch mein Herz ein bisschen dran. Und wenn man dann etwas produzieren kann, in einer Landschaft, wo man so mit groß geworden ist, ist das doppelt schön. 

TS: Merkt man den Wingerten rundherum an, dass hier jetzt auch mehr Vielfalt wächst?

HD: Dass die sich gegenseitig befruchten? Nein… man könnte jetzt denken, OK, hier sind jetzt also bestimmte - ich sage mal - Lebewesen, die, also, Schädlinge auffressen. Es ist ja zum Glück nicht so, dass der Weinbau so viele tierische Schädlinge hat, die ihm gefährlich sind. Also, die größte Gefahr und das größte Problem, was wir haben, sind die Pilze, also, der Mehltau. Tierische Schädlinge gibt es auch, das ist also der Traubenwickler, Heu- oder Sauerwurm, sagen wir. Das sind zwei Generationen eines Schmetterlings, der seine Eierchen auf die Fruchtstände legt. Die erste Generation ist zu der Zeit, wenn Heu gemacht wird, deshalb Heuwurm, also im Juni. Der legt seine Eierchen auf die Fruchtstände, und dann aus dem Eichen wächst ein kleines Räupchen, was also dann den Fruchtstand mit Genuss auffrisst. Da bildet sich dann wieder ein Schmetterling draus, das verpuppt sich, und die zweite Generation, die ist jetzt unterwegs gewesen. Die legt dann die Eierchen auf die fertigen Träubchen, und dann kommt wieder ein Würmchen, und das bohrt sich ins Träubchen rein, und frisst da drin munter, und das Träubchen wird faul und verdirbt. Das ist natürlich eine Katastrophe, ja?

Den Heu- und Sauerwurm, also diesen Traubenwickler, gibt‘s schon immer. Da haben also schon Generationen vorher, also, bevor wir Pflanzenschutz gemacht haben, mit zu kämpfen gehabt. Und mein Vater hat mir immer gesagt, zu seiner Zeit, Jugendzeit, mussten die Schulkinder ausrücken, mussten die versuchen einzusammeln, genau wie Kartoffelkäfer. Hat man auch gemacht. Das ist allerdings… jetzt sammeln Sie mal hier, an den ganzen Beerchen, versuchen Sie überhaupt, Würmchen zu finden…, erstmal finden Sie keins, also das funktioniert nicht so richtig. Dann kam man darauf, Insektizide zu verwenden. Also in den 50er Jahren, eines der berühmtesten war E605, was natürlich, wenn man das sagt, heute, ergreift jeder die Flucht. 

Was an sich, ja, schon diskussionswürdig war. Hat man aber erkannt, ziemlich bald, muss nicht unbedingt sein, oder nur sporadisch, bis man bessere Lösungen gefunden hat. Und heute muss man schon ziemlich stolz sein, dass wir auf biologische Art dieses Phänomen im Griff haben, indem wir Pheromone ausbringen, also, kleine Kapseln aushängen, die weibliche Sexualduftstoffe beinhalten. Das heißt, das find ich jetzt als Männchen wieder ganz ekelhaft, die Männchen fliegen hier rum und suchen die Weibchen, und es riecht überall nach Weibchen, aber die finde keine, weil der Wingert so riecht. Und damit werden die Eierchen nicht befruchtet, und es schlüpft kein Würmchen raus. Also, das ist eine biologische Bekämpfungsmaßnahme vom Feinsten. Das kann man natürlich nicht als Einzelner machen, sondern, wenn ich das nur mit meinem Weinberg mache, der Nachbar macht‘s nicht, dann fliegen die dort drüben hin, und tun sich also vergnügen, und legen dann die Eierchen bei uns ab. Das ist also irgendwie blöd. Also bilden wir eine Gemeinschaft der ganzen Kollegen, also wie so eine Teilnehmergemeinschaft über den ganzen Berg, und hängen also diese Duftstoffe aus, im Frühling, und sammeln sie später wieder ein, und wir haben keine negativen Auswirkungen auf irgendwas anderes. Es ist einfach nur, die Männchen finden die Weibchen nicht. Wenn sie hier rumfliegen, können sie machen, was sie wollen, aber da unten geht‘s schief. Das ist also… ansonsten… es gibt aber auch keinen anderen Schädling… Um die Frage zu beantworten, ob es etwas gibt, das den auffressen würde, den gibt‘s nicht, der hat keine natürlichen Feinde. 

TS: Aber merkt man, dass der Boden besser wird, dadurch, dass hier auch andere Sachen in der Nähe wachsen? 

HD: Das wäre jetzt eine schöne Story, das ist aber Unsinn. Hier der Boden wird nicht beeinflusst. Was also etwas anderes ist, was wir genießen, ist ja nicht so, dass wir Gegner der Natur sind, sondern das Gegenteil ist der Fall. Hier gibt es unglaublich viele Schmetterlingsarten hier in dem Berg. Der Berg insgesamt, als Gänze, ist eines der ältesten Naturschutzgebiete Deutschlands. Und auch Feuersalamander und so Sachen… ist hier weit verbreitet. Uns gefällt das auch, dass es das gibt. Und dazu ist übrigens der Weinbau extrem notwendig, weil nur diese Verbuschung hier führt sogar zu einem Rückgang. Die brauchen offene Flächen, um sich zu sonnen. An sich ist hier ein klassisches Beispiel, wie es sein sollte in der Natur, also, bewirtschaftete Flächen im Wechsel mit vernetzten, die Flächen sind ja vernetzt hier, mit offen gelassenen Flächen, die also als Rückzugsgebiet dienen. Man hat also hier, in so Flächen eine reichere Vielfalt wie in den komplett bewaldeten. Und das ist eher, ja, wenn man Spaß an der Natur hat, ein Zusatznutzen, und etwas Schönes. Aber es ist nicht so, dass also jetzt die Weinreben hier profitieren von den offen gelassenen Flächen. Weil es, ja, an sich, keine… es ist nichts bekannt, das wäre jetzt eine schöne Story, wenn ich euch das erzählen würde, dass das extrem wichtig ist. Es ist eine Symbiose, würde ich mal sagen. Wo alles zusammengehört. 

Es ist vielleicht so, dass die Gefahr auch von Pilzkrankheiten, könnte man vielleicht einschränkend sagen, in Flächen, die nicht so als Monokultur da sind, nicht so hoch ist, wie wenn große Flächen Monokultur sind. Dann breiten sich Pilzkrankheiten natürlich massiver aus als wie in Flächen, wo zwischendurch andere Kulturen sind. Aber wenn Infektionsbedingungen herrschen, werden die Reben dort genauso krank wie sonstwo. Aber gut, hier, das Hauptsächliche ist an sich auch das Gefühl, also für mich betreffend. Das Zusammenspiel der Landschaft mit den Böden, mit unserer Arbeit und mit dem, ja, was Menschen vor uns gemacht haben. Übrigens, das Ding wurde ja gebaut „just for fun“, also hat ja keinen Nutzen. Die Geschichte von sowas wie hier…, das ist für mich eines der schönsten Weinbergshäuschen, was ich kenne. Es gab in allen Weinbergen, heute sieht man die gar nicht mehr, weil sie teilweise abgebaut wurden, verschwunden sind, es gab fast überall kleine Häuschen, aber nicht spektakulär, einfach. Das waren Unterstellplätze für die Arbeiter. Ja, wenn’s geregnet hat, wenn du hier gestanden hast und es hat geregnet, dass du dich unterstellen konntest… und es kam ein Gewitter, und da haben sie auch teilweise ihre Werkzeuge deponiert, dass sie sie nicht immer mit nach Hause tragen mussten. Aber das ist ja viel zu nobel für sowas. Das wurde von den Vorbesitzern - das waren die Puricellis, eine äußerst reiche Familie - in Kreuznach gibt‘s ja Puricelli. Das Museum ist von Puricellis erbaut. In Schloss Lieser an der Mosel, alles aus diesem Vermögen. Übrigens, das ist architektonisch so ein bisschen ähnlich, und in der Zeit auch entstanden. Denen hat dieser Berg gehört, inklusive da, alles rundherum. Und die haben das damals gebaut, „just for fun“. Die haben sich einmal im Sommer hier getroffen, haben ein Gläschen Wein getrunken, und haben über ihre Ländereien geschaut. Und meine Großmutter hat mir immer erzählt - das fand sie ganz abartig, als Kind - hat sie gesagt, „Mensch, damals da ist die Herrschaft gekommen, da hatte der Kutscher sogar weiße Handschuhe an“. Also ein Zeichen dafür, dass es nobles Land ist. Und wahrscheinlich auch die Grundlage, warum später hier der Staat sich entschieden hat, hier an der Stelle das Gut zu errichten, weil man wusste, dass hier außergewöhnlich gute Weine wachsen.

HD: Also, wenn man überlegt…, da standen überall Reben, da ist nichts als Boden. Und trotzdem ist das Zeug gewachsen. Verrückt, gell? 

Vielleicht noch, weil Sie mich vorhin gefragt haben, inwieweit Forschung gemacht wurde, hier, in den staatlichen Betrieben. Wo ich gesagt habe, an sich eher hier nicht, mehr die Weinbauschule, das stimmt. Allerdings, was man sagen muss - und das ist auch eine Geschichte der Weinheiligen in Bad Kreuznach - die haben sich damals intensiv damit befasst, auch mit den ganzen Pflanzenschutzmaßnahmen. Was ist notwendig? Und das Wissen heute über die ganze Biologie von Schädlingen, ja, oder von Krankheiten, die die Reben befallen können, da haben die unglaublich viel Grundlagenarbeit geleistet. Was wir heute machen an Pflanzenschutzmaßnahmen, da sind wir ja um so viel besser wie unsere Großeltern und Eltern, weil wir viel besser wissen, was überhaupt notwendig ist. Also, Inkubationszeiten und so. Das muss man heute sagen, das ist ja fast eine Revolution gewesen. Wir achten auch hier drauf. Also hier, mit der ganzen Biodiversität, ja? Also, hier ist ein Reichtum ohne Ende, hier in dem Berg. Und da versucht man natürlich auch, darauf Rücksicht zu nehmen. Also, Insektizide oder sowas sind hier absolut tabu, hab ich aber schon immer gemacht.

TS: Was wird dann letztendlich gespritzt?

HD: Ja, hier nur Fungizide. Zwei Fungizide. Ein Fungizid gegen den Echten Mehltau, gegen Oidium, was die Rosen auch kriegen, und ein Fungizid gegen den Unechten Mehltau, Peronospora. Das ist jetzt ziemlich das letzte Mal, wo Schädlingsbekämpfung gemacht wird. Und man achtet halt darauf, dass eine lange Wartezeit ist bis zur Ernte, dass also wirklich nix mehr drauf ist. Jetzt ist auch der Punkt gekommen, wo die Pflanze nicht mehr befallen wird. Die größte Gefahr, dass die Pflanzen krank werden, ist in der Zeit, wenn sie blühen. Und das ist Mitte/Ende Juni. Da muss man, ja, wenn es regnet und eine gewisse Temperatur ist, sehr, sehr wachsam sein, sonst führt das zu Totalausfall. Übrigens nicht nur in Deutschland - in Frankreich, in Kalifornien, in Australien, in Neuseeland - es ist überall dasselbe. Alle Weinbauern der Welt haben das gleiche Problem. Weil nur die europäischen Reben Trauben tragen für gescheite Weine. Es sei denn, man nimmt Hybride, also kreuzt eine Resistenz ein. Aber dann hat man keinen Riesling, keinen Spätburgunder, keinen Traminer, keinen Chardonnay, dann hat man andere Rebsorten. 

TS: Und das mit dem Kreuzen und Klonen, wurde doch auch schon relativ früh hier an der Nahe...

HD: Ah ja, nach Phylloxera! Man hat ja, wie die Reblaus kam am Anfang, gar nicht gewusst, was macht man jetzt? Erstmal hat man am Anfang gar nicht gewusst, was los ist. Da sind auf einmal die Reben kaputt gegangen. Und zwar nicht von heute auf morgen, sondern leichtes Siechtum. Man hat dann in einem Berg gesehen, der wächst nicht richtig, ja? Kam vor… ja, auf einmal, der Nachbarstock, der wächst auch nicht richtig. Dann waren das so Herde, 20 Meter im Umkreis sind die immer schlechter gewachsen, und dann auf einmal eingegangen. Was ist das? Bis man da drauf kam, dass es ja eine Wurzellaus ist, die die Reben, also die Wurzeln, ansticht, und da drauf können Keime und Pilze eindringen in diese Schnittstelle, das verträgt die europäische Rebe nicht, und, ja, die wird immer schwächer, und irgendwann geht sie ein. Die Wurzeln sterben halt ab. Und die amerikanischen Reben, die Wildreben, womit der Schädling auch eingeschleppt wurde, denen macht das gar nix, über die Jahrtausende sind die resistent geworden dagegen. Im Gegenteil, die wachsen sogar besser, wenn die angestochen werden. Und da kam man drauf, das war einer der ersten biologischen Tricks, um eine Pflanze, um einen Ertrag, zu sichern. OK, dann müssen wir amerikanische Reben nehmen, mit den Wurzeln, und müssen obendrauf das europäische Edelreis pfropfen. Und das ist heute weltweit - bis auf ganz geringe Ausnahmen - an der Mosel, wie gesagt, in Deutschland, gibt‘s noch ein paar Bestände, in Australien noch ein paar Bestände, in Neuseeland noch ein paar Bestände, es gibt noch hie und da ein paar Bestände, die wurzelecht gepflanzt sind. Da kann man sagen, es ist eine Frage der Zeit, bis da die Reblaus eingeschleppt wird. Und ansonsten ist alles, also, hier, alles... Das hier ist alles gepfropft. Alle haben amerikanische Wurzeln, unten die amerikanischen Wurzeln, und das europäische Edelreis obendrauf. Sonst wäre das nicht machbar. Man kann die nicht bekämpfen mit Chemie. Also, geht nicht, die Wurzellaus. Also, insofern waren die Weinbauern, ja, ich würde mal sagen, nach heutigen Gedanken, was die Umwelt betrifft, ihrer Zeit weit voraus. Aber alles konnten wir nicht lösen. Leider haben wir noch keine Lösung für die Pilzkrankheiten. 

HD:: Also… Um nochmal ein bisschen auf das Weinbauliche zu kommen… Man muss auch so eine Landschaft, ja, ich glaub, wenn man sie intensiv kennt, ist es sehr schön, dann Weine darin auszubauen. Weil, diese, was ich als Partitur gesagt habe, das sollte man erhalten. Und irgendwie, wenn man dann so einen Weinberg kennt, später, wenn man den Wein probiert, denkt man an sich, logisch, der muss so schmecken! Wenn man das geschafft hat, ist er gut. Der muss nicht besser schmecken wie ein anderer Wein, der noch auf dem Tisch steht, aber wenn er zeigt, wo er herkommt - das ist das Schöne! Das ist das auch, was mich fasziniert. 

TS: Ja, und das ist ja auch das Schöne, wenn man wo hinfährt, wo man - zumindest als Erwachsener - nicht war, und das Produkt dann öfter mal geschmeckt hat, und dann eben mit dem Rad durch den Wingert unterwegs ist, und plötzlich sagt, „ah, verstehe“. 

HD: Also, hier ist schon ein anstrengender Weinbau. Das sieht man hinterher…, wenn man die Flaschen zuhause hat, sieht das alles so easy aus. Hier muss man schon immer kämpfen um die Trauben. Und was man jetzt auch sieht an Trauben, es ist noch nicht zu Ende, es kann noch unheimlich viel passieren bis zum Ende, bis wir sie soweit haben, dass wir sie auf der Kelter haben und abpressen, und dann, ja, wenn sie dann in den Fässern vergären, auch dann kann man sie noch kaputt machen. Aber das ist, wie gesagt, noch ein weiter Weg, bis wir sie soweit haben, dass wir sagen können, OK, jetzt gibt‘s Wein da draus.

TS: Wie groß ist eure Mannschaft dafür?

HD: Für die Weinlese? Ja, wir sind so um die 35 Leute immer mal. Das kommt ein bisschen drauf an, a) wie die Ertragsaussichten sind, und wieviel wir selektieren müssen, aber so um diese 30..., 30 vorneweg, und wenn‘s ganz schnell gehen soll, auch ein paar mehr. Und dann… es wird ja nicht hier gearbeitet wie mit einer Maschine, dass also da alles auf einen Schlag abgeschnitten wird, sondern es wird ja doch auch sehr stark sortiert. Dieses Jahr, ich hatte es euch ja schon gezeigt, dieses Jahr wird ja die Herausforderung sein, die Beeren, die durch die Sonne geschädigt sind, auszusortieren, damit keine Bitterstoffe in den Wein kommen. In einem anderen Jahr ist die Frage der Botrytis, also von Edelfäulnis befallene Beeren auszusortieren. Also, das ist jedes Jahr eine neue Herausforderung. Wir machen ja, wenn wir ernten, das ist ja ganz selten, dass man durch den Weinberg durchgeht, und alles auf einmal abschneidet. Das ist eine große Ausnahme. Fast immer ist es ja so, dass man mehrmals durch den Weinberg durchgeht, und ja, einmal die Aufgabe hat, die besonders edlen rauszuholen, oder die nicht reifen rauszuholen, also, das ist jedes Jahr eine neue Situation. 

TS: An welchen Stellen entscheidet ihr denn, OK, dieses Jahr gehen wir auch auf eine Beerenauslese, vielleicht auch auf eine TBA, auf einen Eiswein?

HD: Das entscheidet sich in der Zeit der Weinernte. Oder davor, wo man merkt, welcher Reifezustand die sind. Zu den Selektionen, was Beerenauslese, oder Trockenbeerenauslese, das wäre ja die intensivste Selektionsarbeit…, das sieht man im Laufe der Weinernte, wie reif die Trauben sind, ob da überhaupt eine Chance besteht, dass man so reife Beeren kriegt, dass man das machen kann. Was Eiswein betrifft, das ist ja wieder eine ganz andere Zielsetzung. Gut, da braucht man einen Frost dazu, das ist also seltener geworden. In der Zwischenzeit hat man ja das Gefühl, es wird überhaupt nicht mehr möglich sein. Wenn die Reife zu früh ist, und es zu lange dauert, bis der erste Frost kommt, ist das natürlich… dann dauert es einfach zu lange, dann verzichtet man besser darauf.

Das ist die Feste Schlossböckelheim, die mal Weltgeltung hatte, aber das ist 1000 Jahre zurück… das ist doch eine lange Zeit. Da können Sie übrigens sehen, was mit so einer Burg passiert ist, schauen Sie mal die Mauer an. So sind die Steine nicht gewesen zum Mauerbau, das ist von der Burg, das sind Säulen. Man hat also…, viele Steine hier, die wahrscheinlich verbaut wurden, sind da oben abgebaut wurden. Oder von den Häusern, die hier in den Ortschaften stehen. Solange, bis nix mehr da war. 

TS: Hat ja nicht jeder das Glück wie die Trierer, dass die Häuser so hoch waren, dass sie auch mit mehreren Jahrhunderten sie nicht weggebaut bekommen haben. 

HD: Also, hier sind ja auch immer die kriegerischen Heere durchgezogen durch das Tal. Einmal Frankreich Richtung Osten, und haben also, was noch da war, kurz und klein gemacht. Und dann wieder in die andere Richtung… die kamen einmal von rechts, einmal von links.

TS: Es ist ja auch ein ziemliches Geschenk, sich so wohlzufühlen an dem Ort, an dem man groß geworden ist, und dort dann auch seinen Lebensunterhalt verdienen zu können.

HD: Ja, aber… ich habe euch ja ganz am Anfang erzählt, dass ich als junger Mensch nicht ganz so voll Glück und Euphorie hier gewohnt hab, da hatte ich also auch andere Sachen im Kopf. Jetzt, nach dieser langen Zeit, wird man ein bisschen wehmütig, wenn ich da zurückdenke. Natürlich kann ich mich nicht beklagen, und könnte mir auch jetzt nicht vorstellen, irgendwas anderes in meinem Leben gemacht zu haben. Wäre dann ja ganz sicher anders verlaufen. Ich habe viel Glück gehabt, es waren auch mal schlechte Zeiten dabei, aber insgesamt gesehen, habe ich es schon bis heute genossen. Ich mag halt gute Weine gern, und wenn ich mich damit beschäftigen kann, ist das für mich Beschäftigung mit seinem Hobby, ja. 

TS: Ab wann haben denn dann die Kinder sich überlegt, wie ernsthaft sie sich damit auseinandersetzen wollen?

HD: Denen ging‘s so ein bisschen wie mir. Man hat schon, ich sag mal, da bleibt so eine Grundverpflichtung, weil man ja nicht jetzt einfach das sausen lassen will, was die Vorfahren vorher so gemacht haben. Ganz sicher ist es so, dass beim Cornelius auch der Frust ab und zu mal – genauso wie bei mir - da war.

TS: Wird man dann nachsichtiger, wenn man weiß, „ach ja, das kenn ich noch gut“?

HD: Selbst denkt man wahrscheinlich, man wird nachsichtiger. Ob dann ein anderer, der mit dem zusammenlebt, das gleiche denkt, das weiß ich nicht.

Ganz sicher wird man, wenn man älter wird, gelassener. Wenn man ein jüngerer Mensch ist, auch im Weinbau, da lernt man ein bisschen Demut auch, ja?

Wir leben ja in einer Zeit, wo man manchmal das Gefühl hat, alles ist möglich, ja? Es ist nur eine Frage, wieviel Geld ich aufbringe, und dann macht man das, ja? Fliegt im Weltraum rum, macht technisch alles Mögliche. Und trotzdem stoßen wir dann an Grenzen, wenn es um die Natur geht, das ist also…, dann stellt man auf einmal erschreckend fest, ich habe alles richtig gemacht, es geht trotzdem nicht. Das ist manchmal ein schmerzlicher Lernprozess. Aber auch für das eigene Leben, oder sowas, etwas nicht Unwichtiges. 

Aber zu dem Zeitpunkt, wenn‘s erfroren ist oder wenn‘s gehagelt hat, dann denkt man nur, so‘n Scheiß, das hätte ich jetzt nicht gebraucht, also, als Lebensweisheit. Aber du kannst es ja nicht ändern! Also, ich habe in meinem Leben schon…, das gibt schon manchmal Phasen, da wirst du depressiv. Wenn so manche Sachen hintereinander kommen, ein Unglück kommt selten allein, so nach dem Ding… dann denk ich auch, oh oh, muss das jetzt sein? 

Und man macht ja auch nicht alles richtig. Das muss man also auch für sich ja anfangen, zu akzeptieren. Man macht‘s aus bestem Wissen und Gewissen, aber wir beide wissen nicht, wie morgen das Wetter ist, ja? Oder wie ist während der Weinlese das Wetter. Wenn man das genau wüsste, könnte man seine Arbeit in den Kulturen nach einer gewissen Situation total ausrichten. Aber was ich heute mache, und was vielleicht gedacht ist für die nächsten Wochen, für schönes Wetter, kann komplett verkehrt sein, weil es die nächsten Wochen schlechtes Wetter gibt - oder umgekehrt, ja? Genauso, wenn wir genau das Wetter kennen würden, könnten wir extrem genau unsere Pflanzenschutzmaßnahmen einplanen. Wenn Sie mir sagen, es regnet dann und dann nie, brauch ich überhaupt keinen Pflanzenschutz zu machen. Aber diese Aussage ist ziemlich unsicher. Und wenn es dann übermorgen regnet, und ich habe nix gemacht, dann ist alles krank, weil anschließend kann ich es nicht mehr machen. Ich muss immer vorbeugen. 

TS: Und wie hat sich das dann angefühlt, als dann zum ersten Mal die Welt, und die ferne Welt auf das aufmerksam wurde, was hier in dem doch überschaubaren Tal so passiert? 

HD: Ha… schönes Gefühl… Ich will euch nur noch was anderes sagen. Wir können jetzt nicht alles uns anschauen, allein für den Berg wäre ein ganzer Tag angebracht. Normal geh ich hier hoch, da sieht man schön die Böden, viel stärker wie von oben. Ich habe da oben schon gestanden, so kurz vor der Weinlese, da war ich richtig ehrfürchtig. Da habe ich die Trauben gesehen, da hätten mir können die Tränen kommen, wie schön das ist. Ganz für mich allein. Das hat auch nix mit Verdienst zu tun oder sowas. Dann denke ich nur, bis hierhin ist alles gut gegangen. Und da krieg ich fast ein bisschen Angst. Also, da hab ich Ehrfurcht. Angst nach dem Prinzip „jetzt darf ich nix mehr verkehrt machen“. Jetzt bietet mir die Natur nach so einer langen Zeit der Vegetation alles so wunderbar, wie ich mir‘s wünsche, ja? In einem Weinberg, zu dem ich eine intensive Beziehung habe. Schöner kann ich’s nicht machen, ja? Und dann hab ich das Gefühl, „oh jetzt darf ich wirklich nix mehr verkehrt machen“. Jetzt muss ich den richtigen Zeitpunkt erwischen, wenn wir die Trauben abschneiden. Mir tun sie manchmal richtig leid, wenn wir sie abschneiden, weil ich denke, „oh, das darf ich denen jetzt gar nicht antun!“ Aber irgendwann müssen wir sie ernten, das ist ja eine Grundfrage. Aber das kann schon manchmal ein intensives Gefühl sein. Das ist auch das, warum ich sage, „ich kann nicht so viel anfangen mit Weinen, wo ich keine Herkunft kenne, und wenn sie noch so gut sind“. Dann fehlt mir ein bisschen dieses intensive Gefühl der Landschaft.

Na ja, zur anderen Frage…

TS: Wird da auch gebetet?

HD: Was man unter Beten versteht, kann man da ja verschiedener Ansicht sein. Das ist schon - wenn man so will - eine stille Andacht für sich.

TS: Also, es hört sich sehr spirituell an.

HD: Ja, ist es auch schon. Ich habe also schon eine große Ehrfurcht vor der Natur, und genieße das auch, und fühle mich so als Teil von dem ganzen System. Und das ist für mich ein schönes Gefühl. Das hat nicht jeder. Der eine kann viel mit guter Musik anfangen, dem anderen sagt sie nichts. Ich find das schon ein Geschenk, wenn man so Gefühle oder Zuneigung zu irgendwas entwickeln kann. Na ja…

Gut, die Frage vorhin, mit dem, wie das so draußen ging, auf einmal, wo doch Weine mehr in die Öffentlichkeit getragen wurden. Man muss schon was sagen, dass die Weine hier aus diesem Teil des Tales nicht erst seit meiner Zeit bekannt wurden. Sondern, wir haben uns ja über die Weinheiligen unterhalten, und über die Gründung von so einem Staatsbetrieb oder sowas, und auch im vorletzten Jahrhundert, auch von dem Türmchen oder sowas, schon eine Berühmtheit hatten. Und auch wenn man alte Weinkarten sieht, wo die moselanischen Kollegen auch immer drauf hinweisen, oder die Rheingauer, dass vor dem Ersten Weltkrieg die deutschen Rieslinge zu den teuersten der Welt gehört haben. Das stimmt, ja. Und wenn man so Weinkarten durchblättert, findet man den Namen Schlossböckelheim, obwohl es ein kleines Nest ist. Immer wieder, zwar dann nicht unter Nahe, sondern unter dem Oberbegriff Rhein. Deshalb sind z.B. in USA oder sowas manche Lagennamen, oder manche Weingutsnamen berühmter als das Wort Nahe. Die Leute wissen gar nicht, dass das an der Nahe ist, ja? Die wissen zwar, dass das tolle Weine sind, aber, dass das an der Nahe ist, wissen sie nicht. Aber dann ist das mal viele Jahre, oder Jahrzehnte auch, so ein bisschen in der Versenkung verschwunden. Und das hing auch mit dem Niedergang, was ich gesagt habe, der großen Kreuznacher Güter und deren Namen zusammen, dass die nicht mehr so in der Öffentlichkeit präsent waren, und, ja, und das hat alles so ein bisschen geschlafen.

TS: Es ist ja nicht uninteressant, wenn man darüber liest, und dann sieht, dass die ihre…

HD: Schau mal, das war alles Weinbau, hier, der Felsenstein, das waren alles Anheuser-Flächen. Das ist ja alles brach gefallen. Und auch hier dieser Berg, alles Weinbau. Das war alles nur Besitz großer Güter. Hier, das war alles Anheuser, und von hier an beginnend, war alles Staat. Das war Weinbauschule, das ist auch heute noch die Weinbauschule. Die macht hier ihre Beobachtungen, Niederschlagsmengen und die klimatische Beobachtungen.

Von hier an vor, hinter diesem Felsen, das ist das Dellchen. Und ich bin immer hier vorbeigefahren, und schau da hoch, Mensch, das sieht alles verwildert aus. Ich wusste ja, dass das große Weinberge waren. Wir haben diese Fläche damals gekauft, und haben obendrin wieder angefangen, das zu kultivieren. Weil ich die Weine kannte. Und die wurden auch immer wieder in dem Zusammenhang mit Niederhausen, mit der Hermannshöhle und Schlossböckelheimer Felsenberg, wurde auch immer wieder Norheim, die Kirschheck und das Dellchen genannt. Und dann denk ich, „Menschenskinder, schade, dass das liegenbleibt!“ Und dann, irgendwann, hab ich mir den Mut gefasst, dann haben wir das nachgefragt bei Anheusers, und die waren froh, wie sie es verkaufen konnten. Es hat nix gekostet, aber es musste wieder rekultiviert werden. Und, ja, es hat sich an sich, nach der Zeit, kann ich sagen, es hat sich gelohnt. Es hat zu unserer Reputation mit beigetragen, und mir hat es einen Heidenspaß gemacht, ein zusätzliches Kind in der Familie zu haben.

HD: Ich hab auch nie versucht, Weinberge in den Besitz zu bekommen, um an einem anderen Namen zu partizipieren, sondern, ich hab immer versucht, Weinberge, also Namen, in die Welt zu tragen. Manchmal war er schon da, aber er war vergessen. Er wurde nicht mehr…, ja, hat seine Ausstrahlung verloren, weil niemand mehr einen gescheiten Wein, oder einen Wein, der ursprünglich mal zu so einem Namen beigetragen hat, in der Qualität gezeigt hat. Und unsere Weinberge, die wir heute haben im Weingut, gehören alle so in dieser Kategorie zu sehen. Ich sehe auch immer Weinberge im Zusammenhang mit Menschen. Also, die Weinberge, die ich habe, ich seh zu jedem Weinberg ein Gesicht. Von den Vorbesitzern, von den Arbeitern, den Verwaltern, und den Arbeitern, die diese Weinberge angepflanzt, die die Mauern gebaut haben - das ist ja alles vor unserer Zeit - die die ursprünglich angepflanzt haben und kultiviert haben. Das ist wie so ein diffuses Bild, was sich dann abspielt. 

TS: Das find ich an dem Verwaltergedanken ja auch nicht so uninteressant. Also, wenn man wieder auf diese großen Güter zurückkommt...

HD: Das war ja so, der Verwalter, diese Position ist ja vererbt worden. Also, wenn man die Geschichte beurteilt von den großen Namen in Deutschland, die großen Güter im Rheingau, in der Pfalz, hier, überall, an der Mosel. Die sind ja geprägt worden von Menschen. Und das waren nicht primär die Besitzer, das waren häufig die Verwalter, also die Direktoren, die nicht die Besitzer waren. Oder die Außenbetriebsleiter, oder Kellermeister, die diese Weingüter berühmt gemacht haben, und den Namen in die Welt getragen haben. Und die seh ich, die seh ich... Also, ich kann zu jedem Weinberg, den wir heute besitzen - entweder kam er aus unserer Familie, dann denk ich an meinen Vater und meinen Großvater. Also, die ich kennengelernt hab, noch als Kind, und dann später als Erwachsener. Und bei den anderen Weinbergen, die ich besitze, sehe ich die Gesichter der Verwalter oder Kellermeister, die mich fasziniert haben, die mir auch im Endeffekt wohl unbewusst den Spaß an meinem Beruf mit vermittelt haben. Unbewusst. Das war nicht so, dass das jetzt schön ist, und die mich gefragt haben, ist das jetzt schön oder ist das nicht schön - das ist Quatsch. Wo man das Gefühl hatte, die standen mit einer Leidenschaft da hintendran. Das war ihr Leben! Und so haben die das nach außen repräsentiert. Das ist an sich in meiner Generation ein bisschen verlorengegangen. Nicht überall, aber in vielen Bereichen ist es verlorengegangen, wo auf einmal ein Jobdenken kam. Da wurden Leute, ja, gute Leute, die will ich nicht abwerten, die auch ihr Handwerk beherrscht haben, angestellt, die aber nicht so verwurzelt damit. Die anderen Verwalter, da war der Opa schon Verwalter, im gleichen Betrieb. Die haben das angesehen wie ihr Eigentum. Und dementsprechend arbeitet man, hat man eine ganz andere, ich sage mal, Beziehung zu der Sache, als wenn man das nur als Job sieht. 

Ich halt jetzt mal hier, dann laufen wir wieder ein Stückchen. Müssen wir nur gucken, dass wir so parken, dass noch Autos vorbeikommen. 

TS: Was hat es mit dem Heu auf sich?

HD: Das ist Stroh, das sind wir auch, da erzähl ich gleich was drüber… Hier klappt’s aber jetzt mit dem Aussteigen.

TS: Gerade so.

HD: Ich habe in meinem ganzen Leben praktisch keine synthetischen Dünger ausgebracht, also Stickstoff und so weiter. Wir haben aber immer sehr viel organische Masse ausgebracht. Und das war ja schon zu meines Vaters Zeiten so. Damals haben die Stallmist ausgebracht, wobei Stallmist natürlich einen hohen Stickstoffgehalt hat und wachstumsfördernd ist. Und heute kämpfen wir ja um Nitratgehalt im Grundwasser und so; da hat man… damals, das wusste man ja gar nicht. Aber das ist ja lang vor meiner Zeit. Stallmist gibt’s ja heute gar nicht mehr - es gibt ja keine Ställe mehr.

Das ist jetzt… hier wollte ich her. Kirschheck. Das gehört dazu. 

Das ist eine sehr schöne Parzelle. Das war mal der Weinbauschule, dem Staat. … Und auch die haben angefangen, im Laufe der 80er Jahre, sich von schwierigem Gelände zu trennen, weil es sehr teuer war in der Bewirtschaftung, ja? Und ich hab dort meine Lehrzeit verbracht. Da habe ich auch damals den Kahlenberg her, aus dieser Zeit. Also auch da eine Beziehung zu. Und ich kannte die Weine hier, und das fand ich immer, denk ich, „uh, das ist gut“. Aber zu dem Zeitpunkt, wo ich meine Lehrzeit gemacht hab, das war 1966, hat niemand drüber nachgedacht, dass das irgendwann mal verkauft wird, ja? Also… und dann hatte ich das Glück, das zu kaufen, und bin heute ganz glücklich. Das ist aber jetzt ein Weinberg, der sehr stark bei uns auch für Restsüße Weine Talent hat. Hier kriegen wir auch ein klein bisschen Botrytis in diesem alten Stück, unter der Mauer. Und es ist genau Süd, und wir kriegen auch hohe Mostgewichte, und haben trotzdem sehr schöne Säure dabei. Natürlich ginge auch trocken, aber ich hab also den so ein bisschen im Talent mehr in dieser Richtung gesehen. 

Hier ist auch Schieferverwitterung… Wir bringen Stroh ein, wechseln, zwei Gründe: Um a) organisches Leben in den Böden zu haben, und auf der anderen Seite, was sehr wichtig ist, um Erosionsverminderung zu machen. Wir kriegen ja mit, dass aus dem letzten Jahrzehnt, zumindest gefühlt, wenn wir Gewitter haben, die Niederschlagsmengen sehr hoch sein können, und damit die Gefahr sehr groß ist, dass, also hier im Hang ist es immer so, wenn sehr viel Wasser kommt, irgendwo muss das Wasser hin, es läuft natürlich nicht den Berg hoch, es läuft runter. Und dass, wenn so viel Wasser kommt in kurzer Zeit, kann das in der kurzen Zeit natürlich nicht in die Erde eindringen, und läuft weg, und kann dann unheimlich viel Erde mitreißen. Und diese Gefahr von diesen Erosionen, das ist etwas, wo wir sehr viel Respekt davor haben. Und auch ein bisschen Angst… Wenn der Boden abgeschwemmt wird, der ist natürlich etwas sehr Wertvolles. Liegt nachher in der Nordsee und irgendwann beim Rheingold. 

Spätestens hier nun reißt der Wind endgültig die Worte ins Land des Unsendbaren mit. Im Transkript, das Sie wie bei allen Folgen auf charakterboeden.de einsehen können, versuchen wir nach bestem Wissen und Gewissen, das Gesagte zu rekonstruieren. Aber auch das ist Natur.  

Daher hier nun einige Abschnitte reine Textversion:

HD: Wenn der Boden abgeschwemmt wird, der ist natürlich etwas sehr Wertvolles. Liegt nachher in der Nordsee und irgendwann beim Rheingold. Deswegen bringen wir jedes Jahr Stroh aus, dieses Jahr wechseln wir die Zeilen. Die organische Masse auf dem verhindert diese Verrottung. Und dann kommt noch etwas, was eine Rolle spielt, die unproduktive Verdunstung sagt man, ja? Das ist ja wie eine Isolierschicht obendrauf. Und die Kapillaren sind verbunden. Wenn trockener Boden ist, läuft‘s Wasser, wenn das offener Boden ist (…)

Wenn obendrüber so eine verwitterte Schicht mit organischem Material ist, dann verdunstet das Wasser nicht so intensiv. Eine Maßnahme, die genauso wirksam sein kann, wie wenn es beregnet wird. Es ist das Gleiche, und wir erhalten das Bodenwasser. 

TS: Hier gibt‘s aber immer wieder Abschnitte drin, die deutlich steiler sind, als man das von unten je vermuten würde.

 

HD: Das ist richtig. Hier in Norheim… die Weinberge hier vom Image her standen immer ein bisschen im Schatten von Schlossböckelheim, obwohl hier auch die großen Güter waren. Die hatten alle nicht solch große Besitze, und haben das nicht so offensiv vertreten; das waren mehr so Insider-Berühmtheiten. Obwohl die Weinberge, ich hab‘s vorhin schon mal erwähnt, die ältesten dokumentierten Weinberge sind hier in Norheim. Also Kaufverträge zwischen den Bischöfen und den Sponheimer Grafen.

TS: Ich dachte, die Sponheimer als Raubritter hätten sich alles genommen?

HD: Die haben untereinander (…) die waren unheimlich… 

So, hier beginnt jetzt, weiter vorne, beginnt das Dellchen, als Lagenname. An sich sind es drei Dellchen. Hier ist ein Teilstück… Das sind alles die Gründe, warum der Weinbau so stark geschrumpft ist, in diesem schwierigen Gelände. Das hat nix mit der Qualität der Weine zu tun, im Gegenteil: die hätte man schon gerne gehabt, und man hat auch in den 70er Jahren gedacht, es wäre auch in der Ebene möglich. In der Zwischenzeit weiß man, dass es nicht, also im Endeffekt, in der Spitze, ich würde mal sagen, nicht möglich ist, besondere Ausstrahlung hat, dass die anderen Weine nicht auch tolle Weine sind, aber das hier ist schon etwas Besonderes (hier ist die Mauer umgefallen). Und die Ertragszahlen an den Dingern hier sind verschwindend gering. Also, rechnen tut sich das nicht. Aber es muss ja auch ein paar Verrückte geben, die das machen. 

TS: Aber geht‘s darum, gerade beim Spitzenweinbau, nicht auch wieder darum, eben immer wieder zu sagen, solche Sachen müssen einfach passieren, egal, ob die erstmal wirtschaftlich sinnvoll sind?

HD: Ja… aber irgendwo gibt‘s ja Grenzen. Ich kann ja nicht in Schönheit sterben. Wenn du über Jahre Sachen machst, die sich nicht rechnen, bist du irgendwann platt. Oder musst du einen ganz reichen Vater haben. Oder einen starken Hintergrund, oder irgendjemanden, der das finanziert. Aber wir leben ja vom Weinbau. Es ist ja nicht so, dass wir irgendwo im Lotto gewonnen haben, und das Geld jetzt verbraten für Jux und Tollerei. Das ist auch wichtig. Es muss irgendwo auch wirtschaftlich einen Sinn machen. Deshalb müssen die Weine hier Geld kosten, ja? Sowas macht wirtschaftlich auch Sinn, aber dann muss die Flasche Wein 100 € kosten. Und da sagt der eine oder andere, „aber das ist jetzt ein bisschen heftig… das ist mir zu teuer“. Aber in diesen Bedingungen, bei entsprechenden Lohnkosten, die man hat, ist das alles fast gar nicht möglich.

So, hier, so sah das aus, das sah alles so aus, ja? Das haben wir alles… (Wind). So, jetzt müssen wir hier runter. Da war nix mehr, da waren nur Hecken. Dann können wir da ein Stückchen runter gehen. Ursprünglich hat das dem Ökonomierat Anheuser gehört. Und ich wusste, dass hier… die Weine haben mich immer fasziniert. Da kann ich mich dran erinnern, Donnerwetter, war das ein guter Wein. Und dann haben wir das gemacht. So wie hier sah das aus. Hier geht‘s weiter. Und… der hat mir den Vogel gezeigt (lacht), wie wir das gekauft haben. Sagt er, „was willst du denn damit? Das bringt nix… du bist verrückt, du kriegst dein Geld nie mehr zurück“. So, dann probieren wir mal ein Stückchen. Und da haben wir dann angefangen, Zug um Zug, uns im Winter, beschäftigt. Der eine oder andere meiner Kollegen hat mir auch den Vogel gezeigt. Und ich habe gesagt, „na ja, jeder hat so ein Hobby. Der eine hat (hm…was für ein Haus?), der eine geht auf die Jagd, und ich mach halt jetzt das Dellchen mal“. (...) Mauern… Wenn wir Zeit haben, jetzt wieder Mauern aufzubauen, das ist was für Verrückte.

Da unten sieht man noch, wie das aussah. So war das. Und hier ist übrigens… heute, wir würden gerne weitermachen, wir dürfen aber nicht. Also, Naturschutzbehörde. Wenn so etwas Jahrzehnte nicht mehr bewirtschaftet wird, ist es nicht mehr möglich, das zurückzuholen. Wir sind an sich ganz glücklich, dass wir die Terrassen hier rekultiviert haben.

Das ist eine Katastrophe, ja, also da musst du guten Mutes sein, ja? Das rechnet sich nicht, also das ist Spaß. Da stellst du einen Maurer hin, der kriegt die Stunde 45 €. Wenn der abends weg ist, siehst du gar nicht, dass er etwas gemacht hat. 

So, gehen wir hier wieder hoch. Schon sehr traurig, dass es also so ein paar Tage so heiß war, und so viele Beeren verbrannt sind. OK, aber das gehört zum Risiko des Lebens... Schade. 

Wenn ich das hier beschreibe, auch die Weine beschreibe, das ist ja ein Dellenberg. Und hier im Untergrund ist an sich Schiefer. Nur die Felsen rechts und links sind vulkanische Felsen. Hier ist Schiefer. Immer wieder dazwischen. Hier. Das ist kein vulkanischer Boden wie in Schlossböckelheim. Obwohl links und rechts die Felsen sind. Das hat eher Ähnlichkeit mit der Hermannshöhle hier, ja? Das ist nicht aufgefahren, das ist der ursprüngliche Boden, hier, in der Mulde. 

Das ist natürlich auch ein heißes Spiel, in der Weinlese die Trauben hier hochzutragen. Die müssen hoch. (Der geneigte Hörer kann an dieser Stelle froh sein, das Keuchen nicht zu hören).

Da sieht man das: das ist was ganz anderes wie in Schlossböckelheim. Das ist nur die Mulde. Und links und rechts, von der Verwitterung, der Erosion, sind dann natürlich auch vulkanische Elemente.

Hier ist es ein bisschen wärmer, insgesamt gesehen, wie in Niederhausen, Schlossböckelheim. Das ist nur die Mulde. Und links und rechts, von der Erosion auch vulkanischer Elemente. Das ist ganz verrückt, wenn man Richtung Rhein geht - diese Richtung ist der Rhein - das Haupttal ist wärmer hier wie die Seitentäler, insbesondere… vor allem haben die auch wärmere Nächte… Über Tag wird immer gesagt, die Rekordtemperaturen werden ja in Kreuznach gemessen, nicht in Mainz. Über Tag. Aber, was wir haben, wir haben hier kühlere Nächte, weil das Tal enger ist. Und die Kaltluft sackt also von den Höhen… bei uns ist es noch stärker ausgeprägt wie hier. Und deshalb haben wir auch immer ein bisschen Angst vor Frösten im Mai. Später, um evtl. einen Eiswein zu machen - was lange nicht mehr vorgekommen ist - ist das wieder ein Vorteil. Aber es ist für das Jahr nicht primär ein Nachteil. Es ist eher ein Vorteil. Weil, insbesondere Riesling liebt kühle Nächte. Dann bleibt die Säure stabil. Und hier geht‘s Richtung Rhein - in Mainz oder in Bingen blühen im Frühling die Forsythien, man kann sagen, eine Woche früher wie bei uns. Die Vegetationsunterschiede würde ich beziffern auf ungefähr eine Woche. Und Norheim ist direkt schon Rhein. Und hier blühen die ein paar Tage früher wie bei uns, und entsprechend auch in der Regel ist die Ernte etwas früher. Heute, was nie ein Plan war von uns, aber heute genießen wir das sogar, dass unsere Weinberge nicht so en bloc in Oberhausen und Niederhausen liegen, weil wir ja doch mindestens vier Wochen Arbeit haben, bis wir alle Trauben abgeschnitten haben. Und so können wir das ganz schön variieren, mit den früheren Lagen, da fangen wir an, und bei den späteren Lagen hören wir auf. Dass wir die ziemlich gut auf einer Situation reinkriegen. Vielleicht auch so im Jahresverlauf fangen wir mit unserer Arbeit immer... die Weinberge, die mehr Richtung Rhein liegen, fangen wir an, und enden mit den Weinbergen, die mehr ins Tal… Hat jetzt nix mit der Qualität der Trauben, der Weine später, zu tun. Ist nur halt auch vom Arbeitsablauf, vom gesamten System von der Familie eines Weingutes etwas Schönes. 

TS: Wie stark variieren denn Sonnenstunden zwischen den einzelnen Lagen?

HD: Da ist also der Unterschied zwischen jetzt Schloßböckelheim, Felsenberg, oder Kahlenberg in Kreuznach… ich glaub, das ist überhaupt kein Unterschied. Also Kreuznach und Geisenheim hat minimalste Unterschiede. Da muss man schon weiter nach Süden gehen. Also Neustadt hat schon wieder eine andere Situation, aber das ist auch eine größere Entfernung. Es ist nicht allein der Sonnenschein schuld, es ist auch die Abkühlung nachts, vor allem. 

Früher hat man gesagt, im August sollte man nicht nach den Reben kucken. Weil im August, häufig nach einer ausgedehnten Wärmeperiode, die Pflanzen nicht so saftig dastehen. Wir haben zwar jetzt Niederschläge gehabt, die letzten Tage, aber auch nicht so intensiv, und insofern ist das also jetzt, dieses Phänomen, nicht so ausgeprägt. Aber häufig ist es um diese Jahreszeit so, da denkt man, „oh Schreck lass nach, ob das dieses Jahr noch was wird?“ Und dann war‘s hinterher vielleicht ein großartiger Jahrgang.

Der Boden ist komplett begrünt… würde man sich wieder Sorgen machen, wenn Wasser da wäre.

Und hier steigen wir dann auch wieder in die Aufnahme ein…

HD: Also, nochmal auf die Kreuznacher Weinheiligen zurückzukommen… Das war sehr stark der Beritt von dem Fuchs, also, seines Zeichens Betriebsleiter bei Anheuser. Wenn hier was war, hat mein Vater ihn gefragt. Schlossböckelheim, das Türmchen, das war der Beritt von Rudolf Koch, seines Zeichens Betriebsleiter bei Plettenberg. Und wenn in Kreuznach was war, hat er den Zeuner gefragt, seines Zeichens Betriebsleiter bei Herf, hieß das Weingut. Und dann wurde der gefragt, und dann hat man sich so ein Bild gemacht, was an der Nahe los ist. 

TS: Um wieviele Generationen geht der Betrieb dann am Ende zurück?

HD: Also, wir haben sehr gute Daten. Und zwar ist der erste mit dem Namen Dönnhoff rund 1750 nach Oberhausen gekommen. Und das war, haben wir gedacht immer, ein sehr frommer Mensch, also, zu der Zeit war das wahrscheinlich auch nix ungewöhnliches. Der hat eine Bibel gekauft. Man muss allerdings sehen, eine Bibel war damals auch wie ein Stammbuch, so ne Bibel, ein Riesending, die gibt es. Die ist leider nicht in meinem Besitz, weil sie weggeheiratet wurde über die Generationen, aber es gibt sie und ich hab auch eine Abschrift davon. So eine Bibel war…, ein Drittel der Seiten im Anhang war leer. Da hat man dann reingeschrieben, wer wann geboren wurde, wer wann geheiratet hat, usw. 

Und der hat dann in Oberhausen eine Frau gefunden und hat geheiratet. Hatte übrigens, glaube, 17 Kinder, total. Unglaublich. Aber nur vier sind erwachsen geworden. Mit zwei Frauen, Geschwister. Die eine Frau ist gestorben, dann hat er die Schwester geehelicht, was wohl damals, was ich so höre, häufiger gemacht wurde. Und von den wirklich 17 Geburten sind nur vier Erwachsene geworden, alle anderen sind entweder direkt bei der Geburt, oder später, wie auch immer, sind verstorben. Und wenn man das liest, mit welcher Ehrfurcht, oder Gelassenheit, der das beschreibt. Also, der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen. Die haben das akzeptiert. Und er hat also nebenbei begonnen, aber das ist weitergeführt worden bis in die Zeit meines Vaters, diese Bibel als Stammbaum, oder als -buch. Und dann hat er auch immer wieder reingeschrieben, besondere Ereignisse, und besondere Ereignisse waren immer weinbaulicher Natur. Also, die haben davon gelebt. Und er hat damals schon ganz früh einzelne Weinberge beschrieben - dazu gehörte Leistenberg und HermannshöhleHermeshöhle, damals. Also nicht genauso geschrieben wie heute, sondern halt...

Und er hat beschrieben, es gab viel Wein, es gab wenig Wein. Nicht Details, die haben nicht reingeschrieben, der hat nach Pfirsich geschmeckt und das und jenes. Quatsch. Damit haben die sich nicht befasst. Die haben sich nur befasst mit, es hat gegeben oder es hat nix gegeben, ja? Oder, es gab viel. Oder er hat andere Sachen reingeschrieben, wenn extreme Fröste waren, also, die Reben sind erfroren, oder ganz heiße Sommer waren, dass es besondere, gute Weine gab. Aber man muss sehen, also jetzt können wir sagen, seit dieser Zeit gibt‘s das Weingut Dönnhoff, das… meine Vorfahren gibt es seit der Zeit, und seit der Zeit wohnen wir auch in dem Haus, wo ich jetzt wohne.

Aber Weingut in dem Sinn war das ja nicht. Weinbau war einer der wichtigen Erwerbszweige, aber nicht der alleinige. Zu dem damaligen Zeitpunkt hatten die ja alle, Winzer, also Familienbetriebe, keine Güter, Weingüter in dem Sinn. Das waren landwirtschaftlich-weinbauliche Gemischtbetriebe - die hatten alles. Die waren autark, in dem besten Sinne, was wir heute manchmal so gerne wieder hätten. Dass wir also so im Einklang mit der Natur alles genau machen, ja? Die hatten Getreide, die hatten Kartoffeln, die hatten Obst, Getreidearten sowieso, Dreifelder-Wirtschaft. Die haben also den Dung, also, Kuhmist, genommen, um die Weinberge zu düngen. Also, alles irgendwie in einer gewissen Einheit. Sie haben primär, wenn ich die alten Bücher sehe, und auch die Gespräche noch, meine Großmutter ist alt geworden, und wir haben uns häufig noch erzählt, und viele Sachen sind ja durch Erzählen weitergereicht worden, nicht immer niedergeschrieben nur, die hat mir auch immer gesagt, sie haben primär von der Landwirtschaft gelebt. Sie hatten ihre Milch, sie hatten ihr Fleisch, sie hatten ihre Kartoffeln, und Getreide zum Mahlen. Das war sehr autark. 

Wein war ein großer Luxus. Und den Wein haben sie genommen, um… der ist verkauft worden, ja? Und das war mehr oder weniger das Investitionsgeld, ja? Meistens, in der Zeit häufig, um weichende Erben zu bezahlen, oder die Aussteuer für die Mädels. Oder, wenn sie gute Ernten hatten, hatten sie auch etwas, um etwas mal zu kaufen, oder zu bauen, ja? Da ist mal der Stall neu gebaut worden, oder der Keller renoviert worden, oder auch etwas gekauft worden. 

Weinbau, Weingut, in dem Sinn, wie wir es heute sehen, würde ich sagen, der erste war mein Großvater. Und der hieß Hermann, deshalb Hermann Dönnhoff. Seine Vorfahren haben das gleiche gemacht wie er. Er war aber in der Erbteilung der jüngste von vier Geschwistern, und er hat als Erbanteil die meisten Weinberge bekommen, was damals der schlechtere Erbteil war. Also, Landwirtschaft- und Ackerflächen, fruchtbares Ackerland war finanziell wertvoller, ja? Und der hat da aber - den habe ich auch noch kennengelernt - der hatte unheimlich viel Spaß an Wein. Und der hat dann auch die Weinberge bekommen, also, die ersten paar, die er damals hatte. Und er war der erste, der schon in den 20er Jahren seinen besten Wein auf Flaschen gefüllt hat.

Also, die ersten Etiketten, die wir haben, entstammen nach dem Ersten Weltkrieg, als er nach dem Krieg nachhause kam, und so in den 20er Jahren… ich weiß, dass sie in den 20er Jahren abgefüllt haben, die ersten Etiketten sind aber ein bisschen später, die noch überliefert sind. Und er war der erste, der hat - dem verdank ich z.B. unseren Weinberg an der Brücke - der hat das damals erworben, und in der Form, wie es heute als Weinberg existiert, angepflanzt. Und er war damals zu seiner Zeit, er hat zum ersten Mal damals dort reinsortig Riesling angepflanzt, was nicht üblich war. Das hat er gelernt von den großen Gütern. Und auch z.B. von der Staatsdomäne, die damals reinrassig… also vorher gab‘s den Gemischten Satz, wo alles durcheinander gepflanzt war, und die haben erstmal einen hochwertigen Rebbau mit einzelner Rebsorte - das war bei uns der Riesling - praktiziert, und das auch ein bisschen der Umwelt gelernt. Und da war er auch fasziniert davon, und hat also dort angefangen - das war sein Herzstück dort - und wusste, das ist zwar nicht so spektakulär wie die Hermannshöhle, aber er wusste auch von den Verhältnissen, dass er vorher dort einzelne Rebstöcke selektioniert hat, und die ausgebaut hat, und fand das immer einen für ihn wichtigen Wein. Insofern kann man sagen, das war an sich der Vorfahre, der zu unserem Weingut das Wesentliche beigetragen hat.

 

TS: Und wann kamen dann andere Trauben dabei? 

HD: Ja, an sich, zu dem damaligen Zeitpunkt, in der Generation, war Riesling an sich etwas, was extremen Ertragsschwankungen unterlegen hat, keine schlechte Selektion. Und Silvaner war damals viel wichtiger wie Riesling - überhaupt für die ganze Region. Also, da war mehr wie 50% der Rebfläche war mit Silvaner bestockt - auch bei uns. Also, die meisten, also, ganz viele Flächen waren, der Hauptanteil war Silvaner. Und selbst dort, wo Riesling stand, hat man immer dazwischen Silvaner-Stöcke gefunden.

Das ist im Grund genommen erst durch die Reblaus-Katastrophe, und die zweite…, nach dem, an sich, man kann sagen, nach dem Zweiten Weltkrieg erst gezielter gemacht worden, dass man an sich dann auf hochwertige Rebsorten konzentriert hat. Die Flächen, wo der Silvaner stand, die sind Zug um Zug von den Weißburgunder-Sorten verdrängt worden. Also in meiner Jugend hatten wir ganz wenig Weiß- oder Grauburgunder. Aber wir hatten, es gab hier schon immer Weiß- und Grauburgunder. Hat aber keine große Rolle gespielt, Silvaner war wichtiger. Aber dann hat auf einmal der Markt sich sehr viel mehr für weiße Burgundersorten interessiert, und der Silvaner wurde zusehends… hatte keinen Markt mehr richtig. Ich will nicht sagen, dass das schlechte Weine sind, das sind gute Weine, keine Frage. Aber nicht so spektakulär.

Und dann hat man in den Flächen, wo Riesling von den klimatischen Bedingungen nicht so perfekt ist, wo ein bisschen mehr Lehm im Boden ist und wie auch immer, hat man dann Weiß- oder Grauburgunder gepflanzt, und in den Top-Flächen Riesling. Wir haben ja gar nicht so viele Rebsorten. Während in den Regionen Richtung Rhein, also hinter Bad Kreuznach, die Gemarkungen, der Riesling eine untergeordnetere Rolle gespielt hat, hat er hier immer schon die dominante Rolle gespielt. Also, mein Vater oder mein Großvater, die haben sich gar nicht für die anderen Rebsorten so richtig interessiert, muss ich sagen. Die haben auch, wenn man alte Etiketten sieht, da steht überhaupt nicht Riesling drauf. Das war aber Riesling. Wenn ich so als Junge da drüber nachdenke, wenn die miteinander über Wein gesprochen haben, die haben natürlich vom Felsenberg gesprochen, von der Hermannshöhle, vom Leistenberg, von der Brücke. Und dann wusste man, wenn die Lagennamen nennen, das war Riesling. „Steht ja gar net druff?“ „Ja, wenn Felsenberg druff steht, dann ist das Riesling.“ An der Mosel gab‘s das ähnliche Phänomen, dass da vielfach gar nicht Riesling drauf stand. Im Burgund ist es ja ähnlich, da steht auch gar nicht Spätburgunder drauf. Das ist Spätburgunder.

So, ihr Männer…, jetzt muss ich allerdings mal nach Hause und nach dem Rechten sehen. 

TS: Sag doch kurz vorher noch, warum du denkst, dass selbst die Weiß- und Grauburgunder bei euch eine deutlich höhere Lagerfähigkeit haben als z.B. in der Ebene. 

HD: Pass mal auf, ich fahr jetzt noch einen ganz kleinen Schlenker auf den Leistenberg, damit ihr das auch gesehen habt. Wir haben hier die Handwerker, wir haben hier alles, ich muss ein bisschen schauen… Die haben mich überfallen, muss ein bisschen schauen, damit das alles funktioniert, aber ich fahr trotzdem nochmal… Warum die anders sind als anderswo?

TS: Und warum sie sich auch so gut halten. Weil, so ein ´05er, ´07er Weißburgunder aus Deutschland würde man ja meist eher nicht trinken. 

HD: Das ist bei uns überhaupt kein Thema. Die haben haben teilweise eine Verwandschaft in der Lagerfähigkeit wie der Riesling. Ich glaube, das hängt einfach mit dem… es ist ein bisschen kühler hier, mit der längeren Reifezeit zusammen. Die insbesondere jetzt hier, in die Tal-Einschnitte rein, ist es schon kühler. Und die reifen langsamer. Wir ernten ja auch sehr viel später, wenn ich also so mit meinen Kollegen in der Pfalz oder Baden telefoniere, dann ist es häufig so, dass ich da anrufe, und will noch in Urlaub fahren, da sind die mitten in der Weinlese, und dann rufen die an und wollen mich besuchen, da sind die schon 14 Tage fertig, und wir haben noch 14 Tage zu ernten.

Das ist schon ein großer Unterschied. Und dann haben die Weine eine andere Struktur. Die haben also eine festere Säure, eine reife, festere Säure, weil sie in einer Zeit reifen, wo es nächtens schon kühler ist. Und der Alkoholgrad ist nicht zu hoch. Wir können also auch länger warten, ohne dass uns der Alkohol durch die Decke geht, also, dass die überreif werden. Und damit hat man - man muss das ja auch immer auseinander halten - physiologische Reife und Zucker-Reife. Die Zuckerreife kann im Süden auf einmal zu hoch sein, im Vergleich zur physiologischen Reife, und dann muss man die Trauben ernten, damit man nicht zuviel Alkohol kriegt, aber sie sind an sich von ihrer anderen Reife noch nicht perfekt. Ideal ist es, wenn beides zusammenkommt. Das ist so die Traumvorstellung, gelingt aber nicht immer. Ich muss immer lachen, wenn wir hier, wenn ich Weißburgunder oder Grauburgunder mit dem ein oder anderen Kollegen aus südlicheren Gefilden probiere, da fragen die mich immer, „wieviel Riesling ist denn da drin?“ Weil der so viel Säure hat. Dann sag ich, „kein Tropfen, wir brauchen den Riesling für unsere anderen Weine“. Aber man könnte manchmal das Gefühl haben, es wären Riesling-Stöcke dabei. Und das ist, glaub ich, auch das Geheimnis dann von der Haltbarkeit, von der Lagerfähigkeit. 

Ich glaube heute, es ist aber nicht nur Säure allein, die einen Wein haltbar macht. Es ist die gesamte innere Balance, das Gerüst eines Weines. Ich hab auch immer auch erzählt, und das hab ich auch so gedacht, hab nicht irgendwelchen Quatsch erzählt, weil wir alle der Meinung waren, entscheidend für die Haltbarkeit eines Weines ist die Säure. Das ist einer von vielen Faktoren, der wichtig ist. Ganz ohne Säure wird‘s lasch und labberig. Und dann hat‘s auch keine große Lebensdauer. Aber Säure allein reicht halt auch nicht. Es muss die gesamte innere Balance sein, und heute würde ich sagen, ich sag mal so, eine natürliche Reife, mit der inneren Balance, ist nicht zu schlagen, dann ist es… dann können auch andere Rebsorten, denen man es nicht zutraut, wie z.B. Weißburgunder, oder Grauburgunder, ein unglaublich gutes Reifepotential haben.

So, jetzt sind wir nochmal in einer ganz anderen Ecke, und dann fahren wir nachhause, und dann muss ich nach dem Rechten schauen. Hier ist nochmal ein interessanter Blick.

Hier oben gab‘s alles Mögliche: Sonnenbrand, Hagel - alles, was man nicht so gerne hat, da war alles bei.

Schau mal, wie das aussehen kann… traurig, gell. Schade ohne Ende. Aber das ist Natur. Das ist der Leistenberg hier, hier runter. Und das ist der gleiche, die gleiche Bodenformation wie hinten in der Hermannshöhle. Hier oben nicht, auf dem Plateau, das ist kiesig. Aber hier runter, das sind die gleichen, das ist vergleichbar der Hermannshöhle. Absolut dasselbe. Das ist dieser Grauschiefer. Und das ist ja das, was wir als trockene Weine, als Tonschiefer verkaufen. Da kommen einem die Tränen. Schicksal. Werdet ihr auch beim Werner Schönleber sehen. Aber hier ist es ganz schlimm, hier, da ist es fast am schlimmsten hier. Also, natürliche Ertragsbegrenzung. Ach, da muss man gelassen sein. Das ist das, was ich auch sage, dass man eine gewisse Ehrfurcht lernen muss. Also, die Bäume wachsen… wenn man hierherschaut, meint man, es wär gar nix, ja? Weil, die Sonne steht hier, und hat diese Seite komplett verbrannt. Deshalb, diese Phänomene sind extrem unterschiedlich, je nachdem, wie die Zeilen zur Sonne stehen. 

So, hier ist eine andere Situation, hier ist ja Südost, hier ist Süden. Also, der Weinberg hat die Morgensonne, Sonne geht auf, Sonne nachmittags dreht weg. Normal - das ist etwas, was ich hier noch nie gesehen habe, aber das war wohl diese Besonderheit des diesjährigen Sommers - die Sonne spätabends ist nicht so intensiv. Also, hier, die haben weniger… - wir gehen mal zum Auto, ich will nachhause - die haben nicht so eine intensive Sonneneinstrahlung am Spätnachmittag. Und damit haben wir die Zuckergrade, die werden ein bisschen später reif, wir können warten mit der Ernte, die lesen wir nach der Hermannshöhle, nach Norheim sowieso. Und dann haben wir häufig eine schöne, physiologische Reife und nicht zu hohe Zuckergrade - für Kabinett perfekt. 

Das ist jetzt nicht ein Weinberg für Auslesen, Beerenauslesen, sowas, ja… das sind die, wo ich sagen muss, die verschiedenen Talente, was Weinreben haben, äh, was Weinberge haben. Hier, das ist mit das…, also, dieser Weinberg ist im Familienbesitz gewesen von Anfang an, wie die Bibel uns berichtet. 

TS: Aber das sieht man ja wirklich auch sehr selten, dass so nebeneinander bewirtschaftet wird. 

HD: Also, hier beschränkt sich der Weinbau, hier ist der Weinbau nie ausgedehnt worden, weil es einfach nicht möglich war. Man hat hier Weinbau… ganz unten im Tal geht es nicht, es sei denn, es ist direkt am Fluss, wie an der Brücke, weil der Fluss dann eine Balance zwischen Tag und Nacht macht. Ansonsten wäre dann im Tal, wäre die Gefahr von Frösten viel zu groß, und höher geht‘s auch nicht, da werden die Trauben nicht reif. Oder die Qualität ist nicht groß. Der Kontrast hier, zwischen den einzelnen Flächen, ist groß, weil die Landschaft in sich getragen wird von einem extrem charaktervollen Mikroklima, ja? 

Und das ist, glaub ich, auch der Grund, warum die Geschichte mit den einzelnen Lagen, mit dem Terroir, was wir heute so sagen, oder Lagenbezeichnungen und Lagenklassifizierungen, hier in solchen Regionen schon immer in den Köpfen drin war. Die wussten, „das ist besser wie das“. Und teilweise um ein Vielfaches besser. Und manchmal, in Steinwurfnähe beieinander, das eine ist absolute Klasse, das andere taugt nix. Und dementsprechend haben sie es auf die Etiketten geschrieben, haben draufgeschrieben, „ja, das ist ja von dort und dort“, um zu signalisieren jemand, „das ist halt besser wie das“. Ich glaub, diese Lagenunterschiede sind speziell in kühleren, härteren Regionen einfach noch kontrastreicher wie in einer Landschaft, die in sich schon eine höhere Wärmesumme hat. Dann, wenn die Wärmesumme höher ist, dann sind die Lagenunterschiede sehr stark, muss man dann zurückführen auf den Boden. Aber hier ist das sehr stark ein Zusammenspiel zwischen der Hangexposition und dem Windeinfluss, also dem gesamten Mikroklima, und auf der anderen Seite, die Böden dazu. Das muss man so als Gesamtheit sehen. Wenn man überhaupt über Wertigkeit von Weinbergen sprechen will. Und natürlich kommt dann noch das Jahr dazu, nicht zu vergessen. Es gibt manchmal Weinberge, die taugen gar nicht so viel… und dann, in einem speziellen Jahr, den ganz heißen Jahren, bringen sie fast einen der besten Weine. Und dann wieder, fünf Jahre taugen sie gar nix. Das ist vielleicht auch ein Phänomen der Hermannshöhle, die uns ja jetzt in Front gegenüberliegt, dass sie über alle Jahre, wenn man so einen Schnitt nimmt, immer zu den Weinen gehört hat im Keller, die einem einfach auffallen. Wenn ich die zu einen ganz frühen Zeitpunkt auch, die ganzen Tanks oder Fässer nebeneinander probiert habe, ist immer… fällt immer der eine oder andere Wein auf. Und wenn einer besonders positiv auffällt, dann wundert es uns heute nicht mehr, wenn man auf‘s Schild schaut, und sieht, das ist ja von der Hermannshöhle - klar, dass der uns auffällt.

Redaktion, Interviews, Fotos: Torsten Schmidt

Schnitt & Mischung: Marc Übel

Titelmusik: Oliver „Dorian Concept“ Johnson und Denis „Adlib“ Hürter.

Musik: Marc Übel, Frank Westerkamp, Denis „Adlib“ Hürter

Logo & Cover: Jonathan Gehlen

Lektorat: Carmen Hofmann

Website: Jan Niklas Jansen


Wir danken allen Winzer:innen, ihren Teams und ihren Familien - heute natürlich ganz besonders Anne Dönnhoff, Helmut Dönnhoff, Frau Breetz, und dem legendären Sascha Schömel, für ihre großzügige Zeit im Rahmen dieses Podcasts, und die Liebe zum Detail, mit der sie jeden Tag auf's Neue an die Arbeit gehen.


Wohlsein!